Entscheidungsdatum: 19.07.2012
1. NV: Ein fehlerhafter Wertfortschreibungsbescheid kann ausnahmsweise in einen Nachfeststellungsbescheid umgedeutet werden, wenn beide Bescheide dieselben Feststellungen treffen und sich lediglich in ihrer Bezeichnung unterscheiden.
2. NV: Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern stehen, die zu einer ausländischen Betriebsstätte gehören und deshalb von der Vermögensteuer befreit sind, sind bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens nicht abzuziehen.
3. NV: Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines beteiligten Gesellschafter stehen und dem Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft oder der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters dienen, sind bei der Aufteilung des Einheitswerts den jeweiligen Eigentümergesellschaftern vorab als Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen.
4. NV: § 50d Abs. 10 EStG lässt die Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens unberührt.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) wurde am 6. Mai 1988 von der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.) als inländische GmbH gegründet. Ihre Geschäftstätigkeit erstreckt sich auf den Betrieb von Fabriken in Großbritannien. Ebenfalls am 6. Mai 1988 gründeten die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. (Klägerinnen) eine GmbH und atypisch stille Gesellschaft (stille Gesellschaft) mit einem Geschäftskapital in Höhe von 60.000.000 DM. An dieser stillen Gesellschaft sind die Klägerin zu 1. mit ihrem Stammkapital in Höhe von 1.200.000 DM (2 %) und die Klägerin zu 2. mit einer stillen Einlage in Höhe von 58.800.000 DM (98 %) beteiligt. Zusätzlich zur stillen Einlage gewährte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. ein variables Darlehen in Höhe von bis zu 120.000.000 DM. Zum 31. Dezember 1989 hatte die Klägerin zu 1. das Darlehen in Höhe von 52.746.328,41 DM in Anspruch genommen. Die zu diesem Zeitpunkt nach dem Darlehensvertrag zu entrichtenden Zinsen betrugen 1.168.603 DM. Die Zinsen wurden als Schuldposten der ausländischen Betriebstätte gebucht. Zu einem späteren Zeitpunkt verzichtete die Klägerin zu 2. auf eine Entrichtung der Zinsen von Beginn des Darlehens an.
Im Anschluss an eine bei der stillen Gesellschaft durchgeführte Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 29. April 1999 einen Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990. Darin stellte es den Einheitswert auf 53.914.000 DM fest und rechnete diesen Einheitswert in vollem Umfang der Klägerin zu 2. zu. Der Bescheid war als Zurechnungs- und Wertfortschreibungsbescheid bezeichnet. Eine Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1989 war zuvor nicht durchgeführt worden.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Klägerinnen Klage. Im ersten Rechtszug gab das Finanzgericht (FG) der Klage teilweise statt, stellte den Einheitswert auf 0 DM fest und ließ die Aufteilung unverändert. Auf die Beschwerde der Klägerinnen hob der Senat die Entscheidung des FG wegen der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Während des zweiten Rechtszugs erließ das FA am 9. Januar 2006 einen Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990, in dem es die Entscheidung des FG vom 13. Mai 2004 insoweit umsetzte, als der Einheitswert auf 0 DM herabgesetzt wurde. Der Klägerin zu 1. wurden ./. 53.914.931 DM und der Klägerin zu 2. 53.914.931 DM zugerechnet. Der Bescheid war als Nachfeststellungsbescheid bezeichnet, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid änderte.
Am 7. August 2009 erließ das FA einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990. Darin stellte es den Einheitswert erneut mit 0 DM fest. Aus-gehend von einem Rohbetriebsvermögen in Höhe von gerundet 53.914.931 DM und einem negativen Ausgleichsposten in gleicher Höhe, rechnete es der Klägerin zu 1. einen anteiligen Einheitswert in Höhe von ./. 1.078.299 DM und der Klägerin zu 2. einen solchen in Höhe von 1.078.299 DM zu. Letzterer errechnete sich aus dem ihr zugerechneten Sonderbetriebsvermögen in Höhe von 53.914.931 DM abzüglich ihres Anteils in Höhe von 98 % am negativen Ausgleichsposten (53.914.931 DM ./. 52.836.632 DM = 1.078.299 DM).
Die Klägerinnen begehrten im Klageverfahren weiterhin die Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids in der Weise, dass bei der Ermittlung des Einheitswerts die einzelnen Vermögensposten jeweils mit 0 DM angesetzt und ihnen jeweils ein Anteil von 0 DM zugerechnet werde. Mit Urteil vom 3. Dezember 2009 IV 322/2005 wies das FG die Klage ab.
