Entscheidungsdatum: 15.01.2019
Bei einer steuerbegünstigten Einbringung eines Grundstücks in eine Gesamthand ist die Verminderung der Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzuzeigen, selbst wenn sich dadurch der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand nicht ändert.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2016 12 K 15162/15 aufgehoben.
Die Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 1.656 € durch Bescheide vom 14. Februar 2017 und vom 20. November 2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen bis zum Erlass des Bescheids vom 14. Februar 2017 der Beklagte in Höhe von 9 % und die Klägerin in Höhe von 91 %, im Anschluss der Beklagte in Höhe von 5 % und die Klägerin in Höhe von 95 %.
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR mit den Gesellschaftern R und Z.
R war ursprünglich Alleineigentümer eines Grundstücks. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31. Juli 2008 veräußerte er einen Miteigentumsanteil von 1/25 an Z. Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom selben Tag wurden die Klägerin gegründet, die Miteigentumsanteile am Grundstück von R und Z in die Klägerin eingebracht und diesbezüglich die Auflassung erklärt. An der Klägerin waren R zu 48/50 (= 96 %) und Z zu 2/50 (= 4 %) beteiligt. Der zunächst vollmachtlos vertretene Z genehmigte den Vertrag am 13. August 2008.
Am 22. Dezember 2008 vereinbarten R und Z privatschriftlich, dass R einen Anteil von 23/50 (= 46 %) an der Klägerin zum 1. Januar 2009 auf Z überträgt. R und Z sollten dann jeweils Anteile von 25/50 (= 50 %) an der Klägerin halten. Der Kaufpreis für den Anteil betrug 1.560.000 €.
Am 30. März 2009 fertigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) einen Bescheid, mit dem er den Erwerb der Klägerin vom 31. Juli 2008 aufgrund der Einbringung der Miteigentumsanteile am Grundstück nach § 5 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei stellte. In den Erläuterungen des Bescheids wurde ausgeführt, die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG sei insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindere. Änderungen seien dem FA anzuzeigen. Der Bescheid wurde der Klägerin nicht bekanntgegeben.
Auf Anfrage des FA teilte die Klägerin am 2. September 2014 mit, die Vermögensbeteiligung jedes Grundstücksveräußerers am Gesellschaftsvermögen der Klägerin habe sich nicht gemindert. Die Vereinbarung vom 22. Dezember 2008 war beigefügt.
Mit Bescheid vom 20. November 2014 setzte das FA wegen der Verminderung der Beteiligung des R um 46 % für den Erwerbsvorgang vom 31. Juli 2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 16.560 € fest. Die Beteiligung von R an der Klägerin habe sich innerhalb der schädlichen Frist von fünf Jahren von 96 % auf 50 % verringert. Als Bemessungsgrundlage wurden 46 % des für das Grundstück geschätzten Grundbesitzwerts in Höhe von 800.000 € angesetzt. Der Erwerb sei nur noch in Höhe von 54 % von der Steuer befreit. Außerdem wurde mit gesondertem, jedoch mit derselben Post bekanntgegebenem Bescheid ebenfalls vom 20. November 2014 ein Verspätungszuschlag in Höhe von 1.656 € festgesetzt. In der Anlage zum Grunderwerbsteuerbescheid führte das FA hierzu aus, die Reduzierung des Anteils von R sei erst Anfang September 2014 angezeigt worden, obwohl bereits in dem Freistellungsbescheid vom 30. März 2009 auf die Anzeigepflicht hingewiesen worden sei.
