Entscheidungsdatum: 29.09.2016
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 120.000 €.
I. Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Sachsen. Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Lebensmitteln. In ihrem Internetauftritt bewarb sie das Produkt "Almased Vitalkost" mit Aussagen über eine Gewichtsreduktion und über verbesserte Blutzuckerwerte. Auf der Verpackung des Produkts fanden sich Angaben über die Aktivierung des Stoffwechsels und die Regulierung des Blutzuckerspiegels. Die Beklagte warb für ihr Produkt außerdem mit einer Anzeige in der Fachzeitschrift "Ernährungsumschau". Darin finden sich Angaben, mit denen dem Produkt "Almased-Vitalkost" Wirkungen in der Rheumatherapie zugeschrieben werden. Die Klägerin hat diese Angaben als Verstoß gegen § 21a Abs. 7 Satz 2 DiätV sowie Art. 10 Abs. 1 und Art. 12 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit der Maßgabe antragsgemäß verurteilt, dass es der Beklagten im Hinblick auf die Verpackungsangaben eine Aufbrauchfrist eingeräumt hat. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Celle, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 13 U 47/15, juris). Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der erstrebten Revision möchte sie ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch im Übrigen keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
a) Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, dem Gerichtshof der Europäischen Union sei die Frage der Anwendbarkeit von Art. 12 Buchst. c [gemeint ist Buchst. b] der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf "lediglich allgemeine sowie einzelfallbezogene Angaben über Höhe und Zeitraum eines möglichen Gewichtsverlustes" zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die von der Beschwerde formulierte Frage kann nicht abstrakt rechtsgrundsätzlich geklärt werden, sondern hängt von der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall ab. Das Berufungsgericht hat in den streitgegenständlichen Angaben aufgrund rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung zudem gerade keine allgemeinen oder einzelfallbezogenen Angaben gesehen.
b) Entgegen der Ansicht der Beschwerde wirft der Streitfall auch nicht die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage auf,
ob gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel gemacht werden dürfen, für den, die oder das sie zugelassen sind, nicht jedoch für das Lebensmittelprodukt, das diese enthält.
Es fehlt bereits an der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Verkehr die angegriffenen Werbeaussagen nicht als inhaltlich gleichbedeutend mit den von der Beschwerde angeführten, bereits zugelassenen Claims für Fructose und Zink ansehen wird. Auf die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachte Frage, ob sich die Beklagte außerdem auch deshalb nicht auf die beiden zugelassenen Claims berufen könne, weil diese auf konkrete Inhaltsstoffe ("Fructose", "Zink") abstellten, während die Werbung der Beklagten allgemein dem Produkt "Almased" die beanstandeten Wirkungen beimisst, kommt es im Streitfall also nicht an.
Im Übrigen hat der Senat bereits entschieden, dass die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffs, der Substanz, des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, auf der diese Wirkung nach der Liste der zugelassenen Angaben beruht, mit der zugelassenen Angabe nicht inhaltsgleich und daher unzulässig ist (BGH, Urteil vom 7. April 2016 - I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200 Rn. 36 = WRP 2016, 1359 - Repair-Kapseln). Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Angaben unzulässig, weil diese die Wirkungsaussagen zur Normalisierung des Blutzuckerwertes nicht mit Zink oder Fructose in Verbindung bringen. Der Senat hat das von ihm gefundene Auslegungsergebnis als zweifelsfrei angesehen und deshalb eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht für erforderlich gehalten (BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 41 - Repair-Kapseln). Eine Zulassung der Revision zum Zwecke der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens ist auch im Streitfall nicht erforderlich.
c) Im Hinblick auf die Anzeige in der Fachzeitschrift "Ernährungsumschau" stellt sich ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage.
aa) Die Beschwerde macht geltend, es stelle sich vorliegend die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage,
ob die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch auf Angaben Anwendung finden, die sich ausschließlich an Fachkreise und nicht direkt den Endverbraucher richten.
