Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 08.09.2010


BFH 08.09.2010 - II R 28/09

Sanierungsverpflichtung als Gegenleistung für eine Erbbaurechtsbestellung - Begriff der Gegenleistung im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
08.09.2010
Aktenzeichen:
II R 28/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Köln, 22. September 2008, Az: 5 K 3205/05, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Eine vom Erbbauberechtigten übernommene Verpflichtung zur umfassenden Sanierung des vorhandenen Gebäudes ist keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts, wenn der Grundstückseigentümer an den Erbbauberechtigten jährlich Investitionszuschüsse zahlt und diese insgesamt einer Entschädigung für die Sanierung des Gebäudes entsprechen .

Tatbestand

1

I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Juli 2004 bestellte die Stadt ... (Stadt) an ihrem mit einem Kurhaus bebauten Grundstück zugunsten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für 15 Jahre ein Erbbaurecht. Der jährliche Erbbauzins betrug 25.860 € zuzüglich Umsatzsteuer.

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Die Klägerin verpflichtete sich in dem Vertrag außerdem, das Kurhaus nach Maßgabe bereits vorliegender Pläne bis Ende 2008 "aus eigenen Mitteln" zu sanieren. Die Stadt hatte der Klägerin --neben einem jährlichen "Betriebskostenzuschuss" für den Betrieb des großen Kursaals in Höhe von 25.860 € und einem jährlichen "Unterhaltskostenzuschuss" für die laufende Gebäudeunterhaltung von 21.550 €-- "für die zu tätigenden Investitionen" einen jährlichen "Investitionszuschuss" von 218.660 € zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen.

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Bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf war keine Entschädigung zu leisten. Lediglich bei vorzeitigem Heimfall des Erbbaurechts, den die Stadt unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Insolvenz der Klägerin oder Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht) verlangen konnte, hatte sie an die Klägerin je nach Grund des Heimfalls eine Entschädigung von 1,5 Mio. € bzw. 2,250 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen. Diese Entschädigungssumme verringerte sich um den Wert der noch nicht erbrachten Leistungen, falls die Sanierung noch nicht vollständig durchgeführt war, und um 6,66 v.H. für jedes Jahr nach Abschluss der Sanierung.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 28. Mai 2008 für den Erwerb des Erbbaurechts die Grunderwerbsteuer auf 77.232 € fest und bezog neben dem kapitalisierten Erbbauzins die der Klägerin tatsächlich entstandenen Kosten der Sanierung von 1.897.254 € in die Bemessungsgrundlage ein.

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Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um die Sanierungskosten wandte, hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) habe die Klägerin die Kosten der Sanierung selbst getragen. Daran ändere auch der von der Stadt zu zahlende Investitionszuschuss nichts. Dabei habe es sich nicht um eine Entschädigung gehandelt, die nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Oktober 2002 II R 81/00 (BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199) die Berücksichtigung der Sanierungsverpflichtung als Teil der Gegenleistung ausschließen würde, sondern um einen Zuschuss, der nicht mit der Sanierungsverpflichtung im Zusammenhang stehe. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1247 veröffentlicht.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer unter Änderung des Bescheids vom 28. Mai 2008 auf 10.828 € herabzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Grunderwerbsteuer. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Kosten der von der Klägerin übernommenen Sanierung in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.

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1. Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung kommen nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers in Betracht, die er dem Veräußerer (oder einem Dritten) um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat und die nicht nur ihm selbst zugute kommen (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1995 II R 46/93, BFH/NV 1996, 578, und in BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199).

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a) Verpflichtet sich ein Erbbauberechtigter im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts dem Grundstückseigentümer gegenüber zur Errichtung oder umfassenden Sanierung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück, ist --wie beim Erwerb von Grundstückseigentum-- im Regelfall davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des Erbbaurechts allein zugute kommen und deshalb als "eigennützige Erwerberleistungen" keine Gegenleistung darstellen (vgl. zum Erwerb von Grundstückseigentum: BFH-Urteil vom 27. August 2003 II R 27/01, BFH/NV 2004, 226). Denn nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG, bis zum 30. November 2007 Verordnung über das Erbbaurecht) gilt das auf Grund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts. In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass der Grundstückseigentümer ohne die Verpflichtung des Erbbauberechtigten das Erbbaurecht nicht bestellt hätte.

