Entscheidungsdatum: 27.11.2014
Hohlkammerprofilplatten
Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 1, 3, 13 Abs. 6 UWG aF setzte auch dann ein Handeln zu Wettbewerbszwecken voraus, wenn die Pflichtverletzung in der Lieferung eines Bauprodukts bestand, das der dafür bestehenden allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprach.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. März 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 19. Januar 2005 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Die Beklagte produziert und vertreibt Hohlkammerprofilplatten aus Polycarbonat, die als Dachelemente in Dächer und Wände eingebaut werden. Das Deutsche Institut für Bautechnik erteilte ihr unter dem 4. August 2000 für die Zeit bis zum 31. Januar 2004 eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Platten mit den Typenbezeichnungen "PC 1440-3 B 1" und "PC 1540-3 B 1". Nach der Zulassung musste der Rohstoff der Platten aus der Formmasse Makrolon KU 1-1230 der Herstellerin B. AG in L. bestehen. Die Beklagte lieferte Platten dieses Typs im Jahre 2003 unter anderem für ein Bauvorhaben des Auftraggebers G. . Auf die Ausschreibung, die der Erteilung des Auftrags für das Bauvorhaben vorangegangen war, hatte auch die Klägerin ein Angebot abgegeben.
Die Klägerin hat behauptet, die von der Beklagten gelieferten Platten hätten nicht die Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erfüllt. Es habe sich nicht um schwer entflammbare Baustoffe der Brandschutzklasse B 1 gehandelt. Zudem hätten die Platten nicht, jedenfalls nicht vollständig, aus der Formmasse Makrolon KU 1-1230 bestanden. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe bei der Lieferung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs sowie wegen Irreführung des Auftraggebers wettbewerbswidrig gehandelt.
Soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, begehrt die Klägerin den Ersatz des Gewinns, der ihr dadurch entgangen sei, dass sie den Auftrag G. nicht erhalten habe.
Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug im vollen Umfang erfolglosen Klage in Höhe von 59.848,09 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin war in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Die Beklagte beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
I. Über den Revisionsantrag ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Die Entscheidung beruht allerdings nicht auf der Säumnis, sondern stellt eine Entscheidung in der Sache dar, die ebenso ergangen wäre, wenn die Klägerin in der Revisionsverhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81; Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 34/12, GRUR 2014, 298 Rn. 14 = WRP 2014, 164 - Runes of Magic).
II. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 6 UWG aF unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch sowie wegen Irreführung des Auftragsgebers in Höhe von 59.848,09 € nebst Zinsen als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Zwischen den Parteien habe hinsichtlich des Bauvorhabens G. ein Wettbewerbsverhältnis bestanden. Beide Parteien hätten sich um den Auftrag bemüht. Dass die Klägerin die Anforderungen der Ausschreibung, Material der Brandschutzklasse B 1 zu liefern, nicht habe erfüllen können, ändere daran nichts.
Die Beklagte habe zwar zum Zeitpunkt der Eingehung der Lieferverpflichtung gegenüber G. zugelassenes Material liefern können. Sie habe sich aber dadurch unlauter verhalten, dass sie dem Auftraggeber G. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Durchführung des Vertrags Platten in einer Zusammensetzung geliefert habe, die den Anforderungen der dafür erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprochen habe. Die Beklagte habe ihre vertraglichen Verpflichtungen zumindest fahrlässig verletzt. Ihr wettbewerbswidriges Verhalten sei für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ursächlich gewesen. Die Klägerin hätte den Auftrag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhalten, wenn die Beklagte offengelegt hätte, dass die von ihr gelieferten Paneele der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprochen hätten. Die Beklagte habe deshalb den Gewinn zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entgangen sei, dass der Auftrag hinsichtlich der Paneele zunächst der Beklagten und erst später der Klägerin erteilt worden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei dieser entgangene Gewinn auf 59.848,09 € zu veranschlagen. Der in dieser Höhe begründete Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt, weil diese von den für ihn maßgeblichen Tatsachen erst kurz vor Erhebung ihrer Klage Kenntnis erlangt habe.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des Landgerichts. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bei der Lieferung ihrer Hohlkammerprofilplatten zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne der §§ 1 und 3 UWG aF und damit wettbewerbswidrig gehandelt hat.
1. Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten allein auf das zur Zeit der beanstandeten Handlung geltende Recht ankommt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - I ZR 192/09, GRUR 2012, 402 Rn. 11 = WRP 2012, 450 - Treppenlift; Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 17 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative).
Da das beanstandete Verhalten in das Jahr 2003 fällt, sind ausschließlich die zu dieser Zeit maßgeblichen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften einschlägig (UWG aF). Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die im Streitfall in Rede stehende Vorschrift des § 25 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) eine wettbewerbsbezogene Regelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 1 UWG aF darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03, GRUR 2006, 82 Rn. 22 = WRP 2006, 79 - Betonstahl).
2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe nicht bereits deshalb wettbewerbswidrig gehandelt, weil sie auf die Ausschreibung (Anlage A 9) hin ihr Material PC 1440-3 bzw. PC 1540-3 angeboten habe. Aus der als Anlage A 1 vorgelegten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 4. August 2000 gehe hervor, dass die von der Beklagten angebotenen Materialien die nach der Ausschreibung geforderten Eigenschaften aufgewiesen hätten und gemäß der Baustoffklasse B 1 (DIN 4102-B 1) schwer entflammbar gewesen seien. Die Beklagte sei bei Vertragsschluss in der Lage gewesen, der Zulassung entsprechendes glasklares Material zu liefern. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Das Berufungsgericht hat bei seinen weiteren Ausführungen nicht berücksichtigt, dass die Bestimmungen der §§ 1 und 3 UWG aF ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs voraussetzen. Daran hat sich auch durch das UWG 2004 nichts geändert. Eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 erfordert ebenfalls die Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern (BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 20 - Solarinitiative). Erst durch das UWG 2008 ist der Begriff der Wettbewerbshandlung durch den der geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 ersetzt worden (zur Auslegung der geschäftlichen Handlung insoweit BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 Rn. 17 ff. = WRP 2013, 1183 - Standardisierte Mandatsbearbeitung).
a) Nach §§ 1, 3 UWG aF, auf die es vorliegend allein ankommt, war die Verletzung vertraglicher Pflichten einschließlich der Nicht- oder Schlechterfüllung bei Abwicklung eines Vertragsverhältnisses grundsätzlich kein wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2002 - I ZR 86/00, GRUR 2002, 1093, 1094 = WRP 2003, 975 - Kontostandsauskunft; Urteil vom 11. Januar 2007 - I ZR 87/04, GRUR 2007, 805 Rn. 13 f. = WRP 2007, 1085 - Irreführender Kontoauszug; Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 164/04, GRUR 2007, 987 Rn. 24 = WRP 2007, 1341 - Änderung der Voreinstellung I). Eine Ausnahme war anerkannt, wenn ein Unternehmer die Irreführung seiner Kunden oder ein sonstiges vertragswidriges Verhalten zu Mitteln seines Wettbewerbs machte (BGH, GRUR 2002, 1093, 1094 - Kontostandsauskunft; GRUR 2007, 987 Rn. 36 - Änderung der Voreinstellung I, jeweils mwN). Dasselbe galt, wenn das vertragswidrige Verhalten auf eine Neubegründung oder Erweiterung von Vertragspflichten des Kunden gerichtet war (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 119/06, GRUR 2009, 876 Rn. 14 = WRP 2009, 1086 - Änderung der Voreinstellung II, mwN). Diese Grundsätze sind ebenfalls maßgeblich, wenn - wie vorliegend - ein Anspruch aus §§ 1, 3 UWG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 BauO NRW in Rede steht. Gegenteiliges folgt auch nicht aus der "Betonstahl"-Entscheidung des Senats (BGH, GRUR 2006, 82). In jener Fallkonstellation war ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs nicht zweifelhaft und von den Parteien und dem Senat deshalb nicht weiter problematisiert worden.