Der am 26. November 2014 eingelegte Einspruch gegen den "Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 20.11.2014" blieb erfolglos. Auf den Verspätungszuschlag ging die Einspruchsentscheidung nicht ein. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Grunderwerbsteuerbescheid und die Festsetzung des Verspätungszuschlags auf. Durch Vertrag vom 22. Dezember 2012 habe sich mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Beteiligung des R an der Klägerin von 96 % auf 50 % vermindert. Die Verminderung der Beteiligung stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) dar, das nach § 5 Abs. 3 GrEStG dazu führe, dass die Einbringung der Miteigentumsanteile an dem Grundstück in die Klägerin in Höhe von 46 % nicht mehr von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Allerdings sei bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids am 20. November 2014 die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen. Sie habe aufgrund der Reduzierung des Anteils zum 1. Januar 2009 nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO Ende 2009 zu laufen begonnen und sei am 31. Dezember 2013 abgelaufen. Eine Pflicht zur Anzeige der Reduzierung des Anteils nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG habe nicht bestanden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 747 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung von § 5 Abs. 3 GrEStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO, von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG und von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 153 Abs. 2 AO geltend.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016 und somit nach Erlass des finanzgerichtlichen Urteils stellte das dafür zuständige Finanzamt den Grundbesitzwert für das Grundstück auf den 13. August 2008 gesondert und einheitlich mit 1.521.000 € fest. Der nach Auffassung der Klägerin nicht wirksam bekanntgegebene Feststellungsbescheid wurde angefochten.
Während des Revisionsverfahrens änderte das FA mit Bescheid vom 14. Februar 2017 den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. November 2014 und setzte --unter Zugrundelegung des im Bescheid vom 28. Dezember 2016 festgestellten Grundbesitzwerts-- für den Erwerbsvorgang vom 31. Juli 2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 31.484 € und einen Verspätungszuschlag in Höhe von wiederum 1.656 € fest.
Mit Bescheid vom 7. April 2017 stellte das zuständige Finanzamt erneut den Wert des Grundstücks auf den 13. August 2008 gesondert und einheitlich mit 1.521.000 € fest. Dieser Bescheid wurde R und Z bekanntgegeben. Er ist nach den Angaben der Beteiligten angefochten und nicht bestandskräftig.
II.
Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (vgl. § 127 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). An die Stelle des Grunderwerbsteuerbescheids und der Festsetzung des Verspätungszuschlags vom 20. November 2014, über die das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 14. Februar 2017 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. März 2017 II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 11).
Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1153, Rz 12).
III.
Die Sache ist spruchreif. Der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordene Bescheid vom 14. Februar 2017 ist insoweit rechtmäßig, als er für die Anteilsübertragung vom 22. Dezember 2008 Grunderwerbsteuer festsetzt. Soweit er einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1.656 € festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
1. Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 14. Februar 2017 für die am 31. Juli 2008 vorgenommene und am 13. August 2008 genehmigte Einbringung der Miteigentumsanteile am Grundstück in die Klägerin durch R und Z ist rechtmäßig. Durch die Verminderung des Anteils von R an der Klägerin zum 1. Januar 2009 um 46 % sind insoweit rückwirkend die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer entfallen.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer die Auflassung, soweit sie sich auf inländische Grundstücke bezieht und kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Geht ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) über, so wird nach § 5 Abs. 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. § 5 Abs. 1 GrEStG ist insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). § 5 Abs. 3 GrEStG ist kein eigener Steuertatbestand, sondern bestimmt für dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer unterliegende Einbringungsvorgänge, dass u.a. die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG nachträglich entfällt. Insoweit stellt die Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand ein Ereignis dar, das steuerrechtlich auf den Einbringungsvorgang zurückwirkt und für diesen die Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG ausschließt (vgl. Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 5 Rz 125). Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 5 Abs. 1 GrEStG entfallen daher rückwirkend i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO, soweit sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2014 II R 2/13, BFHE 248, 238, BStBl II 2015, 557, Rz 30). Ein Steuerbescheid für den Einbringungsvorgang ist entsprechend zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern.
