Entscheidungsdatum: 14.06.2010
Nimmt der Kläger im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess im Rahmen eines Vergleichs die Klage zurück, hat er - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - auch die außergerichtlichen Kosten der auf Beklagtenseite beigetretenen, am Vergleich nicht beteiligten streitgenössischen Nebenintervenienten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO zu tragen (Bestätigung des Sen.Beschl. v. 15. Juni 2009, II ZB 8/08, DStR 2009, 1970 Tz. 12) .
Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenienten zu 2 und 3 wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 26. Mai 2009 aufgehoben, soweit die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 29. Dezember 2008 sowie die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin zu 3 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 3. Februar 2009 zurückgewiesen worden sind.
Unter Abänderung der Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 29. Dezember 2008 und vom 3. Februar 2009 werden die Kosten der Nebenintervenienten zu 2 und zu 3 den Klägern auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.
Beschwerdewert: 9.900,00 €
I. Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, erhoben zunächst getrennt Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 7. Juli 2008. Die Verfahren wurden mit Beschluss des Landgerichts vom 12. September 2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die beiden Rechtsbeschwerdeführer sind ebenfalls Aktionäre der Beklagten. Sie und ein weiterer, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr beteiligter Aktionär, sind dem Verfahren mit Schriftsätzen vom 22. September 2008 bzw. vom 16. Oktober 2008 als Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten beigetreten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht schlossen die Kläger und die Beklagte am 10. November 2008 einen Vergleich, in dem die Kläger mit Zustimmung der Beklagten die Klage zurücknahmen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Eine Kostenregelung für den Nebenintervenienten auf Beklagtenseite enthält der Vergleich nicht. Der Prozessvertreter der Rechtsbeschwerdeführer stimmte der Klagerücknahme zu und stellte den Antrag, die Kosten der Nebeninterventionen den Klägern aufzuerlegen.
Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 29. Dezember 2008 und vom 3. Februar 2009 angeordnet, dass die Rechtsbeschwerdeführer ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, weil die Kostenregelung im Vergleich auch im Verhältnis zu den Nebenintervenienten maßgebend sei. Die sofortigen Beschwerden der Rechtsbeschwerdeführer sowie der weiteren - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligten - Nebenintervenientin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Rechtsbeschwerdeführer ihr Begehren weiter, die Kosten ihrer Nebenintervention den Klägern aufzuerlegen.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Rechtsbeschwerdeführer zu Unrecht zurückgewiesen. Die Kosten der von den Rechtsbeschwerdeführern erhobenen Nebeninterventionen auf Beklagtenseite sind den Klägern aufzuerlegen.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt:
Im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des streitgenössischen Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft nach einer Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich sei die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht sachgerecht. Eine im Vergleich getroffene Kostenregelung gehe der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor, auch wenn die Nebenintervenienten nicht an dem Vergleich beteiligt seien. Es sei über die Kosten der Nebenintervention unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden, wobei regelmäßig eine Teilung der Kosten oder Kostenaufhebung in Erwägung zu ziehen sei, wenn - wie hier - eine hinreichend gesicherte Feststellung der Erfolgsaussichten der Kläger und der Nebenintervention nicht möglich erscheine. Hierfür spreche auch die korrespondierende Vorschrift des § 98 ZPO. Hinreichende oder gar zwingende Billigkeitserwägungen erforderten eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten nicht.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Über den Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten der Beklagten ist infolge der Rücknahme der Klage auf der Grundlage des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu entscheiden. Die Kosten der Nebeninterventionen der Rechtsbeschwerdeführer tragen deshalb die Kläger.
a) Der als Aktionär dem von den Klägern als Aktionären gegen die beklagte Gesellschaft geführten Anfechtungsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient ist im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als streitgenössischer Nebenintervenient i.S. der §§ 66, 69 ZPO anzusehen (vgl. nur BGHZ 172, 137 Tz. 9 m.w.Nachw.). Für die streitgenössische Nebenintervention gilt der für die einfache Streitgenossenschaft in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität und damit auch der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 98 ZPO nicht; vielmehr sind ausschließlich die §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellen. Ob ein streitgenössischer Nebenintervenient Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist danach eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen. Hat der Kläger die Klage zurückgenommen, hat er - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - die außergerichtlichen Kosten der auf Beklagtenseite beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO zu tragen (BGH, Beschl. v. 15. Juni 2009 - II ZB 8/08, DStR 2009, 1970 Tz. 12).
b) Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO liegen nicht vor. Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie ihm "aus einem anderen Grund aufzuerlegen". Insbesondere ist insoweit kein Raum für materielle Billigkeitserwägungen, wie sie das Oberlandesgericht angestellt hat. Als "andere Gründe" kommen vielmehr grundsätzlich nur prozessuale Kostenerstattungsansprüche in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Oktober 2003 - II ZB 38/02, NJW 2004, 223, 224; Beschl. v. 6. Juli 2005 - IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662, 1663; MünchKommZPO/Becker-Eberhard 3. Aufl. § 269 Rdn. 41; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO § 269 Rdn. 20), die hier nicht ersichtlich sind. Es fehlt ferner an einer von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO abweichenden Kostenregelung in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich. Eine solche vergleichsweise Regelung der prozessualen Kostenlast kann zwar ebenfalls ein "anderer Grund" i.S. von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO sein (BGH, Beschl. v. 6 Juli 2005 - IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662, 1663), ist hier aber nicht gegeben. Der gerichtliche Vergleich wurde allein zwischen den Hauptparteien des Verfahrens getroffen und kann als solcher keine Wirkungen zum Nachteil der streitgenössischen Nebenintervenienten entfalten (§§ 101 Abs. 2, 69, 61 ZPO).
c) Die Kläger haben die Klage i.S. des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 ZPO zurückgenommen. Dass diese sich - insoweit abweichend von dem Sachverhalt, der den Senatsbeschlüssen vom 18. Juni 2007 (II ZB 23/06 aaO) und vom 15. Juni 2009 (II ZB 8/08 aaO) zugrunde lag - in dem Vergleich nicht zur Klagerücknahme verpflichtet haben, sondern die Rücknahme der Klage bereits im Vergleich selbst erklärt haben, ändert an der Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 ZPO nichts (ebenso Waclawik, DStR 2007, 1257, 1259 Fn. 27, 1260). Die Hauptparteien haben nach dem ausdrücklichen Wortlaut ihrer Vereinbarung zur Beendigung des Verfahrens das Gestaltungsmittel der Klagerücknahme gewählt. Es lassen sich aus dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auch keine Umständen ersehen, die trotz des eindeutigen Wortlauts dafür sprechen könnten, dass die Parteien tatsächlich keine Klagerücknahme, sondern eine andere Beendigung des Verfahrens regeln wollten. Wie die Frage der Erstattung der Kosten einer streitgenössischen Nebenintervention zu beurteilen ist, wenn die Parteien das Verfahren durch eine beiderseitige Erledigungserklärung (dazu BGH, Beschl. v. 3. Juni 1985 - II ZR 248/84, MDR 1985, 914 f.) bzw. einen Prozessvergleich im engeren Sinne beenden (vgl. Waclawik, DStR 2007, 1257, 1260; Kiefner, NZG 2009, 1019, 1021), dann hier deshalb offen bleiben.
Goette Caliebe Reichart
Drescher Löffler