Entscheidungsdatum: 19.03.2010
1. NV: Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kaufvertrag und Bauvertrag ist indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt .
2. NV: Ein solches einheitliches Angebot setzt nicht voraus, dass es in einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wird .
3. NV: Für einen grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Leistungsgegenstand ist ausreichend, wenn die Einbindung des Grundstücksverkäufers über einen von ihm als Mittelsperson eingeschalteten Dritten herbeigeführt wird .
I. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erteilten der P-GmbH am 11. Dezember 2005 einen Bauauftrag zur Errichtung einer Stadtvilla zum Preis von 215.060 € auf dem Grundstück in X-Stadt, L-Strasse. Dieses Grundstück erwarben die Antragsteller durch notariell beurkundeten Vertrag vom 14. Dezember 2005 als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte von dem im Notartermin durch L vertretenen Verkäufer (V) zum Preis von 150.000 €. V hatte L am 6. Dezember 2005 eine dieses Grundstück betreffende Verkaufsvollmacht erteilt. Bereits am 1. Dezember 2005 hatte die P-GmbH mit der B-GmbH, vertreten durch L, einen Vertriebs- und Vermittlungsvertrag geschlossen. Hiernach sollte die B-GmbH als Vertriebspartner der P-GmbH dieser in ihrem Auftragsbestand befindliche Baugrundstücke und Bauinteressenten benennen. Die P-GmbH hatte der B-GmbH im Fall eines Vertragsabschlusses mit von der B-GmbH Benannten eine Vergütung in Höhe von 5 v.H. der Auftragssumme zu zahlen; entsprechend dieser Vergütungsvereinbarung sind die P-GmbH und B-GmbH hinsichtlich des von den Antragstellern erteilten Bauauftrags verfahren.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) nahm an, es liege ein aus Grundstück und Gebäude bestehender einheitlicher Erwerbsgegenstand vor und setzte gegen die Antragsteller durch Bescheide vom 25. September 2006 Grunderwerbsteuer in Höhe von jeweils 6.388 € fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Den von den Antragstellern in dem noch nicht abgeschlossenen Klageverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Grunderwerbsteuerbescheide in Höhe des jeweils 2.625 € übersteigenden Betrags lehnte das FA ab.
Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag auf AdV entsprochen. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Antragsteller im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite hinsichtlich des Bauerrichtungsvertrags gebunden gewesen seien. Selbst wenn eine enge wirtschaftliche Verbindung der auf der Veräußererseite aufgetretenen Personen bejaht würde, fehle es an einer für die Antragsteller objektiv erkennbaren Verflechtung zwischen L bzw. der B-GmbH und der P-GmbH; ohne eine solche objektiv erkennbare Verflechtung könne kein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliegen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde hält das FA daran fest, dass die Voraussetzungen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsvorgangs wegen des Zusammenwirkens der Veräußererseite vorlägen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG Berlin-Brandenburg vom 22. Juli 2009 11 V 11057/09 den Antrag auf AdV abzulehnen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf AdV.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtordnung (FGO) soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. An der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen ernstliche Zweifel, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juni 2006 II B 148/05, BFH/NV 2006, 1627; vom 30. Oktober 2008 II B 58/08, BFH/NV 2009, 418).
2. Bei der gebotenen summarischen Betrachtung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheide.
a) Der für den Umfang der Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes --GrEStG--) maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Leistungsgegenstand (BFH-Entscheidungen vom 2. März 2006 II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880; vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, jeweils m.w.N.).
aa) Der sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde (BFH-Urteile vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, unter II.3.a; vom 23. August 2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760).
Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 72/87, BFH/NV 1991, 344; vom 6. Dezember 1989 II R 145/87, BFH/NV 1991, 345, und in BFH/NV 2007, 760) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, jeweils m.w.N.).
bb) Darüber hinaus wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt (BFH-Urteil in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, m.w.N.).
