Entscheidungsdatum: 05.10.2011
NV: Für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG reicht es nicht aus, dass Vermögenswerte einer Person von einer Maßnahme nach § 1 VermG betroffen sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person nach dem VermG auch (originär) Berechtigte ist.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, ist Rechtsnachfolgerin des von der jüdischen Familie B in der Rechtsform einer KGaA gegründeten Bankhauses C, das 1941 in eine AG (E-AG) umgewandelt worden ist. Die Erben der ehemaligen Gesellschafter der E-AG sind die Aktionäre der Klägerin.
Die E-AG hielt am 31. Dezember 1935 94,98 % der Aktien an der D-Bank AG (D-AG). Aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung musste die E-AG diese Aktien nach und nach veräußern, so dass sie im Jahr 1945 nicht mehr Aktionärin der D-AG war.
Die D-AG war ursprünglich Eigentümerin eines im Land Y gelegenen Grundstücks. Aufgrund einer von den Nationalsozialisten erzwungenen Auflassung musste sie das Eigentum am Grundstück im Jahr 1937 auf einen anderen übertragen.
Am 9. Dezember 1992 beantragte sowohl die Klägerin als auch die Erbengemeinschaft B die Rückübertragung des Unternehmens der D-AG und deren gesamter Vermögenswerte. Zur Beschleunigung des Restitutionsverfahrens erklärten die Mitglieder der Erbengemeinschaft B auf Anregung des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen in Y (LARoV) diesem gegenüber am 6. April 1999, dass alle etwaigen vermögensrechtlichen Ansprüche bezogen auf die Aktien und auf ehemalige Vermögenswerte der D-AG der Klägerin zustehen sollten und sie mit der Rückerstattung dieser Vermögenswerte bzw. Aktien an die Klägerin einverstanden seien. Ein Verzicht zugunsten Dritter sollte mit dieser Erklärung nicht begründet werden.
Mit Bescheid vom 25. November 2002 stellte das LARoV fest, dass die Klägerin in Höhe von 100 % Berechtigte im Hinblick auf das in Y gelegene Grundstück ist. Es führte hierzu aus, zunächst seien die Erben der damaligen Gesellschafter der E-AG Berechtigte hinsichtlich von 94,98 % Bruchteilseigentum an dem Grundstück gemäß § 2 Abs. 1 des Vermögensgesetzes in der im Jahr 2002 geltenden Fassung (VermG) gewesen. Die Erben hätten indes mit der Erklärung vom 6. April 1999 in notariell beurkundeter Form ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin habe zudem am 15. Oktober 2002 mit der Wohnungsbaugesellschaft H-mbH (H-GmbH) eine gütliche Vereinbarung über die Rückübertragung des Grundstücks getroffen. Danach habe das Alleineigentum am Grundstück an die Klägerin zurückübertragen werden sollen. Für den Erhalt des der H-GmbH zustehenden Eigentums in Höhe von 5,02 % an dem Grundstück sollte die Klägerin einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 33.000 € zahlen (§ 1 Abs. 7 der gütlichen Einigung). Daneben sollte die Klägerin der H-GmbH einen Betrag in Höhe von 2.556,46 € für die Mühewaltung im Zusammenhang mit der Durchführung des Verfahrens entrichten und ihr Eigenmittel in Höhe von 130.973,08 € ersetzen (§ 1 Abs. 9 und § 4 Abs. 2 der gütlichen Einigung). An die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) sollte laut Ziff. 5 des Bescheids vom 25. November 2002 für das mit der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöschte Grundpfandrecht Nr. 26 eine Gegenleistung in Höhe von 1.815,09 € gezahlt werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte für die Rückübertragung des Grundstücks eine Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG und setzte mit Bescheid vom 7. Mai 2004 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 23.800 € fest. Als Bemessungsgrundlage wurde der für das Grundstück auf den 30. Dezember 2002 festgestellte Grundstückswert in Höhe von 680.000 € angesetzt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass der mit Bestandskraft des Restitutionsbescheids eintretende Eigentumsübergang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliege und nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG steuerfrei sei. Das LARoV habe mit konstitutiver Wirkung festgestellt, dass die Klägerin ihre Restitutionsberechtigung durch Abtretung der Ansprüche der Erben erhalten habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1482 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 34 Abs. 3 VermG. Sie sei Betroffene einer Schädigungsmaßnahme i.S. des § 1 VermG. Hierauf und nicht auf die (vorrangige) Restitutionsberechtigung stelle § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG ab. Im Übrigen sei sie --die Klägerin-- auch vorrangig restitutionsberechtigt. Die Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG sei zumindest analog anzuwenden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. August 2005 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar im Ergebnis richtig entschieden, dass der Grundstückserwerb der Klägerin nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin für den Grundstückserwerb Gegenleistungen an die H-GmbH und an die Bundesrepublik zu erbringen hatte. Die vom FG getroffenen Feststellungen ermöglichen keine Entscheidung über die zutreffende Höhe der Gegenleistungen.