b) Die Einbringung der Miteigentumsanteile von R und Z an dem Grundstück in die Klägerin am 31. Juli 2008 unterlag nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wegen der gleichzeitigen Auflassung dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer. Der Vorgang war jedoch nach § 5 Abs. 1 GrEStG von der Steuer befreit, da die Anteile von R und Z am Vermögen der Klägerin ihren Miteigentumsanteilen am Grundstück entsprachen. Durch die --vom FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellte-- Übertragung des Anteils an der Klägerin in Höhe von 23/50 (= 46 %) von R auf Z durch Vertrag vom 22. Dezember 2008 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 verringerte sich die Beteiligung von R an der Klägerin innerhalb der schädlichen Frist von fünf Jahren von 96 % auf 50 %. Die Anteilsverminderung wirkte auf den Einbringungsvorgang vom 31. Juli 2008 zurück. Insoweit sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des Erwerbs in Höhe von 46 % rückwirkend entfallen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 5 Abs. 3 und 1 GrEStG).
c) Das FA konnte für den Einbringungsvorgang vom 31. Juli 2008 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Grunderwerbsteuer festsetzen. Im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheids vom 20. November 2014 war die vierjährige Festsetzungsfrist i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsfrist begann --wegen der verspäteten Anzeige der Verminderung der Beteiligung-- aufgrund der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 GrEStG mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2015. Die nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG notwendige Anzeige hatte die Klägerin erst im September 2014 erstattet.
aa) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Ist eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine Anzeige nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG ist gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine Steuererklärung i.S. der AO.
bb) Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG haben Steuerschuldner Anzeige zu erstatten über Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG oder § 6 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG. Die Anzeigepflichtigen haben u.a. innerhalb von zwei Wochen, nachdem sie von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten haben, den Vorgang anzuzeigen (§ 19 Abs. 3 GrEStG).
cc) Die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG umfasst auch die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen einer Gesamthand, selbst wenn sich dadurch der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand nicht ändert.
(1) Der Wortlaut der Vorschrift spricht zwar von der Anzeige über Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand. Er erlegt dem Steuerschuldner aber die Pflicht zur Anzeige einer Änderung der Verhältnisse auf, wenn die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG gewährt worden ist und bezieht sich damit auf die dort geregelten Voraussetzungen der Steuervergünstigung und deren Wegfall nach § 5 Abs. 3 GrEStG. § 5 Abs. 1 GrEStG stellt auf den Anteil des Einzelnen an dem Vermögen der Gesamthand ab und gewährt für den Grundstücksübergang eine Steuerbefreiung von der Grunderwerbsteuer, soweit die (anteilige) Berechtigung des Veräußerers am Grundstück seiner Beteiligung am Vermögen der Gesamthand entspricht. Die Steuervergünstigung knüpft insoweit an die Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung des Gesamthänders an. Anzeigepflichtig nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG sind demnach die Fälle, in denen der grundstückseinbringende Gesamthänder seine Gesamthänderstellung und damit auch seine Beteiligung am Gesamthandsvermögen verliert oder neue Gesellschafter in die Gesellschaft eintreten und sich die vermögensmäßige Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders vermindert. Eine Anzeigepflicht besteht jedoch auch, wenn sich die Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG vermindert, ohne dass sich dadurch der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand ändert. Dies betrifft also Fälle, in denen kein neuer Gesellschafter beitritt, sondern sich lediglich die Beteiligungsverhältnisse der bisherigen Gesellschafter am Vermögen der Gesamthand verschieben und sich dadurch die Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters verringert. Denn auch eine solche Verminderung der Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters führt, wenn sie innerhalb der maßgeblichen Frist von fünf Jahren erfolgt, zu einem anteilsmäßig entsprechenden rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung.
(2) Durch das Erfordernis der Anzeigepflicht auch bei Verminderungen der vermögensmäßigen Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand wird der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG erreicht. Die Vorschrift wurde durch Art. 15 Nr. 9 b) bb) des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) in das GrEStG eingefügt. Die Gesetzesmaterialien sprechen von einer Folgeänderung zu der Einfügung von § 5 Abs. 3 GrEStG (BTDrucks 14/23, S. 204), der einen Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG vorsieht, wenn sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Die Anzeigepflicht soll demnach sicherstellen, dass den Finanzbehörden die gemäß § 5 Abs. 3 GrEStG zur Versagung der Vergünstigungen aus § 5 GrEStG führenden Änderungen bekannt werden (vgl. Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 19 Rz 11).
