Entscheidungsdatum: 01.10.2014
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie betreibt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ein Kreditinstitut mit einer Vielzahl von Zweigstellen. Eine der rechtlich unselbständigen Zweigstellen (nachfolgend Zweigstelle A) befindet sich in der Republik Österreich (Österreich).
Für die in der Zweigstelle A geführten Konten erstattete die Klägerin beim Tod eines Kontoinhabers keine Anzeige nach § 33 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) über die dort in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und die gegen sie gerichteten Forderungen an das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.
Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) forderte die Klägerin mit Schreiben vom 25. September 2008 unter Hinweis auf § 33 ErbStG auf, ab dem 1. Januar 2001 alle von der Zweigstelle A verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 1 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) vorgesehenen Form bis zum 30. Januar 2009 dem jeweils für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 2224 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin unter anderem einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- (ex-Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG--).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid vom 25. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Frage zur Auslegung von Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Maßgebliche Vorschriften
a) Nationales Recht
Die Steuerpflicht tritt bei einem Erwerb von Todes wegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Als Inländer gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
§ 33 Abs. 1 Satz 1 ErbStG lautet wie folgt:
"(1) Wer sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, hat diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen."
§ 1 ErbStDV regelt die Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer/ -verwalter wie folgt:
"(1) Wer zur Anzeige über die Verwahrung oder Verwaltung von Vermögen eines Erblassers verpflichtet ist, hat die Anzeige nach § 33 Abs. 1 des Gesetzes mit einem Vordruck nach Muster 1 zu erstatten. Wird die Anzeige in einem maschinellen Verfahren erstellt, kann auf eine Unterschrift verzichtet werden. Die Anzeigepflicht bezieht sich auch auf die für das Jahr des Todes bis zum Todestag errechneten Zinsen für Guthaben, Forderungen und Wertpapiere (Stückzinsen). Die Anzeige ist bei dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) einzureichen."
b) In Österreich geltende Rechtsnormen
§ 9 Abs. 1 und 7 des Bankwesengesetzes (BWG-Österreich) bestimmt für Kreditinstitute aus Mitgliedstaaten mit einer Zweigstelle in Österreich Folgendes:
"(1) Die in Anhang I der Richtlinie 2013/36/EU angeführten Tätigkeiten dürfen nach Maßgabe der Abs. 2 bis 8 von einem in einem Mitgliedstaat zugelassenen CRR-Kreditinstitut, das seinen Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hat, in Österreich über eine Zweigstelle oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs erbracht werden, soweit seine Zulassung es dazu berechtigt."
"(7) Kreditinstitute gemäß Abs. 1, die Tätigkeiten in Österreich über eine Zweigstelle ausüben, haben die §§ 25, 27a, 31 bis 41, 44 Abs. 3 bis 6, 60 bis 63, 65 Abs. 3a, 66 bis 68, 74 bis 75, 93 Abs. 8 und 8a, 94 und 95 Abs. 3 und 4 sowie je nach ihrem Geschäftsgegenstand die §§ 36, 38 bis 59, 61 bis 66 und 69 bis 71 WAG 2007, die §§ 4 und 26 bis 48 ZaDiG und die übrigen in § 69 genannten Bundesgesetze und EU-Verordnungen und die auf Grund der vorgenannten Vorschriften erlassenen Verordnungen und Bescheide einzuhalten."
Die Bestimmungen zum Bankgeheimnis in § 38 Abs. 1, 2 und 5 BWG-Österreich lauten wie folgt:
"(1) Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs. 3 anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis)." ...
"(2) Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht nicht
1. im Zusammenhang mit einem Strafverfahren auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung (§ 116 StPO) gegenüber den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden;
2. im Falle der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 41 Abs. 1 und 2, § 61 Abs. 1, § 93 und § 93a;
3. im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär;
4. wenn der Kunde minderjährig oder sonst pflegebefohlen ist, gegenüber dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht;
5. wenn der Kunde der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich und schriftlich zustimmt;
6. für allgemein gehaltene bankübliche Auskünfte über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens, wenn dieses der Auskunftserteilung nicht ausdrücklich widerspricht;
7. soweit die Offenbarung zur Klärung von Rechtsangelegenheiten aus dem Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden erforderlich ist;
8. hinsichtlich der Meldepflicht des § 25 Abs. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes;
9. im Fall der Verpflichtung zur Auskunftserteilung an die FMA gemäß dem WAG und dem BörseG."
...
"(5) (Verfassungsbestimmung) Die Abs. 1 bis 4 können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden."
Zur Strafbarkeit sieht § 101 BWG-Österreich Folgendes vor:
"(1) Wer Tatsachen des Bankgeheimnisses offenbart oder verwertet, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder um einem anderen einen Nachteil zuzufügen, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Der Täter ist im Falle des Abs. 1 nur mit Ermächtigung des in seinem Interesse an der Geheimhaltung Verletzten zu verfolgen."