1. Der Erwerb der Klägerin, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG steuerbefreit.
a) Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG sind Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Erben hinsichtlich der nach dem VermG erfolgenden Grundstückserwerbe von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt nach § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG jedoch nicht für Personen, die ihre Berechtigung durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben, und deren Rechtsnachfolger.
b) § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG befreit den Erwerb eines Berechtigten von der Grunderwerbsteuer. Die Vorschrift stellt nur solche Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer frei, mit denen das Ziel verfolgt wird, das Eigentum an dem von Maßnahmen i.S. von § 1 VermG betroffenen Grundstück vom Nichtberechtigten auf den Berechtigten (zurück-)zu übertragen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1995 II R 93/94, BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27). Berechtigte im Sinne des VermG sind natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG).
c) Für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG reicht --entgegen der Ansicht der Klägerin-- nicht aus, dass Vermögenswerte einer Person von einer Maßnahme nach § 1 VermG betroffen sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person nach dem VermG auch (originär) Berechtigte ist.
aa) Die Steuerbefreiung gilt für einen Grundstückserwerb nach dem VermG. Nach dem VermG kann jedoch nur der "Berechtigte" ein Grundstück erwerben. Dies ergibt sich aus den Regelungen in § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 4 VermG, die jeweils auf den Berechtigten abstellen. Danach sind Vermögenswerte, die den Maßnahmen i.S. des § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum überführt oder an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG). Der Berechtigte kann verlangen, dass ihm an Vermögensgegenständen, die mit einem nach § 1 Abs. 6 i.V.m. § 6 VermG zurückzugebenden Unternehmen entzogen wurden und nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens gehören, im Wege der Einzelrestitution in Höhe der entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz VermG).
bb) § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG verweist zwar nicht auf die gesetzliche Definition des Berechtigten in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, verwendet aber für die Festlegung des begünstigten Personenkreises dieselbe Begriffsbestimmung wie § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG. Dabei kann aus dem Umstand, dass § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG an "Personen" anknüpft, während § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG den "Berechtigten" bestimmt, nicht abgeleitet werden, für die Steuerbefreiung reiche ein bloßes Betroffensein von Unrechtsmaßnahmen i.S. von § 1 VermG aus. Dafür spricht, dass das VermG bei mehreren Betroffenen den Berechtigten festlegt. Werden beispielsweise von mehreren Personen Ansprüche auf Rückübertragung desselben Vermögenswertes geltend gemacht, so gilt gemäß § 3 Abs. 2 VermG derjenige als Berechtigter, der von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG als Erster betroffen war.
cc) § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG deutet ebenfalls darauf hin, dass die Steuerbefreiung nach Satz 1 der Vorschrift nur dem Berechtigten zusteht. Die Steuerbefreiung ist danach für solche Personen ausgeschlossen, die ihre "Berechtigung" durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben. Der Ausschluss von der Steuerbefreiung erfasst deshalb auch von einer Unrechtsmaßnahme Betroffene, die einen Restitutionsanspruch aufgrund eines rechtsgeschäftlichen oder vergleichbaren Rechtsakts i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG (Abtretung, Pfändung, Verpfändung) erwerben und erst damit Berechtigte werden (a.A. Leist, Deutsches Steuerrecht 2005, 1386, unter 4.4.).
d) Bei einer Bruchteilsrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ist Berechtigter der geschädigte Gesellschafter und nicht das in § 6 Abs. 1a VermG bezeichnete Unternehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 5 VermG).