Mit der Revision verfolgten die Klägerinnen zunächst ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen die Nichtanwendung des § 50d Abs. 10 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das FG. Diese Vorschrift sei auch bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu beachten. Nach deren Sinn und Zweck sei die streitige Darlehens- und Zinsforderung nicht als Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zu 2., sondern als Betriebsvermögen der ausländischen Betriebstätte zu qualifizieren und folglich nicht in den Einheitswert des Betriebsvermögens einzubeziehen.
Am 21. Februar 2011 nahmen die Klägerinnen die Klage unter Hinweis auf § 72 Abs. 1a der Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit zurück, als sie sich nicht mehr gegen den Ansatz der Zinsforderung in Höhe von 1.011.947 DM und eines negativen Ausgleichspostens in gleicher Höhe wenden. Hintergrund dieser Teilrücknahme ist die Durchführung eines Verständigungsverfahrens gemäß Art. XVIII A Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien (DBA GB 1964/1970).
Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid auf den 1. Januar 1990 über den Einheitswert des Betriebsvermögens, Nachfeststellung, vom 7. August 2009 dahingehend zu ändern, dass für die Ermittlung des Einheitswerts in Höhe von 0 DM unter der Position "Besitzposten und Hinzurechnungen" eine Darlehenszinsforderung in Höhe von 1.011.947 DM und unter der Position "Schuldposten und Abrechnungen" ein Betrag in gleicher Höhe angesetzt wird und der so ermittelte Einheitswert der Klägerin zu 2. mit einem Anteil in Höhe von 20.239 DM und der Klägerin zu 1. mit einem Anteil in Höhe von ./. 20.239 DM zugerechnet wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist hinsichtlich der zwischenzeitlich unstreitigen Zinsforderung begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und der angefochtene Bescheid insoweit zu ändern (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet und die Klage abzuweisen. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Darlehens- und Zinsforderung der Klägerin zu 2. bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der stillen Gesellschaft als Sonderbetriebsvermögen dem Grunde nach anzusetzen und der Einheitswert aus verfahrensrechtlichen Gründen weiterhin mit 0 DM festzustellen ist. Der Einheitswert ist der Klägerin zu 1. mit ./. 1.075.166 DM und der Klägerin zu 2. mit 1.075.166 DM zuzurechnen.
1. Das FG durfte über die Rechtmäßigkeit des Nachfeststellungsbescheids vom 7. August 2009 entscheiden. Dieser Bescheid ist als Änderungsbescheid zu dem Nachfeststellungsbescheid vom 9. Januar 2006 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des bereits laufenden Rechtsstreits geworden. Im Zeitpunkt des Erlasses dieses Änderungsbescheids war die Feststellungsverjährung noch nicht eingetreten.
a) Die Feststellungsfrist begann zwar nach § 181 Abs. 3 Satz 1 AO i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) für die 1988 gegründete stille Gesellschaft mit Ablauf des Jahres 1990 und endete regulär nach vier Jahren Ende 1994. Der Ablauf der Feststellungsfrist war jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids gehemmt, und zwar zunächst nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO wegen der 1992 begonnenen Außenprüfung und anschließend nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 3a AO wegen des Einspruchs und der Klage gegen den als Wertfortschreibungsbescheid bezeichneten Einheitswertbescheid vom 29. April 1999.
b) Der Nachfeststellungsbescheid vom 9. Januar 2006 änderte den Bescheid vom 29. April 1999 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dem steht die Bezeichnung des Bescheids vom 29. April 1999 als Wertfortschreibungsbescheid nicht entgegen, denn dieser Bescheid ist in einen Nachfeststellungsbescheid umzudeuten.
aa) Nach § 128 Abs. 1 AO kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und die Voraussetzungen für seinen Erlass erfüllt sind. Im Wege der Umdeutung wird kein neuer Verwaltungsakt erlassen, sondern lediglich der fehlerhaft ergangene Verwaltungsakt als anderer (rechtmäßiger) Verwaltungsakt mit anderer gleichwertiger Regelung und Rechtsfolge aufrechterhalten (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1992 2 C 6/92, BVerwGE 91, 73). Die Rechtsfolgen des durch Umdeutung gewonnenen Verwaltungsakts müssen denen des umgedeuteten Verwaltungsakts im Wesentlichen entsprechen und dürfen jedenfalls nicht weitergehen (Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 128 AO Rz 6).