2. Beurteilung des Streitfalls nach deutschem Recht
Die Aufforderung des FA vom 25. September 2008 ist rechtmäßig. Sie verpflichtet die Klägerin unter Hinweis auf § 33 Abs. 1 ErbStG, ab dem 1. Januar 2001 beim Tod eines inländischen Erblassers die von der Zweigstelle A verwahrten oder verwalteten Vermögensgegenstände des Erblassers und die dort gegen sie gerichteten Forderungen des Erblassers dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
a) Der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG unterliegen inländische Kreditinstitute, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung und Verwaltung fremden Vermögens befassen. Dabei sind in die Anzeigen auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Mai 2006 II R 66/04, BFHE 215, 520, BStBl II 2007, 49).
b) Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das geschäftsmäßig Vermögen verwahrt und verwaltet. Sie unterliegt damit der Anzeigepflicht des § 33 Abs. 1 ErbStG. Anzuzeigen sind auch die in der Zweigniederlassung A geführten Konten und Depots.
Das FA hat in der Aufforderung vom 25. September 2008 die Anzeigepflicht der Klägerin in Bezug auf die Zweigniederlassung A auf inländische Erblasser beschränkt. Zu den inländischen Erblassern gehören vor allem Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG). Die Beschränkung hat zur Folge, dass Kunden der Klägerin, die von der Zweigstelle A betreut werden und keine Inländer sind, bei ihrem Ableben nicht von der Anzeigepflicht betroffen sind. Die insoweit einschränkende Auslegung des § 33 Abs. 1 ErbStG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Soweit sich jedoch die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG auf die ausländische Zweigniederlassung A erstreckt, kann sich die Klägerin möglicherweise mit Erfolg unmittelbar auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) berufen.
3. Zur Vorlagefrage
a) Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV (ex-Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EG) schreibt die Beseitigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vor. Das gleiche gilt gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV (ex-Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG) für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
b) Nach Art. 54 AEUV (ex-Art. 48 EG) stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, für die Anwendung der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind. Als Gesellschaften gelten auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen (Art. 54 Abs. 2 AEUV, ex-Art. 48 Abs. 2 EG). Für diese Gesellschaften ist mit der Niederlassungsfreiheit das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. Urteil Texdata Software, C-418/11, EU:C:2013:588, Rn. 63, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Klägerin gehört zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Da ihre Tätigkeit nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist (vgl. Art. 51 Abs. 1 AEUV, ex-Art. 45 Abs. 1 EG), kann sie sich auf Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) berufen.
c) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit i.S. des Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil Texdata Software, EU:C:2013:588, Rn. 64). Der EuGH hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) jeder nationalen Regelung entgegensteht, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der vom Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, und dass solche Behinderungen entstehen können, wenn ein Unternehmen aufgrund nationaler Vorschriften davon abgehalten werden könnte, untergeordnete Einheiten --wie etwa Betriebsstätten-- in anderen Mitgliedstaaten zu gründen und seine Tätigkeiten über diese Einheiten auszuüben (vgl. Urteil DHL International, vormals Express Line, C-148/10, EU:C:2011:654, Rn. 60, und die dort angeführte Rechtsprechung).
d) Auch wenn die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, verbieten sie es doch ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. Urteil National Grid Indus, C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 35, und die dort angeführte Rechtsprechung).
e) Fraglich ist, ob § 33 Abs. 1 ErbStG die Niederlassungsfreiheit beschränkt, obwohl die Anzeigepflicht für alle inländischen Kreditinstitute gleichermaßen gilt. Die nationale Regelung führt für sich genommen nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der inländischen Kreditinstitute.
Die gewerbliche Betätigung eines inländischen Kreditinstituts über eine Zweigstelle in Österreich wird erst dadurch behindert, dass es in Österreich keine vergleichbare Anzeigepflicht gibt und dort nach §§ 38, 101 BWG-Österreich ein strafbewehrtes Bankgeheimnis gilt. Dieses Bankgeheimnis hat auch ein Kreditinstitut mit Sitz in Deutschland zu beachten, soweit es Tätigkeiten über eine Zweigstelle in Österreich ausübt.
