Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 19.07.2012


BGH 19.07.2012 - I ZR 104/11

Qualifiziertes Verschulden des Frachtführers: Nachforschungspflicht bei Bekanntwerden eines Verlustfalls; Darlegungslast


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
19.07.2012
Aktenzeichen:
I ZR 104/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Stuttgart, 11. Mai 2011, Az: 3 U 114/10vorgehend BGH, 18. März 2010, Az: I ZR 1/09, Beschlussvorgehend OLG Stuttgart, 10. Dezember 2008, Az: 3 U 173/08, Urteilvorgehend LG Stuttgart, 27. Juni 2008, Az: 34 O 147/07 KfHnachgehend OLG Stuttgart, 25. Oktober 2013, Az: 3 U 21/13
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Es ist Sache des Frachtführers, unmittelbar nach Bekanntwerden eines Verlustfalls konkrete Nachforschungen anzustellen und diese zu dokumentieren, um sie in einem nachfolgenden Rechtsstreit belegen zu können. Substanziierter Vortrag zu den durchgeführten Recherchen ist vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, weil allein zeitnahe Nachfragen sowohl bei den eigenen Mitarbeitern als auch - je nach den Umständen des Einzelfalls - bei anderen Empfängern von Sendungen die realistische Möglichkeit bieten, ein außer Kontrolle geratenes Paket doch noch aufzufinden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt das beklagte Paketdienstunternehmen wegen Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin, die in Stuttgart eine Apotheke betreibt, bestellte im März 2007 bei zwei in Deutschland ansässigen Pharmaunternehmen Medikamente. Die Versender beauftragten die Beklagte mit dem Transport der Arzneimittel zur Klägerin. Mit der Auslieferung der Sendungen von ihrem Frachtdepot in Stuttgart an die Klägerin betraute die Beklagte ihre Streithelferin. Eine Fahrerin der Streithelferin übergab am 30. März 2007 mehrere Pakete an eine Mitarbeiterin der Klägerin; diese Mitarbeiterin bestätigte den Erhalt der Ware auf einem Scanner mit ihrer Unterschrift. Die Anlieferung des Gutes bei der Klägerin erfolgte im Wege einer sogenannten Nachladetour, die erforderlich wird, wenn nicht alle Güter im Rahmen der Standardtouren fristgerecht ausgeliefert werden können. Am 5. April 2007 zeigte die Klägerin bei der Streithelferin den Verlust von zwei Paketen mit einem Gewicht von 3,05 kg und 7,10 kg an. Ein weiteres für die Klägerin bestimmtes Paket wurde nach dem in erster Instanz übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht bei der Klägerin, sondern im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart abgeliefert.

3

Die Klägerin hat behauptet, durch den von ihr am 5. April 2007 angezeigten Verlust zweier Pakete mit Arzneimitteln sei ein Schaden in Höhe von 42.408,05 € entstanden. Als Empfängerin des Gutes sei sie berechtigt, die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen gegen die Beklagte geltend zu machen.

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Die Beklagte schulde für den Verlust des Gutes vollen Schadensersatz. Sie habe die schadensursächlichen Umstände in keiner Weise darlegen und aufklären können. Daher müsse von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten im Sinne von § 435 HGB ausgegangen werden. Darüber hinaus sei die Beklagte zur Erstattung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 653,10 € verpflichtet.

5

Die Beklagte und ihre Streithelferin sind dem Klagebegehren entgegengetreten und haben vor allem die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden sowohl der Beklagten als auch der Streithelferin in Abrede gestellt. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast in ausreichendem Maße nachgekommen. Die Betriebsorganisationen der Beklagten und ihrer Streithelferin seien nicht mangelhaft, da sie hinreichende Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung eines Verlusts der zum Transport übergebenen Güter vorsähen.

6

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht der Klägerin im ersten Berufungsverfahren unter Abweisung der Klage im Übrigen und Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels lediglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 95,83 € sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 €, jeweils nebst Zinsen, zuerkannt (OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 3 U 173/08, juris). Dieses Urteil hat der erkennende Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 18. März 2010 - I ZR 1/09, juris). Im zweiten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht erneut wie im ersten Berufungsurteil entschieden.

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Mit der vom Berufungsgericht beschränkt auf die Verneinung einer unbeschränkten Haftung der Beklagten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr vom Berufungsgericht abgewiesenes Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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I. Das Berufungsgericht hat die Schadensersatzklage gemäß §§ 460, 425 Abs. 1, §§ 431, 428 HGB lediglich in Höhe von 95,83 € und den darüber hinaus geltend gemachten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB nur in Höhe von 46,41 € für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

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Die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich aus § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB. Der Verlust der beiden streitgegenständlichen Pakete sei während der Obhutszeit der Beklagten eingetreten, da sie eine Ablieferung bei der Klägerin nicht nachgewiesen habe. Gemäß § 425 Abs. 1 HGB müsse die Beklagte grundsätzlich für den während ihrer Obhutszeit entstandenen Verlust haften.

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Die Haftung der Beklagten beschränke sich im Streitfall auf den nach § 431 Abs. 1 HGB zu ermittelnden Höchstbetrag, da weder ihr noch ihrer Streithelferin, für deren Verhalten sie nach § 428 HGB einstehen müsse, ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB angelastet werden könne.