aa) § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG sieht zugunsten der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen Verfolgten (§ 1 Abs. 6 VermG) eine die Unternehmensrestitution ergänzende Einzelrestitution von nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehörenden Vermögensgegenständen vor, die mit dem zurückzugebenden oder bereits zurückgegebenen Unternehmen entzogen oder von ihm später angeschafft worden sind. Der Berechtigte kann verlangen, dass ihm an diesen Vermögensgegenständen in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz VermG). Der Anspruch besteht auch, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG ist und das Unternehmen zum Zeitpunkt der Schädigung nicht von Maßnahmen nach § 1 Abs. 6 VermG betroffen war (§ 3 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz VermG). Die Regelung soll die Möglichkeiten der Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus gegenüber dem sonstigen Regelungsinhalt des VermG verbessern und sie im Ergebnis der Wiedergutmachung nach alliiertem Rückerstattungsrecht annähern (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 20. März 2002 8 C 2/01, Zeitschrift für offene Vermögensfragen --ZOV-- 2002, 243).
bb) Geschädigte Gesellschafter i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG sind bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis, bei dem die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft einem schädigenden Ereignis unterlag, die Gesellschafter oder Anteilseigner der Muttergesellschaft (BVerwG-Urteil vom 28. April 2004 8 C 12/03, BVerwGE 120, 362; BVerwG-Beschluss vom 25. Juli 2007 8 B 9/07, Buchholz 428, § 3 VermG Nr. 68).
Bei Mutter-Tochter-Sachverhalten kann zwar in der Schädigung der Muttergesellschaft zugleich eine mittelbare Schädigung der Tochtergesellschaft liegen. Die Muttergesellschaft kann aber nicht über ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft Bruchteilsberechtigte an Unternehmensteilen der Tochtergesellschaft werden (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 120, 362). Es bliebe sonst nämlich unklar, in welchem Verhältnis die Muttergesellschaft in Konkurrenz zu ihren Gesellschaftern Eigentum an dem Vermögensgegenstand erlangen könnte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein derartiger Prätendentenstreit mit der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz gerade ausgeschlossen werden (vgl. BTDrucks 13/7275, S. 44). Obwohl durch die schädigende Maßnahme sowohl die unmittelbare Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft als auch die mittelbare Beteiligung der Gesellschafter der Muttergesellschaft und damit Vermögenswerte mehrerer Personen (der Muttergesellschaft und deren Gesellschafter) betroffen sind, sind nur die Gesellschafter der Muttergesellschaft restitutionsberechtigt.
e) Im Streitfall ist der Grundstückserwerb der Klägerin nicht gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG von der Grunderwerbsteuer befreit.
aa) Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der E-AG nicht Berechtigte i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG. Die schädigende Maßnahme betraf die Beteiligung der E-AG (Muttergesellschaft) an der D-AG (Tochtergesellschaft). Die E-AG musste --wie das FG festgestellt hat-- ihre Aktien aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung nach und nach veräußern. Damit war der schädigende Zugriff auf den Entzug der Beteiligungsrechte der jüdischen Gesellschafter der E-AG gerichtet. Nur diese Gesellschafter und ihre Rechtsnachfolger sind deshalb hinsichtlich des ehemals der D-AG gehörenden Grundstücks restitutionsberechtigt.
bb) Nachdem die Klägerin nicht originäre Inhaberin des Rückübertragungsanspruchs war, kann offen bleiben, ob sie diesen rechtsgeschäftlich durch die Erklärung vom 6. April 1999 erworben hat oder ob das LARoV wegen fehlender Willenserklärungen der Erbengemeinschaft B und der Klägerin sowie wegen einer fehlenden notariellen Beurkundung der Abtretungserklärungen unzutreffend von einer wirksamen Abtretung ausgegangen ist.
Entgegen der Auffassung des FG besteht jedenfalls keine Bindung an die im Bescheid vom 25. November 2002 (unter I.1. und II.3.) vertretene Auffassung des LARoV, die Erbengemeinschaft B habe ihre Restitutionsansprüche an die Klägerin abgetreten. Dem § 34 Abs. 3 VermG kann nicht entnommen werden, dass etwa aus verwaltungs- oder verfahrensökonomischen Gründen die Beurteilung der für die Restitutionsentscheidung zuständigen Behörde auch für die Finanzbehörde, die über die Grunderwerbsteuerbefreiung zu befinden hat, vorgreiflich oder gar bindend ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2004 II R 43/02, BFH/NV 2005, 242).
2. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG liegen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.
a) Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 47/09, BFHE 230, 563, BStBl II 2011, 589, m.w.N.).
b) § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG enthält keine ungewollte Regelungslücke hinsichtlich des Falles, dass nach dem VermG der Restitutionsanspruch den ehemaligen Gesellschaftern einer Gesellschaft bzw. deren Erben zusteht, das Grundstück jedoch nach einer Einigung der Restitutionsberechtigten mit der Gesellschaft durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt auf die Gesellschaft übertragen wird. Vielmehr entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, dass bei diesem Sachverhalt nur der Erwerb der Gesellschafter bzw. deren Erben, nicht jedoch der lediglich derivativ berechtigten Gesellschaft von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
3. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG auch demjenigen Geschädigten zu gewähren ist, dessen Restitutionsanspruch gemäß § 3 Abs. 2 VermG als nachrangig zurücktritt.