bb) Der Regelungsgehalt eines Wertfortschreibungsbescheids unterscheidet sich zwar von dem eines Nachfeststellungsbescheids, weshalb grundsätzlich eine Umdeutung des einen in den anderen Bescheid ausscheidet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Mai 1995 II R 31/92, BFH/NV 1996, 17; Rozek in HHSp, § 128 AO Rz 21). In Ausnahmefällen ist eine Umdeutung indes möglich, wenn beide Bescheide dieselben Feststellungen treffen und sich lediglich in ihrer Bezeichnung als Wertfortschreibungs- oder Nachfeststellungsbescheid unterscheiden (Einschränkung des BFH-Urteils in BFH/NV 1996, 17). Das gilt insbesondere dann, wenn noch kein Einheitswert festgestellt worden ist und die Wertfortschreibung deshalb nicht das Überschreiten bestimmter Wertgrenzen (vgl. § 22 Abs. 1 BewG) erfordert. In einem solchen Fall enthalten der fälschlicherweise als Wertfortschreibungsbescheid bezeichnete Bescheid und der eigentlich an seiner Stelle zu erlassende Nachfeststellungsbescheid dieselben Feststellungen. Letzteres rechtfertigt ausnahmsweise eine Umdeutung des fehlerhaften in den zutreffenden Bescheid.
cc) Im Streitfall kann der Bescheid vom 29. April 1999 in einen Nachfeststellungsbescheid umgedeutet werden. Das FA konnte zu diesem Zeitpunkt keinen Wertfortschreibungsbescheid erlassen, denn es war zuvor keine Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1989 durchgeführt worden (vgl. § 22 Abs. 1 BewG). Das FA hätte statt des Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1990 jedoch einen Nachfeststellungsbescheid mit denselben Feststellungen und auf denselben Stichtag bezogen erlassen können, denn zu diesem Zeitpunkt sollte die bereits seit 1988 bestehende wirtschaftliche Einheit erstmalig zur Vermögensteuer herangezogen werden (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 2 BewG). Der als Wertfeststellungsbescheid bezeichnete Bescheid vom 29. April 1999 enthält dieselben Feststellungen, die ein Nachfeststellungsbescheid enthalten hätte. Er unterscheidet sich lediglich in seiner Bezeichnung von einem Nachfeststellungsbescheid.
2. Bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der stillen Gesellschaft hat das FA zutreffend die Forderungen der Klägerin zu 2. gegenüber der Klägerin zu 1. als Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zu 2. im Rahmen ihrer Beteiligung an der stillen Gesellschaft angesetzt.
a) Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Halbsatz 1 BewG in der für den Stichtag geltenden Fassung (BewG a.F.) gehören zu dem gewerblichen Betrieb einer Gesellschaft i.S. des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a BewG a.F. auch die Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines, mehrerer oder aller beteiligten Gesellschafter stehen und dem Betrieb der Gesellschaft oder der Mitunternehmerstellung der Gesellschafter in der Gesellschaft dienen. Das gilt nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 BewG a.F. auch für Forderungen und Schulden zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter, soweit es sich nicht um Forderungen und Schulden aus dem regelmäßigen Geschäftsverkehr zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter oder aus der kurzfristigen Überlassung von Geldbeträgen an die Gesellschaft oder einen Gesellschafter handelt (BFH-Urteil vom 19. Februar 2009 II R 8/06, BFH/NV 2009, 1092).
b) Ertragsteuerrechtlich wird die stille Gesellschaft so behandelt, als führe der Inhaber des Handelsgeschäfts im Innenverhältnis zu den atypisch stillen Gesellschaftern die Geschäfte für alle Gesellschafter. Auf dieses Innenverhältnis stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG ab und rechnet die Geschäfte der stillen Gesellschaft allen Gesellschaftern einheitlich zu. Die stille Gesellschaft ist selbständiges "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation" (BFH-Urteil vom 26. November 1996 VIII R 42/94, BFHE 182, 101, BStBl II 1998, 328). Die im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten des Inhabers des Handelsgeschäfts werden daher bei der atypisch stillen Gesellschaft dem ertragsteuerrechtlich maßgebenden Innenverhältnis entsprechend allen Gesellschaftern je nach der Höhe ihrer Beteiligung am Kapital der atypisch stillen Gesellschaft zugerechnet (BFH-Urteile in BFHE 182, 101, BStBl II 1998, 328, und vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286, unter I.1.).