bb) Diese von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Verlauf des vorliegenden Verfahrens entschieden, dass nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die - wie im Streitfall - als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, auch dann in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 fallen, wenn sich die Angaben nicht an den Endverbraucher, sondern ausschließlich an medizinische Fachkreise richten (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - C-19/15, GRUR 2016, 1090 Rn. 54 - Verband Sozialer Wettbewerb/Innova Vital). Der Gerichtshof hat insoweit angenommen, dass sogar medizinische Fachkreise nicht immer in der Lage sind, jederzeit über alle speziellen und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verfügen, die notwendig sind, um jedes einzelne Lebensmittel und die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die bei der Kennzeichnung und Aufmachung dieser Lebensmittel oder bei der Werbung für sie verwendet werden, zu bewerten (EuGH, GRUR 2016, 1090 Rn. 43 - Verband Sozialer Wettbewerb/Innova Vital). Da durch die im Streitfall maßgebliche Zeitschrift "Ernährungsumschau" nicht nur - wie im vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall - Ärzte und Apotheker, sondern auch andere Fachkreise im Lebensmittelbereich angesprochen werden, die erheblich geringere Kenntnisse als medizinische Fachkreise haben dürften, sind diese Grundsätze im Streitfall erst recht anzuwenden.
cc) Da das Berufungsgericht die Frage richtig entschieden hat, hat die beabsichtigte Revision der Beklagten unabhängig vom Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde keine Erfolgsaussichten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - I ZR 197/03, GRUR 2004, 712= WRP 2004, 1051 - PEE-WEE).
d) Ohne Erfolg meint die Beschwerde, der Rechtsstreit werfe die klärungsbedürftige und grundsätzlich bedeutsame Frage auf,
ob die Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 5 und Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch auf solche pflanzlichen Stoffe (sog. "Botanicals") Anwendung finden, die bereits Gegenstand einer Überprüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit waren.
aa) Die Beschwerde legt bereits nicht dar, dass diese Frage umstritten oder sonst klärungsbedürftig ist. Sie ist vielmehr eindeutig zu verneinen. Abweichendes wird - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.
Problematisch ist allenfalls, wie Angaben zu "Botanicals" zu behandeln sind, die bislang von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit noch nicht beschieden, sondern deren Prüfung zurückgestellt worden ist (vgl. Erwägungsgrund 5 der Verordnung [EU] Nr. 536/2013). Um diese Problematik geht es im Streitfall jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, das hier in Rede stehende Sojaprotein, aus dem das Produkt "Almased-Vitalkost" nach den vom Berufungsgericht unterstellten Vortrag der Beklagten zu 50% besteht, sei kein "Botanical" im vorstehenden Sinne. Vielmehr habe die Kommission der Europäischen Union sämtliche beantragte gesundheitsbezogene Angaben zu Sojaprotein, Soja und Soja-Inhaltsstoffen nicht etwa zurückgestellt, sondern nach Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit umfassend abgelehnt und als "non-authorised" bezeichnet. Diese Feststellungen greift die Beschwerde nicht an. Da es sich im Streitfall mithin nicht um Angaben in Bezug auf ein zurückgestelltes Produkt handelt, stellt sich auch die Problematik der Anwendbarkeit von Übergangsvorschriften nicht.
bb) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist zudem deshalb nicht entscheidungserheblich, weil die konkret angegriffenen Aussagen nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert und deshalb als irreführende Angaben unzulässig sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 15 f. = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, mwN). Die Beschwerde macht selbst geltend, dass wissenschaftliche Nachweise für Wirkungen pflanzlicher Stoffe nicht erbracht werden können, weil es technisch unmöglich sei, pflanzliche Lebensmittel derart zu standardisieren, dass an ihnen wissenschaftliche Versuche durchgeführt werden könnten. Die angegriffene Werbung lässt solche Vorbehalte jedoch nicht erkennen, sondern verspricht mehrere gesundheitsfördernde Wirkungen ohne jede Einschränkung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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