Entscheidungsdatum: 25.09.2018
1. NV: § 23 ErbStG ist auf den Erwerb erbbaurechtsbelasteter Grundstücke nicht anwendbar (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung).
2. NV: Mit Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts kann der Erbschaftsteuerbescheid als Folgebescheid nicht erfolgreich angegriffen werden.
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Dezember 2017 14 K 14208/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrem am 24. Dezember 2014 verstorbenen Ehemann (E). Dieser war Alleinerbe nach seinem am 23. Mai 2009 verstorbenen Bruder (B). Zu dessen Nachlass gehörten zwei mit einem Erbbaurecht zugunsten Dritter belastete Grundstücke, die jeweils bebaut waren. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte nach zweimaligen Änderungen unter Berufung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) wegen gesonderter Feststellungen der Grundbesitzwerte die Erbschaftsteuer gegenüber E auf 81.420 € fest. Der Einspruch sowie der nach dem Tode des E von der Klägerin gestellte Antrag nach § 163 AO und der Einspruch hiergegen blieben erfolglos, ebenso die Klage. Die Klägerin hatte geltend gemacht, E habe mit dem erbbaurechtsbelasteten Grundstück den Erbbauzinsanspruch erworben. Angesichts seines Alters sei aber zu erwarten gewesen, dass er das Ende der Erbbaurechtsverträge nicht mehr erleben würde. Dies gebiete eine entsprechende Anwendung des § 23 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG), hilfsweise eine abweichende Festsetzung nach § 163 AO insoweit, als die Feststellung der Grundbesitzwerte eine über den 24. Dezember 2014 hinausgehende Laufzeit der Erbbaurechtsverträge zugrunde lege.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage in Anlehnung an den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. August 2003 II B 70/03 (BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944) abgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beanstandet die Klägerin zunächst die Wertfeststellungen, die am gemeinen Wert und damit am Verkehrswert orientiert seien und dabei außer Acht ließen, dass die Erbschaftsteuer eine Erbanfallsteuer sei, die nicht den Nachlass als solchen, sondern die beim jeweiligen Empfänger eintretende Bereicherung besteuere. Wenn Umstände in dessen Person (hier das hohe Alter und die daraus folgende Erwartung, die Erbbauzinsen nicht mehr über ihre volle Laufzeit einnehmen zu können) dem Verkehrswert als Leitbild offenkundig widersprächen, sei die Belastung mit Erbschaftsteuer systemwidrig. Gesetzliche Korrektive gebe es nicht, da die Anwendung von § 27 ErbStG auf Erwerber der Steuerklasse I beschränkt sei.
Nachdem der Gesetzgeber mittlerweile verschiedentlich an die objektiv erwartbare Ertragslaufzeit angeknüpft habe, so in § 193 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie in § 185 Abs. 3 Satz 2 BewG, stelle sich die Frage, ob die unter Heranziehung des Ertragswertverfahrens am gemeinen Wert erfolgende Bewertung des Erbbaugrundstücks durch analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG oder durch Erlass gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO korrigiert werden könne, wenn die Lebenserwartung des Erben am Bewertungsstichtag hinter der Vertragslaufzeit des verbleibenden Erbbauzinsanspruchs zurückbleibe und damit der Erbanfall aus seiner subjektiven Sicht niedriger zu bewerten sei, als das Bewertungsrecht gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG vorgebe.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
II.
Die Beschwerde ist, soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, unbegründet.
1. Soweit sich die Klägerin unmittelbar gegen die der Erbschaftsteuerfestsetzung nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG zugrunde liegenden Feststellungen der Grundbesitzwerte i.S. des § 157 BewG wendet, hat die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg, weil damit kein Zulassungsgrund bezogen auf die Erbschaftsteuerfestsetzung geltend gemacht werden kann. Die Wertfeststellungen als solche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Die Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist, wie sich aus der dortigen ausdrücklichen Bezugnahme ergibt, eine Feststellung i.S. des § 179 AO, die wiederum nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für die jeweiligen Folgebescheide bindend ist. Einwendungen, die sich auf die gesonderte Wertfeststellung beziehen (hier auf die Frage, ob der Wert mit Rücksicht auf die Lebenserwartung des Erben zu korrigieren ist) können daher im Verfahren betreffend die Erbschaftsteuer nicht entschieden werden.
2. Die seitens der Klägerin aufgeworfene Frage nach einer analogen Anwendung des § 23 ErbStG im Erbschaftsteuerfestsetzungsverfahren hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es bedarf keiner Klärung, dass § 23 ErbStG auf den Erwerb erbbaurechtsbelasteter Grundstücke nicht anwendbar ist.
a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ist die Rechtslage eindeutig, bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2017 II B 16/17, BFH/NV 2017, 1611). Das gilt auch dann, wenn sie bereits durch den BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. September 1999 II B 130/97, BFH/NV 2000, 320).
b) Nach diesen Maßstäben ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Mit Beschluss vom 29. August 2003 II B 70/03 (BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944, unter II.2.) hat der BFH es für nicht ernstlich zweifelhaft gehalten, dass § 23 ErbStG auf die freigebige Zuwendung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke nicht anwendbar ist.