c) Diese ertragsteuerrechtlichen Grundsätze gelten auch für das Bewertungsrecht. Die atypisch stille Gesellschaft rechnet gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a BewG a.F. zu den ähnlichen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind. Auch wenn die atypisch stille Gesellschaft im Gegensatz zur OHG oder KG kein Gesellschaftsvermögen in der Form von Gesamthandsvermögen hat und der atypisch stille Gesellschafter nicht unmittelbar (dinglich) am Betriebsvermögen des Inhabers des Gewerbebetriebs beteiligt ist, steht der atypisch stille Gesellschafter doch wegen seiner schuldrechtlichen Beteiligung an den stillen Reserven des Betriebsvermögens und am Geschäftswert den Gesellschaftern einer OHG oder KG wirtschaftlich weitgehend gleich. Dieser Umstand rechtfertigt es, auch bei der atypisch stillen Gesellschaft von einer Beteiligung mehrerer Personen am Gegenstand der Feststellung (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO) auszugehen, den Einheitswert des Betriebsvermögens wie bei anderen Personengesellschaften gesondert und einheitlich festzustellen und auf den Inhaber des Handelsgeschäfts sowie den atypisch stillen Gesellschafter aufzuteilen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 75/94, BFH/NV 1998, 285; BFH-Beschluss vom 2. Februar 1999 II B 112/97, BFH/NV 1999, 912; BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1092).
d) Nach den vorstehenden Grundsätzen bildeten die der Klägerin zu 2. gegen die Klägerin zu 1. zustehenden Forderungen Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zu 2. Die Darlehensmittel wurden im Außenverhältnis von der Klägerin zu 1. und im Innenverhältnis von der atypisch stillen Gesellschaft für betriebliche Zwecke verwendet.
3. Dem Ansatz der Forderungen steht § 101 Nr. 1 BewG nicht entgegen, denn die Forderungen waren nach den Regelungen des im Streitzeitraum geltenden DBA GB 1964/1970 nicht von der Vermögensteuer befreit.
Nach Art. XVIII Abs. 3 Buchst. a DBA GB 1964/1970 werden Vermögensteile, die in Großbritannien gelegen sind und die nach dem DBA in Großbritannien besteuert werden, von der Bemessungsgrundlage der Steuer in Deutschland ausgenommen. Nach Art. XVI Abs. 2 DBA GB 1964/1970 kann Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens darstellt, in dem Gebiet besteuert werden, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Für die Beurteilung der Frage, ob das Darlehen eines Gesellschafters zum Vermögen der ausländischen Betriebsstätte gehört, ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht entscheidend, ob das darlehensweise überlassene Kapital in der Betriebsstätte genutzt wird. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Darlehensforderung selbst zur Betriebsstätte gehört. Daran fehlt es, wenn das Darlehen --wie im Streitfall-- nicht aus Mitteln der ausländischen Betriebsstätte gewährt, sondern ihr umgekehrt von einer inländischen Gesellschaft als Fremdkapital überlassen wurde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1092, m.w.N.).
4. § 50d Abs. 10 EStG steht dem Ansatz der Darlehens- und Zinsforderung im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht entgegen.
§ 50d Abs. 10 EStG ist durch das Jahressteuergesetz 2009 neu eingefügt worden. Satz 1 der Vorschrift enthält eine Fiktion, wonach Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz und Nr. 3 2. Halbsatz EStG, auf die die Vorschriften eines DBA anzuwenden sind, für Zwecke der Anwendung dieses Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten, vorausgesetzt, das Abkommen enthält keine spezielle Regelung betreffend solcher Vergütungen. Die Vorschrift ist nach § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Es kann dahinstehen, ob diese Regelung insgesamt als sog. Treaty override völker- und verfassungsrechtswidrig ist (so z.B. Frotscher, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2009, 593, 597; Schmidt/Loschelder, EStG, 31. Aufl., § 50d Rz 60; anders BTDrucks 16/11108, S. 25; vgl. auch BFH-Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFHE 236, 304) oder ob allein die rückwirkende Anwendung von § 50d Abs. 10 EStG auf alle offenen Fälle gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Rechtsstaatsgebot verstößt (z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 50d Rz 47; Chr. Korn, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2009, 2366; Hils, DStR 2009, 888). Ebenso kann dahinstehen, ob § 50d Abs. 10 EStG im Geltungsbereich des DBA GB 1964/1970 deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil Art. III Abs. 2 DBA GB 1964/1970 eine gesonderte Regelung zur Behandlung von Sondervergütungen enthält (vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 1 Rz 71). Denn § 50d Abs. 10 EStG qualifiziert fiktiv nur Sondervergütungen in Unternehmensgewinne um; das Sonderbetriebsvermögen selbst bleibt davon unberührt (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 74/09, BFHE 231, 84; Frotscher, IStR 2009, 593, 595; Chr. Korn, IStR 2009, 641, 642; Schmidt/ Loschelder, a.a.O., § 50d Rz 60). Es bleibt auch unter Geltung des § 50d Abs. 10 EStG bei den allgemeinen Zurechnungserfor-dernissen des jeweiligen DBA (BFH-Urteil in BFHE 231, 84, m.w.N.). Danach ist die Darlehens- und Zinsforderung der Klägerin zu 2. unverändert als Sonderbetriebsvermögen im Rahmen ihrer Beteiligung an der inländischen stillen Gesellschaft zu qualifizieren.