Die Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG ist zwar auch in Bezug auf eine Zweigstelle in Österreich nach dem dort geltenden Recht möglich; sie ist aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Nach § 38 Abs. 2 Nr. 5 BWG-Österreich ist zur Offenbarung der Verhältnisse der Kunden, die durch die Zweigstelle betreut werden, deren Zustimmung erforderlich. Die Anforderung einer Zustimmung durch das Kreditinstitut kann unter Umständen dazu führen, dass inländische Kunden, deren Vermögen von der Anzeigepflicht betroffen ist, kein Konto oder Depot bei der Zweigstelle in Österreich, sondern bei österreichischen Banken oder bei in Österreich ansässigen Tochterunternehmen von inländischen Banken eröffnen, weil Letztere nicht der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG unterliegen. Im Verhältnis zu den nicht von der Anzeigepflicht betroffenen Banken ist die Tätigkeit eines inländischen Kreditinstituts über eine Zweigstelle in Österreich erschwert. Fraglich ist, ob sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch aus dem Zusammenwirken der Vorschriften des Ansässigkeitsstaats (Deutschland) und des Niederlassungsstaats (Österreich) ergeben kann und welchem Staat diese Beschränkung zuzurechnen ist (vgl. Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C-157/07, EU:C:2008:588, Rn. 51).
f) Die Rechtsprechung des EuGH zur Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung ist nicht auf die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG übertragbar.
Die Mitgliedstaaten verfügen beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des gemeinschaftlichen Steuerrechts über eine gewisse Autonomie (Urteil Columbus Container Services, C-298/05, EU:C:2007:754, Rn. 51). Aus dieser Besteuerungsbefugnis folgt, dass das Recht von Gesellschaften, für die Niederlassung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten zu wählen, diese keineswegs verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen, um zu gewährleisten, dass eine Gesellschaft, die beschlossen hat, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat niederzulassen, auf nationaler Ebene genauso besteuert wird wie eine Gesellschaft, die sich dafür entschieden hat, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen (Urteil Columbus Container Services, EU:C:2007:754, Rn. 51).
Die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG betrifft dagegen nicht die Besteuerung des zur Anzeige Verpflichteten, sondern ermöglicht die Überprüfung der Besteuerung des Erblassers und desjenigen, der den Nachlass ganz oder teilweise erwirbt. So kann geprüft werden, ob die Einkünfte eines inländischen Erblassers bis zu seinem Ableben zutreffend besteuert wurden, ob anlässlich des Erbfalls Erbschaftsteuer anfallen könnte, ob die Angaben in der Erbschaftsteuererklärung, die erst auf Anforderung des Finanzamts abzugeben ist, zutreffend sind und ob die Erwerber spätere steuerpflichtige Einkünfte aus dem erworbenen Vermögen vollständig erklären.
g) Falls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorläge, ist fraglich, ob diese gerechtfertigt ist.
aa) Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil Rewe Zentralfinanz, C-347/04, EU:C:2007:194, Rn. 37).
bb) Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit könnte deshalb gerechtfertigt sein, weil mit der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen gewährleistet wird.
Die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil Schmelz, C-97/09, EU:C:2010:632, Rn. 57).
Die den geschäftsmäßigen Vermögensverwahrern/-verwaltern obliegenden Anzeigen tragen --neben anderen gesetzlich geregelten Anzeigen-- dazu bei, den Nachlass eines Erblassers dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt mitzuteilen. Die Anzeigen ermöglichen diesen Finanzämtern die Prüfung, ob ein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen vorliegt und deshalb nach § 31 ErbStG eine Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung zu ergehen hat. Nach dem Eingang der Erklärung kann überprüft werden, ob der Erwerb in Bezug auf die angezeigten Vermögensgegenstände vollumfänglich erklärt worden ist.
Darüber hinaus erstellen die für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzämter aufgrund der Anzeigen Kontrollmitteilungen an die für die Besteuerung des Erblassers und des Erwerbers zuständigen Finanzämter (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 21. September 2001, BStBl I 2001, 665, und vom 18. Juni 2003, BStBl I 2003, 392). Diese auf den Anzeigen beruhenden Kontrollmitteilungen sichern eine effektive Besteuerung und dienen damit zugleich dem sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BFH-Urteil in BFHE 215, 520, BStBl II 2007, 49, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56). Das für den Erblasser zuständige Wohnsitzfinanzamt kann überprüfen, ob die Angaben des Erblassers zu seinen bis zum Ableben erzielten Einkünften stimmen können und deshalb die Einkünfte zutreffend erfasst wurden. Das für den Erwerber zuständige Wohnsitzfinanzamt kann überprüfen, ob die Einkünfte aus dem erworbenen Vermögen in den Steuererklärungen angegeben werden.
h) Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist außerdem nur statthaft, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil National Grid Indus, EU:C:2011:785, Rn. 42).
aa) Soweit die Wirksamkeit der Steueraufsicht als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzuerkennen wäre, ist die in § 33 Abs. 1 ErbStG geregelte Anzeigepflicht, die sich auf ausländische Zweigstellen von inländischen Banken erstreckt, geeignet, das Ziel einer wirksamen Steuerkontrolle zu verfolgen. Denn damit erfasst die Anzeigepflicht einer inländischen Bank ihre gesamten unselbständigen Zweigstellen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine wirksame steuerliche Kontrolle sei schon deshalb nicht möglich, weil die Anzeigepflicht nicht für ausländische Banken gelte. Nationale Regelungen zur steuerlichen Kontrolle müssen regelmäßig auf das Inland beschränkt sein. Eine steuerliche Kontrolle unter Heranziehung ausländischer Banken widerspräche dem Territorialitätsprinzip.