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Für die Frage der Eigen- oder Fremdnützigkeit der Errichtung eines Gebäudes auf einem Erbbaugrundstück ist jedoch zu berücksichtigen, dass Erbbaurechte in der Regel nur auf bestimmte Zeit bestellt werden und die Gebäude mit dem Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteile des (Grundstücks-)Eigentums werden (§ 12 Abs. 3 ErbbauRG). Zielt der Erbbaurechtsvertrag daher darauf ab, dass dem Grundstückseigentümer nach Beendigung des Erbbaurechts bestimmte, vom Erbbauberechtigten vertragsgemäß auf dem Erbbaugrundstück geschaffene Sachwerte --entgegen § 27 ErbbauRG-- entschädigungslos zufallen, kann hierin eine Gegenleistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG liegen (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 578). Verpflichtet sich dagegen der Erbbauberechtigte in einem Erbbaurechtsvertrag zur Errichtung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück sowie zu dessen ordnungsgemäßen Unterhaltung über die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts und erhält er bei Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des Verkehrswerts, kommen die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute. In der Verpflichtung zur Herstellung des Gebäudes liegt deshalb in diesen Fällen regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts (BFH-Urteil in BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199). Entsprechendes gilt, wenn sich der Erbbauberechtigte im Erbbaurechtsvertrag zur umfassenden Sanierung des bereits vorhandenen Gebäudes verpflichtet und der Grundstückseigentümer hierfür an den Erbbauberechtigten eine Entschädigung zahlt, die einer Übernahme der Sanierungskosten gleichkommt.

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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Verpflichtung der Klägerin zur umfassenden Sanierung des Gebäudes eine eigennützige Erwerberleistung und damit keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts. Die Klägerin erhält während der Vertragslaufzeit einen jährlichen Investitionszuschuss, der --ungeachtet seiner Bezeichnung durch die Vertragsbeteiligten-- einer Entschädigung bei Heimfall entspricht. Es macht in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht keinen Unterschied, ob die Entschädigung für die Sanierung als Einmalbetrag bei Beendigung des Erbbaurechts oder in Raten während der Vertragslaufzeit gezahlt wird. In beiden Fällen wendet der Erbbauberechtigte im Ergebnis nichts auf, was dem Grundstückseigentümer zugute kommt. Dass die Sanierung aufgrund der kurzen Laufzeit des Erbbaurechts von 15 Jahren wirtschaftlich nicht "verbraucht" ist und die Stadt ein saniertes Kurhaus zurück erhält, beruht damit nicht auf Leistungen der Klägerin, sondern der Stadt selbst.

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Entgegen der Auffassung des FG besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Sanierungsverpflichtung der Klägerin und dem Investitionszuschuss der Stadt. Das FG hat übersehen, dass dem Grunderwerbsteuergesetz ein eigenständiger Gegenleistungsbegriff zugrunde liegt (BFH-Urteil vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671). Für seine Bestimmung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück (Erbbaurecht) bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben (BFH-Urteil vom 26. April 1972 II R 188/71, BFHE 106, 236). Der objektive Inhalt des Vertrages lässt im Streitfall keinen Zweifel daran, dass die Stadt mit dem Investitionszuschuss die Sanierungsaufwendungen der Klägerin vollständig übernommen hat. Hierfür spricht bereits die Vertragsformulierung "für die zu tätigenden Investitionen". Zudem erreicht die Summe der über die Vertragslaufzeit vereinbarten Investitionszuschüsse die Aufwendungen der Klägerin (einschließlich der Finanzierungskosten) und somit die durch die Sanierung bewirkte Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks. Der Zusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zuschuss beim vorzeitigen Heimfall nicht auf die Entschädigung angerechnet wird. Denn stattdessen vermindert sich die festgelegte Entschädigungssumme um 6,66 v.H. für jedes Jahr nach der Durchführung der Sanierung. Auch bei einem vorzeitigen Heimfall ist damit durch die --evtl. abgeschmolzene-- Entschädigungssumme und die bis dahin gezahlten Investitionszuschüsse sichergestellt, dass die Klägerin einen pauschalen Ausgleich dafür erhält, dass sie die gesamten Sanierungskosten zu Beginn der Vertragslaufzeit zu tragen hatte, während der Investitionszuschuss auf die Vertragslaufzeit verteilt wurde.

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Da das FG die Sanierungskosten in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

16

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist begründet. Der Steuerbescheid vom 28. Mai 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGO), soweit das FA die Grunderwerbsteuer höher als von der Klägerin beantragt festgesetzt hat.