Entscheidungsdatum: 19.05.2011
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. Mai 2000 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 4. Kammer für Handelssachen, vom 21. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten um einen von der Beklagten mit einer Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung von Transportgut. Über den mit der Klage verfolgten Frachtvergütungsanspruch hat das Landgericht Nürnberg-Fürth bereits durch rechtskräftiges Teilurteil vom 26. Februar 1997 entschieden.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin im November 1995 mit dem Transport neun vorgefertigter, für einen Klinikbau vorgesehener, Raumzellen von F. /Hafen nach R. /Hafen. Die Beförderung sollte zunächst bis Ro. mit einem Binnenschiff und anschließend - nach einer Umladung des Gutes - mit einem Seeschiff erfolgen. Die Verladung der Raumzellen auf die MS K. , mit der der Transport bis Ro. durchgeführt wurde, erfolgte am 29. November 1995. Die Raumzelle Nr. 15, um deren Beschädigung die Parteien streiten, wurde im hinteren Bereich des nach oben offenen Laderaums abgestellt. Die MS K. traf am 6. Dezember 1995 in Ro. ein. Die Umladung des Gutes auf das Küstenmotorschiff L. , mit dem die Weiterbeförderung nach R. durchgeführt wurde, erfolgte am 7. Dezember 1995 mit Hilfe eines Hafenkrans. Die MS L. traf am 9. Dezember 1995 im Hafen von R. ein. Dort wurden die Raumzellen am Vormittag des folgenden Tages mit Hilfe eines Mobilkrans entladen und im Kaibereich abgestellt. Die Beförderung der Raumzelle Nr. 15 zur vorgesehenen Baustelle erfolgte am 12. Dezember 1995. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach ihren am 12. Dezember 1995 getroffenen Feststellungen habe die Bodengruppe (Technikraum) der Raumzelle Nr. 15 während der Beförderung von F. nach Ro. im Wasser gestanden mit der Folge, dass die Mineralfaserisolierung der Bodengruppe vollständig durchfeuchtet worden sei.
Der von der Klägerin informierte Transportversicherer ließ daraufhin zur Ursache und zur Höhe des Schadens ein Gutachten erstellen. Der mit der Untersuchung beauftragte Sachverständige kam in seinem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass sich im Inneren der Raumzelle Nr. 15 Wasser befunden habe, bei dem es sich nicht um Seewasser gehandelt habe. Zur Frage, wann und wo das Wasser in die Raumzelle gelangt war, konnte der Sachverständige keine Angaben machen.
Die Beklagte hat behauptet, das Wasser müsse während des Transports von F. nach Ro. eingetreten sein. Die in wasserdichte Plastikfolie verpackte Raumzelle Nr. 15 habe bei der Verladung in F. ein Gewicht von 47 Tonnen gehabt. Beim Umladen in Ro. habe sie mindestens 63 Tonnen gewogen. Ihre Mitarbeiter hätten beim Ausladen der Raumzelle Nr. 15 in Ro. auch gesehen, dass Wasser aus den geschlossenen Türen und der Bodenkonstruktion der Raumzelle gelaufen sei. Da der Wasserschaden während der Obhutszeit der Klägerin entstanden sei, hafte diese für den Schaden.
Von dem ihr entstandenen Schaden, dessen Höhe die Klägerin bestritten hat, hat die Beklagte einen Teilbetrag von 118.537,29 DM nebst Zinsen geltend gemacht.
Die Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten. Sie hat behauptet, der Laderaum der MS K. sei bei der Ankunft in Ro. trocken gewesen. Das Schiff habe sich in einem einwandfreien Zustand befunden. Das von der Beklagten behauptete Gewicht der Raumzelle Nr. 15 beim Umladen in Ro. treffe nicht zu. Die Raumzelle sei zwar während des Umladevorgangs nicht gewogen worden. Der bei der Umladung eingesetzte Kran habe jedoch nur eine maximale Traglast von 50 Tonnen gehabt. Entgegen dem Vortrag der Beklagten sei beim Umschlag in Ro. auch kein Wasser aus der Raumzelle Nr. 15 ausgelaufen.
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht entschieden, dass der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin hafte gemäß § 429 Abs. 1 HGB aF dem Grunde nach für den entstandenen Schaden, da die Beklagte nachgewiesen habe, dass dieser während der Obhutszeit der Klägerin eingetreten sei. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beweisaufnahme habe bestätigt, dass die Raumzelle Nr. 15 auf dem Transport von F. nach Ro. durch Wassereintritt beschädigt worden sei. Dies ergebe sich aus den Bekundungen der Zeugen M. , G. und D. , die bestätigt hätten, dass aus dieser Raumzelle beim Entladen in Ro. Wasser ausgelaufen sei. Von der Richtigkeit der Aussagen dieser Zeugen sei der Senat vor allem deswegen überzeugt, weil deren Bekundungen durch weitere bewiesene Tatsachen bestätigt würden. Es habe sich erwiesen, dass die beschädigte Raumzelle bei ihrer Verladung auf die MS K. weniger als 50 Tonnen gewogen habe, während sie beim Entladen in R. ein Gewicht von 60 Tonnen gehabt habe. Die Höhe des entstandenen Schadens könne noch nicht festgestellt werden, weil die Klägerin die von der Beklagten behauptete Schadenshöhe bestritten habe.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Schlussurteils.
