Entscheidungsdatum: 08.10.2010
1. NV: Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters gegenüber dem Prozessbevollmächtigten eines Verfahrensbeteiligten können die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn die ablehnende Einstellung des Richters zum Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beteiligten in Erscheinung getreten ist .
2. NV: Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert. Aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch folgt zwar das Gebot einer zumindest einmaligen Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere derjenigen gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG; jedoch muss diese Kontrolle nicht zwingend durch eine höhere Instanz erfolgen .
3. NV: Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass Streifragen, die die Steuerbilanz betreffen, in einem die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für Stichtage ab dem 1. Januar 1993 bis zum 1. Januar 1997 betreffenden gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden können .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) schlüssig dargelegt. Der geltend gemachte Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.
1. Die Klägerin rügt als Verfahrensfehler, das Finanzgericht (FG) sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 119 Nr. 1 FGO). Bei dem angefochtenen Urteil habe zu Unrecht ein abgelehnter Richter mitgewirkt, weil der Befangenheitsantrag greifbar gesetzwidrig und objektiv willkürlich zurückgewiesen worden sei. Zwar kann die Zulassung der Revision wegen einer Vorenthaltung des gesetzlichen Richters durch eine greifbar gesetzwidrige Ablehnung eines Befangenheitsantrags erreicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH--- vom 15. Dezember 2009 VIII B 211/08, BFH/NV 2010, 663, m.w.N.). Im Streitfall sind aber keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin willkürlich zurückgewiesen wurde.
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund besteht, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus --jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung-- davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen, sondern unsachlich oder willkürlich entscheiden. Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2001 IV B 118/00, BFH/NV 2001, 1431, m.w.N.). Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen. Das gilt auch bei Äußerungen gegenüber dem Prozessbevollmächtigten eines Verfahrensbeteiligten, wenn die ablehnende Einstellung des Richters zum Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beteiligten in Erscheinung getreten ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1431, m.w.N.)
Ob die Entscheidung eines Gerichts über ein Ablehnungsgesuch auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG--- vom 20. Juli 2007 1 BvR 3084/06, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2008, 72, unter II.1.a).
b) Das FG hat bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Klägerin die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Befangenheit zugrunde gelegt und dabei sowohl die Darstellung des zur Ablehnung führenden Telefonats durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin als auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters hierzu gewürdigt. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung ergibt sich hieraus nicht. Die Befangenheit des abgelehnten Richters soll nach Auffassung der Klägerin darauf beruhen, dass der Richter anlässlich eines Telefonats mit ihrem Prozessbevollmächtigten geäußert habe, dass er den Prozessbevollmächtigten als kompetenten Gesprächspartner schätze, und nach dem Dank des Prozessbevollmächtigten dann sinngemäß geantwortet habe, "er würde auch seinem Feind den diesem gebührenden Respekt nicht verweigern". Auf die Erwiderung des Prozessbevollmächtigten, dass er doch nicht sein Feind sei, wie er denn darauf komme, sei der Richter nicht eingegangen. Das von der Klägerin daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch wurde ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen und damit begründet, dass sich die Äußerung "einem Feind" oder "meinem Feind" nicht auf den Prozessbevollmächtigten, sondern auf einen fiktiven Dritten bezogen habe, diese Äußerung im Zusammenhang mit der Kundgabe einer positiven Wertschätzung des Richters gegenüber dem Prozessbevollmächtigten gefallen sei und allein die fehlende Antwort des Richters auf die vom Prozessbevollmächtigten erbetene Erläuterung keine Voreingenommenheit des Richters gegenüber der Klägerin begründen könne. Andere Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung des Richters gegenüber der Klägerin seien weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar geworden. Aufgrund dieser Umstände konnte das FG davon ausgehen, dass das Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter bei verständiger Betrachtung nicht geeignet war, die Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Klägerin zu begründen.
Die Rüge der Klägerin, das FG habe sich einer angemessenen Feststellung des zu beurteilenden Sachverhalts verweigert und sei Zweifeln an der Sachverhaltsdarstellung in der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters nicht nachgegangen, ist unberechtigt. Das FG hat im Beschluss vom 16. Januar 2009 6 K 491/06, mit dem das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wurde, zu den unterschiedlichen Sachverhaltsschilderungen bezüglich der Frage, ob der Prozessbevollmächtigte eine nähere Erläuterung zu der vom Richter verwendeten Wortwahl "Feind" erbeten habe, Stellung genommen (unter II.2.c der Gründe). Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befangenheit gegenüber der Klägerin nicht gegeben sei, selbst wenn der abgelehnte Richter --entsprechend der Darstellung des Prozessbevollmächtigten-- aufgrund der Äußerung entstandene Irritationen des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt habe. Diese Würdigung ist möglich und kann daher nicht als willkürlich angesehen werden.