§ 3 Abs. 2 VermG regelt für Fälle konkurrierender Restitutionsansprüche, dass derjenige als Berechtigter gilt, der von einer Maßnahme nach § 1 VermG als Erster betroffen war (BVerwG-Beschluss vom 29. Dezember 2010 8 B 31/10, ZOV 2011, 86). Ein derartiger Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor. Denn es bestehen --wie bereits ausgeführt-- wegen § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG keine konkurrierenden Restitutionsansprüche.
4. Das Urteil des FG war aufzuheben. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass als Bemessungsgrundlage der festgestellte Grundbesitzwert in Höhe von 680.000 € nach § 8 Abs. 2 GrEStG maßgeblich ist. Denn die Klägerin war nach der gütlichen Einigung vom 15. Oktober 2002 und dem Bescheid vom 25. November 2002 zu Gegenleistungen für den Erwerb des Grundstücks verpflichtet. Der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts entfaltet hinsichtlich der Frage, ob die Steuer nach dem festgestellten Wert oder der Gegenleistung zu bemessen ist, keine bindende Wirkung (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2005 II B 155/03, BFH/NV 2005, 2053).
a) Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1998 II R 13/96, BFH/NV 1999, 666). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein.
b) Bei einem steuerpflichtigen Grundstückserwerb aufgrund des VermG gehören zur Gegenleistung insbesondere die für den Grundstückserwerb anfallenden Zahlungen an den bisherigen Verfügungsberechtigten, der durch die unanfechtbare Entscheidung des LARoV sein Eigentum am Grundstück verliert, und die Zahlungen, die aufgrund der Bestimmungen des VermG an Dritte zu leisten sind. Dazu zählt auch die an die Bundesrepublik nach § 7a Abs. 2 VermG zu erbringende Gegenleistung für untergegangene Uraltpfandrechte. Die vom Berechtigten für den Grundstückserwerb geleisteten Zahlungen sind auch dann als Bemessungsgrundlage maßgeblich, wenn sie weit unter dem Verkehrswert liegen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186, zum Grundstückserwerb eines Gesellschafters).
c) Dagegen ist der Grundbesitzwert i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 des Bewertungsgesetzes nur dann Bemessungsgrundlage, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG), bei Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes, bei Einbringungen oder bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) sowie in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG).
Der hier allein in Betracht kommende § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG setzt --vom Fall der vorhandenen, aber nicht zu ermittelnden Gegenleistung abgesehen-- voraus, dass eine Gegenleistung überhaupt nicht vorhanden ist oder das vereinbarte Entgelt nicht zur steuerlichen Gegenleistung gehört (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 159/81, BFHE 141, 299, BStBl II 1984, 627; BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 54/02, BFHE 201, 326, BStBl II 2003, 483). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin war --wie aus dem Bescheid des LARoV vom 25. November 2002 und aus der gütlichen Einigung vom 15. Oktober 2002 ersichtlich ist-- zur Erbringung von Gegenleistungen für den Erwerb des Grundstücks verpflichtet. An die H-GmbH sollte sie einen Ausgleichsbetrag von 33.000 €, für die Mühewaltung im Zusammenhang mit der Durchführung des Restitutionsverfahrens 2.556,46 € und als Ersatz für geleistete Eigenmittel 130.973,08 € zahlen. An die Bundesrepublik war ein Betrag in Höhe von 1.815,09 € zu entrichten.
d) Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat noch nicht festgestellt, welche Gegenleistungen von der Klägerin insgesamt zu erbringen waren. Das FG wird insbesondere noch zu prüfen haben, ob die Klägerin im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb auch Darlehensverbindlichkeiten übernommen hat. Die Gegenleistung würde sich bei einer entsprechenden Verpflichtung der Klägerin insoweit erhöhen. Weiter ist zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Leistung von 18.150,86 € für die mit Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöschten grundbuchlichen Belastungen (§ 5 Abs. 3 der gütlichen Einigung) im Bescheid vom 25. November 2002 auf 1.815,09 € vermindert wurde. In diesem Falle wäre nur der Betrag von 1.815,09 € in die Gegenleistung einzubeziehen.