(3) Auch zu der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG (i.d.F. für Erwerbsvorgänge nach dem 31. Dezember 2001), die von Änderungen im Gesellschafterbestand der Personengesellschaft spricht, hat der BFH bereits entschieden, die Anzeigepflicht beziehe sich auf Änderungen in der vermögensmäßigen Beteiligung eines an der Personengesellschaft bereits beteiligten Gesellschafters. Die Anzeigepflicht erfasse somit die Aufstockung der Beteiligungsquote eines neuen Gesellschafters innerhalb von fünf Jahren (BFH-Urteil vom 17. Mai 2017 II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 48).
d) Nach diesen Grundsätzen war die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des R an der Klägerin durch Vertrag vom 22. Dezember 2008 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzeigepflichtig. Angezeigt hat die Klägerin die Verminderung erst am 2. September 2014 durch Übersendung des Vertrags vom 22. Dezember 2008.
e) Bei Erlass des ursprünglichen (erstmaligen) Steuerbescheids am 20. November 2014 war eine Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten. Da die Grunderwerbsteuer für die Einbringung der Anteile am Grundstück in die Klägerin am 31. Juli 2008 entstanden ist, begann die vierjährige Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid mangels rechtzeitiger Anzeige des Vorgangs mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung Ende 2011 zu laufen und endete erst mit Ablauf des Jahres 2015.
Unerheblich ist, dass nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2009 beginnen würde, da die Anteilsreduzierung des R an der Klägerin als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO am 1. Januar 2009 eingetreten ist. Die Anlaufhemmungen für die Festsetzungsfristen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO stehen nebeneinander. Im Streitfall führt die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu einem späteren Anlauf der Festsetzungsfrist als die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO.
f) Bei dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. November 2014 handelt es sich um einen Erstbescheid, der nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erlassen werden konnte, und nicht um die Änderung des Bescheids vom 30. März 2009, durch den der Einbringungsvorgang vom 31. Juli 2008 steuerfrei gestellt wurde. Der Bescheid vom 30. März 2009 wurde unstreitig nicht bekanntgegeben. Er war daher nicht wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 1 AO).
2. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags durch die Bescheide vom 20. November 2014 und 14. Februar 2017 ist rechtswidrig.
a) Die gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags erhobene Klage war als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO zulässig.
aa) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der BFH hat von Amts wegen die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Klage als Sachentscheidungsvoraussetzung zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 1994 III R 78/92, BFHE 175, 7, BStBl II 1994, 859, unter II.3.a, zur Prüfung der Frage, ob eine Klage als Untätigkeitsklage zulässig ist).
bb) Im Streitfall wurde die Klage am 2. Juli 2015 und daher etwas mehr als sieben Monate nach Einlegung des Einspruchs erhoben. Die Klägerin hat am 26. November 2014 Einspruch eingelegt. Das Einspruchsschreiben der Klägerin ist dahingehend auszulegen, dass sie sich sowohl gegen die Festsetzung der Grunderwerbsteuer als auch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags (jeweils am 20. November 2014) wendete. Als Einspruchsgegenstand gibt die Klägerin in ihrem Schreiben den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. November 2014 an. Der Verspätungszuschlag wurde zwar mit gesondertem Bescheid vom 20. November 2014 festgesetzt. Die Begründung zur Ausübung des Ermessens bezüglich des Verspätungszuschlags wurde jedoch in die --gemäß den Akten gleichzeitig mit dem Grunderwerbsteuerbescheid versandte-- "Anlage zum nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Grunderwerbsteuerbescheid" aufgenommen. Das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2015 nicht über die Frage der Rechtmäßigkeit des Verspätungszuschlags entschieden.
b) Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist rechtswidrig.