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen klärungsbedürftig bzw. in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sind.
a) Die Klägerin sieht als klärungsbedürftig an, ob "§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 128 Abs. 2 FGO verfassungswidrig sei, soweit die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen über Befangenheitsanträge gegen Gerichtspersonen im Rahmen eines Revisionsverfahrens ausgeschlossen sei, über die nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO von dem Spruchkörper entschieden worden sei, dem der abgelehnte Richter angehöre, und deren unmittelbare Anfechtbarkeit nach § 128 Abs. 2 FGO ausgeschlossen sei".
Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Dezember 2008 VII B 65/08, BFH/NV 2009, 707, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist ein Instanzenzug von Verfassungs wegen nicht garantiert (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. April 2003 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, unter C.I.2.a). Aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch folgt zwar das Gebot einer zumindest einmaligen Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere derjenigen gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG; jedoch muss diese Kontrolle nicht zwingend durch eine höhere Instanz erfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 395, unter C.I.2.c). Die Verfahrensgrundrechte sollen gewährleisten, dass die richterliche Entscheidung willkürfrei durch eine nach objektiven Kriterien bestimmte Instanz auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage und auf Grund einer unvoreingenommenen rechtlichen Würdigung unter Einbeziehung des Vortrags der Parteien ergeht. Überprüfen die unabhängigen Gerichte in diesem Rahmen einen Vorgang auf rechtliche Fehler und begehen sie dabei keinen neuen eigenständigen Verstoß gegen die grundgesetzlichen Verfahrensgarantien, ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht mehr durch eine weitere Instanz auf Fehler hin überprüft werden kann. Dementsprechend hat es der Bundesgerichtshof (BGH) als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, dass über ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit eines oder mehrerer Richter eines Oberlandesgerichts durch andere Richter dieses Gerichts abschließend entschieden wird und eine nochmalige Überprüfung dieses Gesuchs wegen § 557 Abs. 2 i.V.m. § 522 Abs. 3 und 2 Satz 1 ZPO durch ein Rechtsmittelgericht nicht stattfindet (vgl. BGH-Beschluss vom 8. November 2004 II ZB 24/03, NJW-RR 2005, 294). Im Übrigen erfolgt im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH eine eingeschränkte Überprüfung der Entscheidung des FG über das Ablehnungsgesuch im Hinblick darauf, ob der Befangenheitsantrag greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich zurückgewiesen wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 663, m.w.N.).
Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit ein über diese Rechtsprechung hinausgehender zusätzlicher Klärungsbedarf besteht.
b) Die Klägerin hat weiter die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die erstmalige höchstrichterliche Entscheidung einer abstrakten außersteuerlichen Rechtsfrage in einem Verfahren, an dem der Steuerpflichtige selbst nicht beteiligt ist, eine ansatz- oder wertbegründende Tatsache sein kann, die eine Passivierung von Verbindlichkeiten bei dem am Rechtsstreit nicht beteiligten Steuerpflichtigen rechtfertigen kann.
Insoweit fehlt es an einer Darlegung, dass die Rechtsfrage in dem Verfahren wegen Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1996 geklärt werden könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Streitfragen, die die Steuerbilanz betreffen, in einem die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für Stichtage ab dem 1. Januar 1993 bis zum 1. Januar 1997 betreffenden gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden (BFH-Urteil vom 11. März 2008 II R 84/05, BFH/NV 2008, 1454, m.w.N.). Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden sind gemäß §§ 109 Abs. 1, 109a des Bewertungsgesetzes (in der bis 31. Oktober 1997 geltenden Fassung) in der Vermögensaufstellung für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter die Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach maßgebend (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2000 II R 58/98, BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92; vom 31. März 2004 II R 67/01, BFH/NV 2004, 1074). Diese --speziell die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betreffende-- Bindung an die Steuerbilanz ist eine rein formale. Sie besteht unabhängig davon, ob die Bilanzansätze nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zutreffend sind. Ein Streit über den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter kann daher nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern ausgetragen werden. Kommt es für ertragsteuerrechtliche Zwecke zu einer Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung, erstreckt sich die Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auch auf die neuen Steuerbilanzwerte. Die Aufhebung oder Änderung eines Einheitswertbescheids kann insoweit erst erfolgen, wenn es für ertragsteuerrechtliche Zwecke zu einer Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung gekommen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1454).
Mit dieser Rechtsprechung hat sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auseinander gesetzt. Dies war nicht deshalb entbehrlich, weil das FG diese Rechtsprechung seiner Entscheidung nicht zugrundegelegt hat. Denn eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass die aufgeworfene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren auch geklärt werden könnte (BFH-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, BFH/NV 2010, 1469). Daran fehlt es im Streitfall.
3. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen Divergenz bzw. wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers kommt im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zur Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte im Verfahren wegen Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1996 (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1454) ebenfalls nicht in Betracht. Es kann dahinstehen, ob die Zulassungsgründe überhaupt schlüssig dargelegt worden sind. Denn eine Zulassung der Revision scheidet schon deshalb aus, weil eine möglicherweise fehlerhafte Bilanzierung von Verbindlichkeiten der Klägerin und die Frage der Bilanzberichtigung bzw. der Bilanzänderung im anhängigen Verfahren wegen Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1996 nicht entscheidungserheblich sind.