Entscheidungsdatum: 17.05.2017
NV: Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG gegen Zahlung eines Restkaufpreises führt der Ausweis eines Verrechnungsguthabens für zuvor erworbene Flächen nicht zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Juni 2014 3 K 468/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb am 8. November 2004 durch notariell beurkundeten Vertrag nach § 3 Abs. 5 des Ausgleichsleistungsgesetzes --AusglLeistG-- (BGBl I 2004, 1665) mehrere Grundstücksflächen (Grundstücke 1) zu einem Kaufpreis von 84.534,32 €. Der Kaufpreis wurde vollständig entrichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte für diesen Erwerb ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 84.534,52 € bestandskräftig Grunderwerbsteuer fest.
Nachdem durch eine gesetzliche Neuregelung (vgl. § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG in der ab dem 31. März 2011 geltenden Fassung --AusglLeistG n.F.--, eingefügt durch das Zweite Flächenerwerbsänderungsgesetz vom 21. März 2011, BGBl I 2011, 450) die Möglichkeit eröffnet worden war, den Verkehrswert der Grundstücke 1 nach den Verhältnissen im Jahr 2004 zu ermitteln und nach Maßgabe der Wertdifferenz zum gezahlten Kaufpreis weitere Flächen zu erwerben, erwarb der Kläger mit notariell beurkundeter Nachtragsvereinbarung vom 27. Dezember 2011 zusätzliche Grundstücksflächen (Grundstücke 2). In der Nachtragsvereinbarung wurde für die Grundstücke 1 und 2 ein Gesamtkaufpreis in Höhe von 97.032,57 € gebildet. Unter Anrechnung der gezahlten 84.534,32 € ergab sich ein Restkaufpreis in Höhe von 12.498,25 €. In einer Anlage 1 b zur notariellen Urkunde war zudem in einer "Übersicht über das Verkaufslos" für die Grundstücke 2 ein "EALG-Verkaufspreis" von 25.328,37 € ebenso ausgewiesen wie ein "EALG - Verrechnung Guthaben ..." von 12.830,12 €, welches die Wertdifferenz zwischen alter und neuer Bewertung der Grundstücke 1 zum Ausdruck brachte.
Das FA setzte für den Erwerb der Grundstücke 2 mit Bescheid vom 11. Mai 2012 Grunderwerbsteuer in Höhe von 886 € gegen den Kläger fest. Als Bemessungsgrundlage legte es den auf die Grundstücke 2 anteilig entfallenden Restkaufpreis von 12.498,25 € sowie das Verrechnungsguthaben von 12.830,12 € zugrunde.
Die Klage, mit der sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Einbeziehung des Verrechnungsguthabens von 12.830,12 € in die Bemessungsgrundlage wandte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, für den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 sei ein Gesamtkaufpreis vereinbart worden. Diesen habe der Kläger nach Abschluss des Kaufvertrags vom 8. November 2004 bereits in Höhe von 84.534,32 € entrichtet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Grundstücke 2 sei nur der Restkaufpreis in Höhe von 12.498,25 €.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sowie des § 38 der Abgabenordnung (AO).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat für den Erwerb der Grundstücke 2 zu Recht das Verrechnungsguthaben nicht als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer herangezogen.
1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sich diese Rechtsvorgänge auf inländische Grundstücke beziehen.
a) Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Erwerbsvorgang knüpft allein an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 2013 II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 13). Maßgeblich für die Verwirklichung des grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestands ist damit die Entstehung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks (§ 433 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) in der Person des Steuerpflichtigen.
b) Der Kläger erlangte durch die schuldrechtliche Vereinbarung vom 27. Dezember 2011 den Anspruch auf Übereignung der Grundstücke 2. Damit hat der Kläger zu diesem Zeitpunkt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Mit der Verwirklichung des Tatbestands ist Grunderwerbsteuer entstanden (§ 38 AO).
2. Das in der Nachtragsvereinbarung ausgewiesene Verrechnungsguthaben in Höhe von 12.830,12 € ist nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
a) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (BFH-Urteil vom 18. Juni 2014 II R 12/13, BFHE 246, 211, BStBl II 2014, 857, Rz 9, m.w.N.).
b) Das in der Nachtragsvereinbarung ausgewiesene Verrechnungsguthaben in Höhe von 12.830,12 € ist keine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb der Grundstücke 2.
aa) Maßgebend für den Umfang der Gegenleistung ist das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich begründete Übereignungsverpflichtung (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2009 II R 62/06, BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854, m.w.N.).
bb) Nach der Auslegung des FG bildete die Nachtragsvereinbarung mit dem Kaufvertrag eine Einheit. Für den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 ist ein Gesamtkaufpreis gebildet worden.
Diese Vertragsauslegung bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO. Sie ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2016 XI R 41/14, BFHE 255, 300, Rz 40).
cc) Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG führt der Ausweis eines Verrechnungsguthabens für zuvor erworbene Flächen nicht zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
§ 3 Abs. 7b Satz 2 AusglLeistG billigt einem Berechtigten, der --wie der Kläger-- sein Erwerbsrecht bereits ausgeübt hat, ausdrücklich einen Anspruch auf den Erwerb weiterer Flächen zu, soweit die Kaufpreisbestimmung nach § 3 Abs. 7a AusglLeistG n.F. zu einem höheren Erwerbsumfang führt. Nach § 3 Abs. 7a Satz 1 AusglLeistG n.F. gilt bei Verkäufen an Berechtigte der Wert als Verkehrswert i.S. des § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG, wie er sich aus den im Bundesanzeiger vom 21. Juli 2004 veröffentlichten Werten der "Bekanntmachung der Regionalen Wertansätze 2004 für Ackerland und Grünland nach der Flächenerwerbsverordnung" ergibt. Liegen keine regionalen Wertansätze vor, ist der Verkehrswert gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der Flächenerwerbsverordnung zum Wertermittlungsstichtag 1. Januar 2004 zu ermitteln (§ 3 Abs. 7a Satz 2 AusglLeistG n.F.).
Im Streitfall hatte der Kläger nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG n.F. einen Anspruch auf einen weiteren Erwerb von Flächen. Der zusätzliche Erwerb der Grundstücke 2 laut Nachtragsvereinbarung vom 27. Dezember 2011 beruht damit auf einem gesetzlichen Anspruch. Aufgrund der niedrigeren, auf die Verhältnisse im Jahr 2004 abgestellten Wertermittlung für die Grundstücke reichte der im Vertrag vom 8. November 2004 vereinbarte Kaufpreis für den Erwerb weiterer Grundstücksflächen aus.
Eine "Aufrechnung" mit dem Verrechnungsguthaben gegenüber einem entsprechenden Kaufpreisanspruch scheidet demgegenüber aus. Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung der Wertdifferenz hat sich nur auf einen Hinzuerwerb bezogen. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass eine Abfindung des Erwerbsanspruchs in Geld gesetzlich nicht vorgesehen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.