Die Grundsätze dieses Beschlusses sind auch für die Rechtslage zum streitigen Stichtag 23. Mai 2009 unverändert anwendbar, da die gesetzlichen Vorschriften, soweit sie für die Beurteilung der Frage maßgebend sind, den vom BFH bereits beurteilten Vorschriften im inhaltlichen Kern entsprechen.
aa) Als steuerpflichtiger Erwerb war in dem vom BFH in BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944, entschiedenen Fall nur das erbbaurechtsbelastete Grundstück anzusetzen, während der Erbbauzinsanspruch außer Ansatz blieb. § 148 Abs. 1 Satz 3 BewG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 sah ausdrücklich vor, dass das Recht auf den Erbbauzins weder als Bestandteil des Grundstücks noch als gesondertes Recht anzusetzen und dementsprechend die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses weder bei der Bewertung des Erbbaurechts noch als gesonderte Verpflichtung abzuziehen war.
Der Wert des mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks betrug das 18,6fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses. Dieser Umstand eröffnete jedoch nicht das Besteuerungswahlrecht des § 23 ErbStG, da sich dieses allein auf den Erwerbsgegenstand und nicht auf die Bewertungsmethode bezog (BFH-Beschluss in BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944).
bb) Nach § 194 BewG in der für Bewertungsstichtage nach dem 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (vgl. § 205 Abs. 1 BewG) ist der Wert des Erbbaugrundstücks unter Einbeziehung des kapitalisierten Erbbauzinses zu berechnen (vgl. § 194 Abs. 3 und 2 BewG), wenn auch mit einer gegenüber § 148 Abs. 1 BewG i.d.F. des JStG 1997 deutlich veränderten Methode.
cc) Durch den Erbanfall hatte E zwar das Recht auf den Erbbauzins erworben. Dieser Anspruch wurde aber vom FA nicht als steuerpflichtiger Erwerb der Erbschaftsteuer unterworfen. Besteuert wurde nur der Wert der von Todes wegen erworbenen erbbaurechtsbelasteten Grundstücke. Diese Grundstücke sind nicht Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gleichzusetzen, selbst wenn mit dem Erwerb der Grundstücke der Anspruch auf den Erbbauzins verbunden ist. Erwerbsgegenstand bleiben die Grundstücke. Damit kommt eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht in Betracht.
3. Die Beschwerde kann auch im Hinblick auf die Billigkeitsfestsetzung keinen Erfolg haben, weil die Rechtslage eindeutig ist und keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Eine Billigkeitsfestsetzung nach den von der Klägerin begehrten Grundsätzen wäre unzulässig.
a) Zunächst würde § 157 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 20 Satz 2 BewG umgangen, wenn im Rahmen des Folgebescheids eine Billigkeitsentscheidung getroffen würde, die allein auf abweichenden Wertvorstellungen beruht. Eine abweichende Wertfeststellung im Billigkeitswege wäre im Grundlagenbescheid unzulässig. Durch Billigkeitsmaßnahmen im Folgebescheidsverfahren darf daher nicht ein der unzulässigen Wertfeststellung im Billigkeitswege entsprechendes Ergebnis erzielt werden.
b) Im Übrigen ist in der Sache der Wert des Erbbauzinsanspruchs offenkundig nicht auf die Lebenszeit des Eigentümers des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks beschränkt oder entsprechend wertgemindert. Der Anspruch ist unabhängig von der Lebenszeit veräußerbar, beleihbar und vererbbar und stellt folglich auch subjektiv für den Erwerber einen höheren Wert dar als er einer etwa geringeren Lebenserwartung entspricht. Ob der Erwerber von der Möglichkeit der sofortigen Verwertung Gebrauch macht oder den Anspruch seinerseits weitervererben will, hat hierauf keinen Einfluss.
c) Auch § 23 ErbStG kann nicht im Billigkeitswege angewandt werden. Die Vorschrift hat zwar auf die Bewertung selbst keinen Einfluss, sondern mildert nur die Rechtsfolgen der Kapitalisierung von wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen. Sie ist aber aus den unter II.2. dargestellten Gründen von Gesetzes wegen nicht anwendbar.
d) Der Rechtsgedanke des § 27 ErbStG kann schließlich auch nicht im Billigkeitswege herangezogen werden. Zum einen dürfte durch eine Billigkeitsregelung die ausdrückliche gesetzliche Beschränkung auf die Personen der Steuerklasse I nicht umgangen werden. Vor allem aber begünstigt die Vorschrift nicht den Vorerwerb, sondern nur den zweiten Erwerb. Da erst zum Zeitpunkt des zweiten Erwerbs beurteilt werden kann, ob die maßgebenden Zeiten der Tabelle in § 27 Abs. 1 ErbStG unterschritten sind, wäre eine Vergünstigung beim Vorerwerb in Anlehnung an diese Vorschrift eine Verkehrung des Systems. Streitgegenstand ist aber im Streitfall der Vorerwerb, nämlich der Erwerb des E als Erbe nach B, nicht der Erwerb der Klägerin als Erbin nach E. Die Klägerin ist lediglich kraft Rechtsnachfolge Verfahrensbeteiligte geworden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.