Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.07.2016


BGH 21.07.2016 - I ZR 190/15

Gewillkürte Prozessstandschaft: Auswirkung der Insolvenzverfahrenseröffnung gegen die bisherige Partei auf die Ermächtigung zur Prozessführung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.07.2016
Aktenzeichen:
I ZR 190/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:210716BIZR190.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Stuttgart, 7. August 2015, Az: 2 U 3/15, Urteilvorgehend LG Stuttgart, 23. Dezember 2014, Az: 11 O 100/14
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2

1. Es trifft allerdings zu, dass das Berufungsgericht die von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 6. August 2015 übergebene Urkunde, mit der die M.     AG die Klägerin zur Klage in Prozessstandschaft ermächtigt und Auskunfts- und Schadensersatzansprüche an diese abgetreten hat, nicht berücksichtigt hat. Dieser Umstand rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

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a) Diese Erklärung spielt keine Rolle, soweit die Klage auf Ansprüche gestützt wird, die sich nach Auffassung der Klägerin aus einer von ihr mit der D.    Investment GbR geschlossene Vereinbarung ergeben sollen. Soweit es Ansprüche aus einem rechtsgeschäftlich vereinbarten Wettbewerbsverbot angeht, ist die Klägerin als Vertragspartnerin ohne weiteres aktivlegitimiert.

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b) Der Umstand, dass das Berufungsgericht die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Urkunde nicht berücksichtigt und die Ermächtigung der Klägerin aufgrund einer Zustimmung der M.     AG zur Prozessführung und einer Abtretung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen nicht in Erwägung gezogen hat, ist nicht entscheidungserheblich, soweit die Klägerin die Klage auf die §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. a und b, 8, 9 UWG (aF) gestützt hat.

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aa) Zunächst handelt es sich bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin lediglich um eine Hilfsbegründung. In erster Linie hat es die Abweisung der auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Klage auf die fehlende wettbewerbliche Eigenart des M.     -Konzepts gestützt.

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bb) Im Übrigen kann die Klägerin mit einer in Prozessstandschaft erhobenen und auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Klage jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Klage während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unzulässig geworden ist.

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(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, die Klägerin sei zur Erhebung der Klage auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage in Prozessstandschaft ermächtigt. Die Wirksamkeit der Ermächtigung des Rechtsinhabers ist Grundlage für die Annahme der Prozessführungsbefugnis der klagenden Partei und damit eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung. Das Vorliegen der Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen und festzustellen (BGH, Urteil vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 219; BGH, Urteil vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 240 - Universitätsemblem; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 137/10, GRUR 2012, 630 Rn. 52 = WRP 2012, 824  CONVERSE II). Dies gilt auch noch in der Revisionsinstanz. Im Rahmen der Prüfung der Prozessstandschaft ist das Revisionsgericht weder an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden noch auf die Tatsachen und Beweismittel beschränkt, die dem Berufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz in Abweichung von § 559 Abs. 1 ZPO selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft erfüllt sind (BGH, Urteil vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738, 739).

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(2) Die Beklagten haben in der Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde darauf hingewiesen, dass über das Vermögen der die Klägerin zur Prozessführung ermächtigenden M.     AG am 29. Januar 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt eine der Klägerin erteilte Ermächtigung zur Prozessführung.

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In der Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgabe, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen seiner Bestimmung, der Verteilung, entgegenzuführen und es bis dahin nach eigenen Entschlüssen zu verwalten, soll der Insolvenzverwalter nicht durch die Tätigkeit eines Dritten gehindert sein, den der Insolvenzschuldner hinsichtlich eines zur Masse gehörigen Gegenstandes beauftragt hat. Deshalb erlöschen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend § 115 Abs. 1, 116 Satz 1 InsO das der Ermächtigung zugrundeliegende Rechtsverhältnis und entsprechend § 168 Satz 1 BGB die Ermächtigung zur Prozessführung (BGH, NJW 2000, 738, 739 mwN zu § 23 KO, dem § 115 InsO entspricht, vgl. Kießner in Nehrlich/Römermann, Insolvenzordnung, 29. EL Januar 2016, § 115 Rn. 1 f.; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 51 Rn. 26). Der Auftrag erlischt dabei mit der Insolvenzeröffnung, ohne dass der Insolvenzverwalter hierfür noch etwas tun müsste (Kießner in Nehrlich/Römermann aaO § 115 Rn. 2).

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Ist die Ermächtigung zur Prozessführung erloschen, hat der Ermächtigte seine Tätigkeit einzustellen. Er kann sie nur dann, und zwar nunmehr für den Insolvenzverwalter, fortsetzen, wenn dieser ihn seinerseits ermächtigt oder wenn die Prozessführungsbefugnis entsprechend § 115 Abs. 2 und 3 InsO wegen fehlender Kenntnis des Prozessstandschafters von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fortbestehend gilt (BGH, NJW 2000, 738, 739). Beides ist hier nicht der Fall. Der Insolvenzverwalter hat erkennbar die Klägerin nicht ermächtigen wollen, den Rechtsstreit gegen die Beklagten fortzuführen. Wie sich aus dem mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegten Bericht des Insolvenzverwalters vom 14. März 2016 ergibt, hat dieser erklärt, dass er gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung des Vertrags ablehne, mit dem die M.     AG die Klägerin zur Verteidigung und Durchsetzung des Wettbewerbsverbots gegenüber den Beklagten beauftragt hat. Die Klägerin hat spätestens mit dem Zugang der Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde Kenntnis von der Insolvenz der M.     AG erlangt.

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2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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