5. Nach den genannten Grundsätzen war der Einheitswert in Höhe von 0 DM den Beteiligten zuzurechnen. Der Einheitswert selbst ist seit dem letzten Änderungsbescheid des FA bestandskräftig mit 0 DM festgestellt. In diesem Zusammenhang kann daher dahinstehen, ob die Berücksichtigung der Darlehens- und Zinsschuld der Klägerin zu 1., die der Feststellung des Einheitswerts zugrunde liegt, im Hinblick auf § 103 Abs. 1 BewG zutreffend ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1092, unter II.1.a aa). Eine Änderung des Einheitswerts zu Lasten der Klägerinnen über deren Klagebegehren hinaus wäre aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässig (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 101; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 7).
6. Bei der Aufteilung des Einheitswerts ist die Darlehensforderung in Höhe von 52.746.328 DM neben der nunmehr unstreitigen Zinsforderung in Höhe von 1.011.947 DM der Klägerin zu 2. vorab zuzurechnen und ihr sodann ein Anteil am negativen Ausgleichsposten anzurechnen.
a) Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines, mehrerer oder aller beteiligten Gesellschafter stehen und dem Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft oder der Mitunternehmerstellung der Gesellschafter in der Gesellschaft dienen und daher bei der Feststellung des Einheitswerts der atypisch stillen Gesellschaft zu berücksichtigen sind, sind bei der Aufteilung des Einheitswerts den jeweiligen Eigentümergesellschaftern vorab als Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen. Dies gilt auch für nicht kurzfristige Darlehen der Gesellschafter an den Inhaber des Geschäftsbetriebs, die im ertragsteuer- und bewertungsrechtlich maßgebenden Innenverhältnis als der atypisch stillen Gesellschaft gewährt anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 285).
b) Bei der atypisch stillen Gesellschaft sind die Verbindlichkeiten und Schuldposten des Inhabers des Geschäftsbetriebs zwar grundsätzlich im Innenverhältnis allen Gesellschaftern entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis zuzurechnen (BFH-Urteile in BFHE 182, 101, BStBl II 1998, 328, und in BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286, unter I.1.). Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern stehen, die von der Vermögensteuer befreit sind und deshalb nach § 101 Nr. 1 BewG a.F. nicht zum Betriebsvermögen gehören, sind jedoch nach § 103 Abs. 1 BewG bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens nicht abzuziehen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1092; Dötsch in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 103 BewG Rz 45 f.). Ist der Einheitswert gleichwohl mit 0 DM festgestellt worden, ist den Beteiligten entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis ein negativer Ausgleichsposten in Höhe des anzusetzenden Sonderbetriebsvermögens zuzurechnen, denn die Summe der zugerechneten Vermögenspositionen muss rechnerisch den Einheitswert ergeben.
c) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall der Klägerin zu 2. die am Bewertungsstichtag bestehende Darlehens- und Zinsforderung in Höhe von insgesamt 53.758.275 DM (52.746.328 DM Darlehen + 1.011.947 DM Zinsen) vorab als Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen. In einem zweiten Schritt ist, entsprechend dem Anteil der Klägerin zu 2. an der stillen Gesellschaft, ihr Anteil von 98 % am negativen Ausgleichsposten in Höhe von ebenfalls 53.758.275 DM, also 52.683.109 DM abzuziehen. Auf die Klägerin zu 2. entfällt damit ein Anteil am Einheitswert in Höhe von 1.075.166 DM (53.758.275 DM ./. 52.683.109 DM).
Der Klägerin zu 1. ist entsprechend ihrer Beteiligung an der stillen Gesellschaft in Höhe von 2 % anteilig der negative Ausgleichsposten in Höhe von ./. 1.075.166 DM (2 % von 53.758.275 DM) zuzurechnen.
7. Die Sache ist spruchreif. Soweit die Beteiligten --unstreitig-- davon ausgehen, dass die Zinsforderung mit dem im Verständigungsverfahren reduzierten Betrag in die Berechnung des Einheitswerts einzubeziehen ist, war der angefochtene Bescheid zu ändern. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.