1. Auf den Streitfall kommt noch das bis zum Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 geltende Frachtrecht zur Anwendung, da der Vertrag, aus dem die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch herleitet, im November 1995 geschlossen worden ist und der haftungsbegründende Tatbestand bereits vor dem 1. Juli 1998 abgeschlossen war (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 158/95, BGHZ 158, 337, 344).
2. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts in seinem Teilurteil vom 26. Februar 1997 wurde in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Beförderung der Raumzellen von F. nach R. die Geltung der ADSp (in der Fassung vom 1. Januar 1993, im Weiteren: ADSp aF) vereinbart.
3. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob eine Haftung der Klägerin für den streitgegenständlichen Schaden schon aufgrund der von Amts wegen zu berücksichtigenden Regelungen in § 60 ADSp aF ausgeschlossen ist.
a) Gemäß § 60 Buchst. a ADSp aF muss der Empfänger einen bei Ablieferung äußerlich erkennbaren Schaden am Gut unter Angaben allgemeiner Art über die Beschädigung in einer von beiden Seiten zu unterzeichnenden Empfangsbescheinigung festhalten. Verletzt der Empfänger diese ihn treffende Pflicht, so gilt gemäß § 60 Buchst. b ADSp aF ein Schaden als erst nach der Ablieferung entstanden. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine unwiderlegbare Vermutung (vgl. MünchKomm.HGB/Bydlinski, 1. Aufl., § 60 ADSp Rn. 8) mit der Folge, dass die Haftung des Spediteurs/Frachtführers ausgeschlossen ist. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass der Schaden nicht während der Obhutszeit des Spediteurs/Frachtführers eingetreten ist. Damit fehlt es an einer maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung des Frachtführers gemäß § 429 Abs. 1 HGB aF.
b) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten und den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sich große Mengen Wasser in der Raumzelle Nr. 15 befunden, das teilweise beim Umladen des Gutes vom Binnenschiff auf das Seeschiff ausgelaufen ist. Der damalige Geschäftsführer der Beklagten hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestätigt, dass er von dem damaligen Mitarbeiter der Beklagten D. schon vor der Ankunft des Seeschiffs in R. von dem Wasserschaden in Kenntnis gesetzt worden ist. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte als Empfängerin des Gutes gemäß § 60 Buchst. a ADSp aF die Beschädigung in einer von beiden Seiten zu unterzeichnenden Empfangsbescheinigung schon bei der Ankunft des Schiffs L. in R. festhalten müssen.
Dies ist nicht geschehen, obwohl nach dem eigenen Vortrag der Beklagten einer ihrer Mitarbeiter beim Löschen des Seeschiffs persönlich anwesend war, um den Entladevorgang zu überwachen. Diesem Mitarbeiter wurde von dem Kranführer - so der Vortrag der Beklagten - auch mitgeteilt, dass die Raumzelle Nr. 15 ein Gewicht von 60 Tonnen hatte. Diese Kenntnis muss sich die Beklagte ebenfalls zurechnen lassen. Gemäß § 60 Buchst. a ADSp aF hätte die Beklagte daher den Wasserschaden bereits am 10. Dezember 1995 in einer Empfangsbescheinigung festhalten lassen müssen. Dies ist unstreitig nicht geschehen.
c) Die unwiderlegbare Vermutung, dass der Schaden erst nach Beendigung der Obhutszeit des Spediteurs/Frachtführers eingetreten ist, greift gemäß § 60 Buchst. b Satz 2 ADSp aF allerdings dann nicht ein, wenn der Spediteur/Frachtführer oder seine Erfüllungsgehilfen ebenfalls eine in § 60 ADSp aF vorgesehene Pflicht verletzt haben. Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn der Empfänger eine von ihm unterschriebene Empfangsbescheinigung mit zutreffenden Schadensangaben dem Spediteur/Frachtführer vorgelegt hat, dieser jedoch seine Unterschrift verweigert hat (vgl. MünchKomm.HGB/Bydlinski aaO § 60 ADSp Rn. 9). Hierfür gibt es im Parteivortrag jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
Der Haftungsausschluss gemäß § 60 Buchst. b ADSp aF kommt nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp aF auch dann nicht zum Tragen, wenn der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Spediteurs/Frachtführers oder seiner leitenden Angestellten verursacht worden ist (Koller, Transportrecht, 3. Aufl., § 60 ADSp Rn. 5). Die Vorinstanzen haben hierzu keine Feststellungen getroffen. Der Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten bietet für eine solche Annahme aber auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Klägerin die Organisation des Transports und ihre Sorgfaltsvorkehrungen in einem Maße dargelegt, das die Annahme des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit ausschließt.
4. Da die Haftung der Klägerin für den streitgegenständlichen Schaden schon gemäß § 60 Buchst. b ADSp aF ausgeschlossen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Klägerin ihrer Inanspruchnahme - wie die Revision ebenfalls geltend gemacht hat - auch eine Haftungsbefreiung nach § 57 Buchst. b ADSp aF mit Erfolg entgegenhalten könnte.
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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