b) Im Streitfall kann von einem Handeln der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs dagegen nicht ausgegangen werden.
aa) Das Berufungsgericht hat ein unlauteres Verhalten der Beklagten darin gesehen, dass diese zur Durchführung des Vertrags mit dem Zeugen G. Platten in einer Zusammensetzung geliefert hat, die entgegen ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht den Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entsprochen habe. Anders als in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung vorgesehen, habe das Material der Platten nicht ausschließlich aus Makrolon KU 1-1230 der B. AG bestanden. Dieser Umstand stelle nicht nur eine Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber dem Auftraggeber dar, sondern sei gemäß § 1 UWG aF unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch sowie gemäß § 3 UWG aF wegen Irreführung des Auftraggebers lauterkeitsrechtlich von Bedeutung. Ein Wettbewerbsverstoß sei anzunehmen, wenn in einem Einzelfall gegen die vertragliche und aus Bestimmungen der Landesbauordnung folgende gesetzliche Verpflichtung verstoßen werde, nur einer erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entsprechendes Baumaterial zu verwenden. Der Hintergrund für den Vertragsverstoß spiele keine Rolle, so dass auch "Ausreißer" bei der Produktion grundsätzlich wettbewerbsrechtlich von Belang seien. Mit der Lieferung von Material, das den Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht entspreche und für die baulichen Zwecke, für die es vorgesehen sei, nicht unbedenklich verwendet werden könne, sei zudem eine unlautere Irreführung verbunden.
bb) Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Sie werden den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte im Fall der Lieferung des ausgeschriebenen klaren Materials die Voraussetzungen der bauaufsichtlichen Zulassung erfüllt hätte. Die Änderung hinsichtlich der Farbe, in der das gelieferte Material diesen Voraussetzungen nicht mehr entsprochen habe, habe offenbar auf einem nachträglichen Wunsch des Bauherrn beruht, der später um eine grüne Ausführung der Platten gebeten habe. Die Beklagte hätte nicht derart eingefärbtes Material liefern dürfen, ohne auf die Folgen für die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen hinzuweisen.
(2) Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Konnte die Beklagte bei Teilnahme an der Ausschreibung und bei Auftragsvergabe der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entsprechendes Material liefern und beruhte die spätere Abweichung ausschließlich auf dem Wunsch des Auftraggebers nach grün eingefärbtem Material, liegt kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vor, wenn die Beklagte - wie das Berufungsgericht meint - einen Hinweis darauf unterlassen hat, dass der Rohstoff des grün eingefärbten Materials nicht mehr ausschließlich aus der Formmasse Makrolon KU 1-1230 bestand. Vielmehr handelt es sich um ein Verhalten, das ausschließlich nach vertragsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist und das kein Mittel des Wettbewerbs darstellt.
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision zudem gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Verhalten der Beklagten sei ursächlich für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Klägerin den Auftrag von vornherein erhalten, wenn die Beklagte offen-gelegt hätte, dass die von ihr gelieferten Platten der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprochen hätten.
Diese Annahme des Berufungsgerichts hält ebenfalls der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie steht in offensichtlichem Widerspruch zu der Feststellung des Berufungsgerichts, das Material der Beklagten habe zum Ausschreibungszeitpunkt der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entsprochen. Die Abweichung von der Zulassung beruht vielmehr - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angenommen hat - auf einer späteren Änderung der Farbe der Platten auf Wunsch des Auftraggebers. Konnte die Beklagte bei Auftragserteilung aber der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entsprechendes Material liefern, ist der Schluss des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, ein Fehlverhalten der Beklagten sei dafür ursächlich, dass die Klägerin nicht von vornherein den Auftrag erhalten habe.
IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsurteil nur wegen der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt aufzuheben und die Sache nach diesem Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
V. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 2 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
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