Entscheidungsdatum: 19.06.2013
Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein einheitlicher, auf den Erwerb des bebauten Grundstücks gerichteter Erwerbsvorgang u.a. vor, wenn die Personen durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss des Grundstückskaufvertrags und der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss .
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 21. März 2005 von der B-Bank ein näher bezeichnetes unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 24.750 €. Das Geschäft wurde von der B-GmbH vermittelt, einer Immobiliengesellschaft mehrerer Banken, u.a. der Verkäuferin.
Am 4. April 2005 schloss der Kläger mit der C-GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück zum Festpreis in Höhe von 99.000 €. Das Gebäude wurde in der Folgezeit von der C-GmbH für 98.803,99 € errichtet. Gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erklärte der Kläger, er habe sich das Grundstück und den Vertragspartner der Bebauung selbst ausgesucht. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 setzte das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung die Grunderwerbsteuer auf 866 € fest.
Spätere Ermittlungen des FA ergaben, dass die B-GmbH mit der C-GmbH für das Objekt des Klägers einen Immobilienvermittlungsvertrag abgeschlossen hatte. Für die Vermittlung des Grundstücks berechnete die B-GmbH vereinbarungsgemäß eine Provision, die mit dem Verkauf der zweiten Doppelhaushälfte fällig wurde. Auf Rückfrage des FA erklärte der Kläger, er habe die C-GmbH beauftragt, weil sie ihm vom Architekten, einem Cousin seines Vaters, empfohlen worden sei. Mit der Planung habe er bereits eineinhalb Jahre vor dem Kauf des Grundstücks angefangen.
Das FA erließ am 22. Oktober 2009 einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, bezog die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage ein und setzte die Grunderwerbsteuer auf 4.324 € fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) bildet der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes mit dem Kaufvertrag über den Erwerb des unbebauten Grundstücks kein einheitliches Vertragswerk, das darauf gerichtet gewesen sei, dem Kläger ein bebautes Grundstück zu verschaffen. Zwar hätten die C-GmbH und die B-GmbH, letztere handelnd für die Grundstückseigentümerin, durch ein abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss beider Verträge, Werkvertrag und Kaufvertrag, hingewirkt. Dieses Zusammenwirken auf der Veräußererseite sei für den Erwerber jedoch objektiv nicht erkennbar gewesen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 972 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision des FA. Seiner Ansicht nach sei das abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite für den Kläger erkennbar gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger in Ruhe mit dem Bauträger habe verhandeln können, ohne Gefahr zu laufen, das Grundstück an einen anderen Erwerber zu verlieren, und der zeitliche Ablauf sprächen für eine enge Absprache zwischen den Beteiligten auf der Veräußererseite.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG kommt es für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs bei mehreren Anbietern auf der Veräußererseite nur darauf an, dass diese objektiv zusammenwirken, ohne dass das Zusammenwirken für den Erwerber erkennbar sein muss.
1. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juli 2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63, m.w.N.; vom 28. März 2012 II R 57/10, BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920; vom 27. September 2012 II R 7/12, BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86).
a) Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, m.w.N.). Ein solcher Zusammenhang ist nicht nur gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (BFH-Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, m.w.N.). Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird vielmehr auch indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63; in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, und in BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86, jeweils m.w.N.).
b) Für einen objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ist es nicht erforderlich, dass das Angebot der Veräußererseite in einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wird (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63, und in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass die Veräußererseite das Angebot zur Bebauung des Grundstücks bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags abgegeben und der Erwerber das Angebot später unverändert oder lediglich vom Umfang her mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändern, angenommen hat (BFH-Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, m.w.N.).
c) Auf der Veräußererseite können dabei auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH-Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, und vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, jeweils m.w.N.). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 72/87, BFH/NV 1991, 344; vom 6. Dezember 1989 II R 145/87, BFH/NV 1991, 345, und vom 23. August 2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663, und in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, jeweils m.w.N.), insbesondere Angebote über Grundstück und Bebauung abgeben.
d) In diesen Fällen hat der BFH in früheren Entscheidungen für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs gefordert, dass das Zusammenwirken für den Erwerber objektiv erkennbar war (vgl. BFH-Urteile vom 11. Mai 1994 II R 62/91, BFH/NV 1994, 901; vom 28. Oktober 1998 II R 36/96, BFH/NV 1999, 667; vom 27. Oktober 1999 II R 3/97, BFH/NV 2000, 883). Ungeachtet dessen, dass in den zitierten Entscheidungen das Zusammenwirken tatsächlich anhand objektiver Merkmale für den Erwerber erkennbar war, handelt es sich dabei nicht um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs kommt es allein auf das objektiv vorliegende Zusammenwirken auf der Veräußererseite zur Abgabe eines einheitlichen Angebots an, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss (Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rz 31). Ausreichend ist, wenn dieses Zusammenwirken anhand äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden kann. Selbst wenn der Erwerber trotz des Zusammenwirkens auf der Veräußererseite davon ausgeht, ein unbebautes Grundstück zu erwerben und dieses eigenverantwortlich zu bebauen, erwirbt er das bebaute Grundstück, wenn er --unerkannt-- das tatsächlich vorliegende, einheitliche Angebot der Veräußererseite auf Erwerb des bebauten Grundstücks annimmt.
2. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) ermöglichen keine abschließende Entscheidung über den Antrag des Klägers.
Das durch Provisionsabreden abgesicherte Zusammenwirken auf der Veräußererseite war zwar nach den Feststellungen des FG darauf gerichtet, dem Kläger das Grundstück im bebauten Zustand mit aufstehender Doppelhaushälfte zu verschaffen. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Veräußererseite dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hat. Dafür spricht zwar der zeitliche Ablauf, denn der Werkvertrag wurde innerhalb von nur zwei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück geschlossen. Zudem nimmt der Werkvertrag in der Anlage Bezug auf Planungen, die bereits vor Abschluss des Kaufvertrags datieren und möglicherweise den Schluss zulassen, dass die Bebauung des Grundstücks dem Kläger schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags angeboten wurde. Konkrete Feststellungen des FG dazu fehlen jedoch. Der BFH ist an die Feststellungen des FG im Urteil gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO) und kann nicht seine eigene Würdigung an die Stelle der Tatsachenwürdigung des FG setzen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 41).