Die durch die Annahme eines solchen einheitlichen Angebots ausgelöste Indizwirkung für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Kauf- und Bauvertrag gilt auch dann, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten. Denn die Abgabe eines einheitlichen Angebots durch eine von mehreren auf der Veräußererseite handelnden Personen ist kaum denkbar, ohne dass dem eine Abstimmung mit den übrigen Personen zugrunde liegt oder das Grundstück dem Handelnden vom Eigentümer anderweitig "an die Hand" gegeben worden ist.
b) Im Streitfall waren die Antragsteller bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags am 14. Dezember 2005 bereits an den zuvor am 11. Dezember 2005 geschlossenen Gebäudeerrichtungsvertrag mit der P-GmbH gebunden und damit in ihrer Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung nicht mehr frei. Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, es sei ein diesen Vertragschlüssen zugrunde liegendes einheitliches Angebot der Veräußererseite nicht ersichtlich. Der Senat würdigt den diesen Vertragsabschlüssen zugrunde liegenden Sachverhalt vielmehr dahin gehend, dass die Antragsteller insoweit ein einheitliches Angebot der Veräußererseite angenommen haben, dessen Gegenstand aufgrund einer bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf dem von den Klägern erworbenen Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis war. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches einheitliches Angebot ergeben sich schon aus der bei Abschluss des Bauvertrags am 11. Dezember 2005 vorliegenden, auf das Kaufgrundstück zugeschnittenen Bauplanung. Die zeitliche Reihenfolge der Vertragsabschlüsse entsprach auch den wirtschaftlichen Interessen des L bzw. der B-GmbH, weil L auf diesem Wege den Eintritt der Voraussetzungen sicherstellen konnte, die für die B-GmbH einen Provisionsanspruch gegenüber der P-GmbH entsprechend dem Vertriebs- und Vermittlungsvertrag vom 1. Dezember 2005 begründeten.
c) Im Streitfall greifen ferner die Indizwirkungen eines einheitlichen Angebots. Für das Vorliegen eines derartigen einheitlichen Angebots ist es nicht erforderlich, dass es in einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wird (BFH-Urteil vom 29. Juli 2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63, m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass das Angebot von der Veräußererseite stammt. Dies ist vorliegend der Fall, weil L das Grundstück aufgrund der ihm von V erteilten Verkaufsvollmacht vom 6. Dezember 2005 und des mit der P-GmbH bestehenden Vertriebs- und Vermittlungsvertrags vom 1. Dezember 2005 zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbieten konnte. Dieses Angebot haben die Antragsteller durch die Vertragsabschlüsse vom 11. und 14. Dezember 2005 angenommen.
d) Die Antragsteller haben die durch Annahme des einheitlichen Angebots indizierte Einheitlichkeit des Erwerbsgegenstands nicht durch substantiiertes Vorbringen erschüttert. Es ist unerheblich, dass V und die P-GmbH untereinander keine Absprachen getroffen haben und auch nicht unmittelbar beim Absatz des Grundstücks in einem durch die P-GmbH zu bebauenden Zustand zusammengewirkt haben. Für einen grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Leistungsgegenstand ist ausreichend, wenn die Einbindung des Grundstücksverkäufers über einen von ihm als Mittelsperson eingeschalteten Dritten --im Streitfall L bzw. die B-GmbH-- herbeigeführt wird (BFH-Urteil vom 31. März 2004 II R 62/01, nicht amtlich veröffentlicht). Ferner ist es für das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands unerheblich, ob die P-GmbH die geplante Bebauung des Grundstücks an den Vorgaben der Antragsteller ausgerichtet hat (vgl. BFH-Beschluss vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, m.w.N.).
Schließlich steht dem einheitlichen Erwerbsgegenstand auch nicht entgegen, dass --wie vom FG angenommen-- für die Antragsteller die wirtschaftliche Verflechtung zwischen L, der B-GmbH und der P-GmbH nicht objektiv erkennbar war. Bei der Annahme eines einheitlichen Angebots --wie hier-- ist das abgestimmte Verhalten der auf der Veräußererseite auftretenden Personen objektiv erkennbar.