Unerheblich ist, ob sich im Falle einer Erstreckung der Anzeigepflicht auf ausländische Zweigstellen inländischer Kreditinstitute das Anlegerverhalten dahin ändern könnte, dass vermehrt Vermögen bei ausländischen Banken angelegt werden würde.
bb) Die Anzeigepflicht hat auch keine überschießende Tendenz. Sie geht, soweit sie ausländische Zweigniederlassungen inländischer Banken erfasst, nicht über das hinaus, was zur Erreichung ihres Zwecks erforderlich ist.
(1) Eine Bank kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass die Finanzbehörden auch Auskunft vom Steuerpflichtigen, der den Nachlass ganz oder teilweise erhält, verlangen könnten. Denn es geht gerade darum, aufgrund der Anzeige der Bank Informationen zu erhalten, die es den Finanzämtern ermöglichen, die Angaben der Steuerpflichtigen zur Besteuerung von Einkünften und Vermögenswerten auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Würde sich die Anzeigepflicht nicht auf ausländische Zweigniederlassungen inländischer Banken erstrecken, bestünde die Gefahr, dass dort verwahrte Vermögensgegenstände und daraus erzielte Einkünfte nicht in den Steuererklärungen angegeben werden. Da die Finanzbehörden ohne Anzeige auch keinen Hinweis auf einen Steuergegenstand hätten, der ihnen die Einleitung von Ermittlungen erlaubte, wäre eine Überprüfung der Steuererklärungen in Bezug auf nicht enthaltene Einkünfte oder Vermögenswerte praktisch ausgeschlossen. Die Anzeigepflicht ist deshalb die Grundlage für eine wirksame steuerliche Überwachung.
(2) Ein Kreditinstitut kann nicht geltend machen, die Finanzbehörden könnten sich im Wege der Amtshilfe die notwendigen Informationen besorgen. Gibt es ohne die Anzeige der Vermögensverwahrer/-verwalter keine Anhaltspunkte für verschwiegene Einkünfte oder Vermögenswerte, können Informationen über steuererhebliche Tatsachen in Bezug auf einen Steuerpflichtigen auch nicht durch Ersuchen an ausländische Behörden beschafft werden (vgl. Urteil X und Passenheim-van Schoot, C-155/08, EU:C:2009:368, Rn. 63).
(3) Einer statthaften Beschränkung der Niederlassungsfreiheit stünde die am 1. März 2012 in Kraft getretene Abänderung des am 24. August 2000 in Berlin unterzeichneten Abkommens zwischen Deutschland und Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen --DBA Österreich-- (BGBl II 2011, 1209) nicht entgegen.
Der in Art. 26 DBA Österreich neu geregelte Informationsaustausch ist auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 2011 beginnen (Art. III Abs. 2 des Protokolls zwischen Deutschland und Österreich zur Abänderung des DBA Österreich, BGBl II 2011, 1210). Das geänderte DBA Österreich gilt damit nicht für die im Streit stehende Aufforderung vom 25. September 2008, die den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Januar 2009 betrifft. Die Aufforderung enthält keine Hinweise, dass sie sich auch auf die Zeit nach dem 30. Januar 2009 erstreckt.
Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob das DBA Österreich überhaupt auf die Erbschaftsteuer anwendbar ist, nachdem seit dem 1. August 2008 in Österreich keine Erbschaftsteuer mehr erhoben wird und das frühere Abkommen zwischen Deutschland und Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern vom 4. Oktober 1954 (BGBl II 1955, 756) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 gekündigt wurde (BStBl I 2007, 821).
(4) Die Einlassung der Klägerin, eine auf ausländische Zweigstellen erweiterte Anzeigepflicht würde ihr gesamtes Engagement in Österreich gefährden und wegen der zu erwartenden Maßnahmen der österreichischen Finanzmarktaufsicht zur Schließung der Zweigstelle führen, ist unerheblich. Die Klägerin könnte die Anzeige nach § 33 Abs. 1 ErbStG jedenfalls mit Zustimmung des Bankkunden (vgl. § 38 Abs. 2 Nr. 5 BWG-Österreich) erstatten.
4. Die dem EuGH vorgelegten Fragen sind entscheidungserheblich.
Sollte sich die Klägerin mit Erfolg auf Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) berufen können, wäre die Aufforderung des FA vom 25. September 2008 rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Die Revision wäre begründet.
5. Das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 234 Abs. 3 EG) erforderlich.
6. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.