Entscheidungsdatum: 10.12.2012
NV: Ein Finanzamt mit sachlicher Sonderzuständigkeit (z. B. für Erbschaft- und Schenkungsteuer) kann ein anderes Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung im Bereich der Sonderzuständigkeit beauftragen .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllen, nicht vor.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
a) Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO bedarf es substantiierter Ausführungen dazu, dass die Beurteilung der für den Streitfall maßgeblichen abstrakten Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss dargelegt werden, dass es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handelt, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, BFH/NV 2010, 1469, m.w.N.). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Be-dürfnis nach Klärung der Rechtsfrage besteht, wenn diese sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hin-reichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Un-sicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforder-lich ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1469).
b) Die Klägerin hat die Rechtsfrage aufgeworfen, ob eine Prüfungsverlagerung im Wege des Prüfungsauftrags von einem sachlich speziell zuständigen Finanzamt, das Prüfungen selbst durchführt, rechtlich zulässig ist oder vielmehr eine erhebliche Ermessensüberschreitung darstellt und unter Umständen sogar zur Nichtigkeit führt. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Aus § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ergibt sich, dass ein solcher Prüfungsauftrag zulässig ist.
aa) Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Sie können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO).
§ 195 Satz 2 AO ermöglicht die Beauftragung eines anderen Finanzamts mit der Außenprüfung auch im Falle einer sachlichen Sonderzuständigkeit des beauftragenden Finanzamts (Gosch in Beermann/Gosch, AO § 195 Rz 39; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 195 Rz 11; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 195 AO Rz 22; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 195 AO Rz 7). Gemäß § 16 AO richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG). Soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird, kann die zuständige Landesregierung nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG durch Rechtsverordnung einem Finanzamt Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter, etwa eine sachliche Sonderzuständigkeit für einzelne Steuerarten, übertragen (Seer, a.a.O., § 17 FVG, Rz 5). Hat ein Bundesland hiervon Gebrauch gemacht, folgt daraus jedoch nicht, dass das mit der sachlichen Sonderzuständigkeit betraute Finanzamt im Einzelfall nicht mehr ein anderes Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung im Bereich seiner Sonderzuständigkeit beauftragen darf. Denn § 195 Satz 2 AO stellt insoweit eine andere Bestimmung i.S. von § 16 AO dar, die im gleichen Rang wie § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG i.V.m. der jeweiligen landes-rechtlichen Rechtsverordnung steht und von dieser Vorschrift nicht berührt wird.
bb) Auch Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen dafür, dass ein mit sachlicher Sonderzuständigkeit ausgestattetes Finanzamt im Einzelfall ein anderes Finanzamt mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragen kann. Die Sonderzuweisung der sachlichen Zuständigkeit für eine bestimmte Steuerart auf ein Finanzamt bezweckt die Steigerung der Effizienz durch die Zusammenfassung von Sachkenntnissen und Mitteln und einen geringeren Kostenaufwand (Seer, a.a.O., § 17 FVG Rz 5). Diesen Gesichtspunkten wird auch dann Rechnung getragen, wenn im Einzelfall eine Auftragsprüfung durch ein sachlich nicht zuständiges Finanzamt stattfindet. Denn durch einen Prüfungsauftrag nach § 195 Satz 2 AO wird die Prüfungszuständigkeit des an sich sachlich zur Prüfung berufenen Finanzamts nicht verlagert. Dieses nimmt seine Zuständigkeit lediglich für eine bestimmte Prüfung nicht in Anspruch. Folge hiervon ist, dass bei einem Prüfungsauftrag nach § 195 Satz 2 AO dem beauftragten Finanzamt nicht die Entscheidung darüber überlassen werden kann, ob und in welchem Umfang die Außenprüfung durchgeführt wird. Vielmehr müssen in der Beauftragung der zu prüfende Steuerpflichtige und der zeitliche und sachliche Umfang der Prüfung festgelegt werden. Das tätig werdende Finanzamt ist hieran gebunden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322).
2. Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist nicht erforderlich.
a) Eine Divergenz liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Urteil bei einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 31. August 2011 II B 14/11, BFH/NV 2012, 59, m.w.N.).
b) Das angefochtene Urteil weicht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Begründungsanforderungen ab, die im Falle des § 195 Satz 2 AO für die Prüfungsanordnung durch das beauftragte Finanzamt gelten.
aa) Nach dem BFH-Urteil in BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322 muss die von dem beauftragten Finanzamt erlassene Prüfungsanordnung einen Hinweis auf den erhaltenen Auftrag zur Vornahme der Prüfung und auch die Gründe für die Übertragung der Prüfung durch das zuständige Finanzamt enthalten, wenn diese dem Steuerpflichtigen nicht bekannt oder ohne weiteres erkennbar sind (vgl. § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO). Der Entschluss der an sich zuständigen Finanzbehörde, die Außenprüfung nicht selbst durchzuführen, sondern einem anderen Finanzamt anzuvertrauen, ist eine Ermessensentscheidung, bei der auf die angestellten Erwägungen hinzuweisen ist.
bb) Das FG hat seiner Entscheidung keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass in der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 die Zweckmäßigkeitserwägungen zur Durchführung der Außenprüfung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin erläutert worden seien und daher die an die Klägerin ergangene Prüfungsanordnung die erforderlichen Hinweise auf die für den Prüfungsauftrag maßgeblichen Ermessenserwägungen enthalten habe. Eine bei Erlass der Prüfungsanordnung unterbliebene Begründung für die Übertragung der Außenprüfung auf ein anderes Finanzamt kann in der Einspruchsentscheidung durch das beauftragte Finanzamt nachgeholt werden (BFH-Urteil in BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322, und BFH-Beschlüsse vom 27. November 2003 I S 11/03, I B 119/03, BFH/NV 2004, 756).
Soweit die Klägerin rügt, dass sich die Ermessenserwägungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) in der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes in § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO beschränkten, aber nicht näher ausführten, aus welchen konkreten Gründen das für die Erbschaft- und Schenkungsteuer speziell zuständige Finanzamt den Prüfungsauftrag erteilt habe, kann sie damit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alterna-tive FGO erreichen. Denn insoweit macht sie in der Sache eine unrichtige Überprüfung der Ermessenserwägungen durch das FG im Rahmen seiner nach § 102 FGO eingeschränkten Prüfungskompetenz geltend. Das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient aber nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2005 II B 38/04, BFH/NV 2005, 900).
3. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des FG zuzulassen.
a) Ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Eine bloße Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung oder die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügen ebenso wenig wie eine Abweichung von der herrschenden Meinung (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 25. Januar 2008 X B 90/07, BFH/NV 2008, 610, und vom 9. Februar 2011 X B 67/10, BFH/NV 2011, 826).
b) Soweit die Klägerin rügt, das angefochtene Urteil beruhe auf einer klaren Verletzung von § 195 Satz 2 i.V.m. §§ 5, 121 Abs. 1 AO, weil das FG das völlige Fehlen einer Begründung zur Ermessensausübung übersehen habe, macht sie zwar die Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung, nicht aber objektive Willkür oder eine auf sachfremden Erwägungen beruhende Entscheidung geltend. Denn das FG ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass die Zweckmäßigkeitserwägungen zur Durchführung der Auftragsprüfung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin in der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 erläutert worden seien. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit des Urteils. Zur Annahme eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers reicht es jedenfalls nicht aus.