aa) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO i.d.F. für Steuererklärungen, die vor dem 1. Januar 2019 einzureichen sind (AO a.F.; vgl. Art. 97 § 8 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zur AO), kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO a.F.). Ob diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags erfüllt sind, ist eine von den Gerichten voll überprüfbare Rechtsentscheidung (BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 VIII R 52/14, BFHE 257, 1, BStBl II 2018, 740, Rz 23).
bb) Die Voraussetzungen für die Festsetzung des Verspätungszuschlags lagen dem Grunde nach nicht vor. Das Versäumnis der Klägerin, eine Anzeige i.S. des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, die nach § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine Steuererklärung i.S. der AO ist, innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 3 GrEStG einzureichen, war zumindest entschuldbar i.S. des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO a.F. Die Frage, ob bei einer gewährten Steuervergünstigung auch eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung an einer Gesamthand nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzuzeigen ist, wenn der Gesellschafterbestand gleichbleibt, war zum Zeitpunkt der Verminderung der Beteiligung des R zum 1. Januar 2009 durch Vertrag vom 22. Dezember 2008 noch nicht geklärt. In der Literatur wird bisher die Auffassung vertreten, ein solcher Fall sei nicht anzeigepflichtig (vgl. Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 19 Rz 26; Pahlke, a.a.O., § 19 Rz 11; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 19 Rz 9).
3. Der BFH kann über den Grunderwerbsteuerbescheid entscheiden, obwohl das Verfahren gegen die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts noch anhängig ist.
a) Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits aussetzen. Die Entscheidung über die Aussetzung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dabei ist es regelmäßig geboten und zweckmäßig (Ermessensreduzierung auf Null), dass das Gericht den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angefochtene Grundlagenbescheid geändert wird.
b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Im Einzelfall kann trotz ausstehender Entscheidung über einen Grundlagenbescheid eine Fortführung des Verfahrens ermessensgerecht sein. Das ist z.B. dann der Fall, wenn das Vorbringen eines Beteiligten den Folgebescheid als solchen betrifft und im Verfahren über diesen Bescheid entscheidungserheblich ist. In diesem Fall kann das betreffende Vorbringen bereits zur Entscheidung über die Klage führen, ohne dass es noch auf die Entscheidung über den Grundlagenbescheid ankommt. Dann kann eine zeitnahe Entscheidung sowohl der Prozessökonomie als auch dem (objektivierten) Interesse der Beteiligten entsprechen. Von Bedeutung ist dabei, dass unbeschadet einer Entscheidung über den Folgebescheid dieser bei einer nachfolgenden Aufhebung oder Änderung des Grundlagenbescheids (auch im dagegen gerichteten Klageverfahren) gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, ohne dass es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf (BFH-Urteil vom 25. August 2010 II R 65/08, BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225, Rz 17 ff.).
c) Ein solcher Ausnahmefall ist im Streitfall gegeben.
In den beiden anhängigen Verfahren sind verschiedene Rechtsfragen streitig. Im hier streitigen Verfahren --dem Verfahren gegen die Festsetzung der Grunderwerbsteuer und des Verspätungszuschlags-- ist die Rechtsfrage zu entscheiden, ob die vierjährige Festsetzungsfrist bei Erlass des Bescheids am 20. November 2014 noch nicht abgelaufen war (vgl. oben unter III.1.). Der Rechtsstreit im Feststellungsverfahren führt im Erfolgsfall hingegen nur zu einer niedrigeren Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer und nicht zu einer Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids, die eine vorrangige Entscheidung über diesen sinnlos erscheinen ließe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225, Rz 20). Der Feststellungsbescheid vom 7. April 2017, der der Klägerin bekanntgegeben wurde und einen identischen Regelungsgehalt wie der Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2016 hat, wurde nach § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2016. Es entspricht dem Interesse der Klägerin, eine durch das Abwarten auf die Entscheidung im Feststellungsverfahren bedingte längere Verfahrensdauer zu vermeiden und zunächst über den Grunderwerbsteuerbescheid zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.