11

Bei Anwendung dieser Grundsätze, die die Rechtsprechung für das qualifizierte Verschulden entwickelt habe, bleibe für die Annahme eines solchen Verschuldens auf Seiten der Beklagten oder ihrer Streithelferin kein Raum. Ein vorsatzgleiches Verhalten der Beklagten oder ihrer Streithelferin könne nicht aus einer Verletzung der sekundären Darlegungslast abgeleitet werden. Der Verlust des Gutes falle zwar in den alleinigen Verantwortungsbereich der Beklagten oder ihrer Streithelferin. Auch seien die Ursachen des Abhandenkommens - nicht nur vorprozessual - völlig ungeklärt geblieben. Die Beklagte sei ihrer erhöhten Darlegungslast jedoch in ausreichendem Maße nachgekommen. Der Vortrag der Beklagten genüge den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Informationspflicht des Spediteurs/Frachtführers zu seiner Betriebsorganisation und zu den getroffenen Schadensverhütungsmaßnahmen. Zu der in ihrer Betriebsorganisation vorgesehenen Schadensrecherche habe die Beklagte ebenfalls umfassend vorgetragen. Auch die Streithelferin der Beklagten sei ihrer gesteigerten sekundären Einlassungsobliegenheit in genügendem Maße nachgekommen. Weitere Aufklärung könne weder von der Beklagten noch von der Streithelferin verlangt werden. Ein qualifiziertes Verschulden der damals bei der Streithelferin beschäftigt gewesenen Auslieferungsfahrerin komme nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls nicht in Betracht.

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Dementsprechend sei die Haftung der Beklagten gemäß § 431 Abs. 1 HGB auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung beschränkt. Daraus errechne sich die zuerkannte Schadensersatzleistung in Höhe von 95,83 €. Darüber hinaus könne die Klägerin gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB die Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten - bei einem Hauptsachestreitwert von 95,83 € - in Höhe von 46,41 € verlangen.

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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob die Beklagte für den streitgegenständlichen Verlust von zwei Paketen mit Arzneimitteln unbeschränkt haften muss; denn das Berufungsgericht hat die Revision - wie sich aus dem Berufungsurteil zweifelsfrei ergibt - nur für die Klägerin zugelassen.

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Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keine Einschränkung enthält. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8 mwN). Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nur im Hinblick auf die Frage bejaht hat, ob die Beklagte für den streitgegenständlichen Verlust des Gutes gemäß § 435 HGB unbeschränkt haften muss, was das Berufungsgericht verneint hat. Insoweit ist allein zum Nachteil der Klägerin erkannt worden. Das spricht zweifelsfrei dafür, dass die Revision auch nur für die Klägerin zugelassen werden sollte.

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2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die beiden streitgegenständlichen Pakete während der Obhutszeit der Beklagten oder ihrer Streithelferin, für deren Verhalten die Beklagte gemäß § 428 HGB einstehen muss, in Verlust geraten. Hiervon ist aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision auch im Revisionsverfahren auszugehen. Dementsprechend ist die Klägerin als Empfängerin der Waren gemäß § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB berechtigt, den durch den Verlust des Gutes entstandenen Schaden im eigenen Namen geltend zu machen.

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3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schuldet die Beklagte für den hier in Rede stehenden Verlust gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB, §§ 249 ff. BGB (vgl. zum Schadensumfang BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - I ZR 218/05, TranspR 2008, 412 Rn. 15 = VersR 2009, 702 mwN) vollen Schadensersatz, da der entstandene Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden (§ 435 HGB) der Beklagten zurückzuführen ist.

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a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 154/07, TranspR 2010, 78 Rn. 16 = VersR 2010, 648; Urteil vom 3. März 2011 - I ZR 50/10, TranspR 2011, 220 Rn. 20 = VersR 2011, 1332). Dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei können aber ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei - wie im Streitfall - außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den näheren Umständen des Schadensfalls hat, während der Schädiger in der Lage ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2000 - I ZR 135/98, BGHZ 145, 170, 184 f.; Urteil vom 2. April 2009 - I ZR 60/06, TranspR 2009, 262 Rn. 27; BGH, TranspR 2011, 220 Rn. 20).

19

b) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Dazu hätte sie insbesondere vortragen müssen, welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Sendungen eingeleitet hat und was ihre Nachforschungen, insbesondere die Befragung der jeweiligen Mitarbeiter, die mit den verlorengegangenen Paketen in Berührung gekommen sein mussten, ergeben haben (BGH, Urteil vom 4. März 2004 - I ZR 200/01, TranspR 2004, 460, 462). Es ist Sache des Frachtführers, unmittelbar nach Bekanntwerden eines Verlustfalls konkrete Nachforschungen anzustellen und diese zu dokumentieren, um sie in einem nachfolgenden Rechtsstreit belegen zu können. Substantiierter Vortrag zu den durchgeführten Recherchen ist vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, weil allein zeitnahe Nachfragen sowohl bei den eigenen Mitarbeitern als auch - je nach den Umständen des Einzelfalls - bei anderen Empfängern von Sendungen die realistische Möglichkeit bieten, ein außer Kontrolle geratenes Paket doch noch aufzufinden. Unter Umständen kann es auch erforderlich sein, beim Versender nachzufragen, ob eine vom Empfänger als verlorengegangen gemeldete Sendung an ihn zurückgesandt wurde.

20

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der von ihnen angestellten Nachforschungen lediglich auf zwei Sendungsrecherchen (Anlagen ME 1 und ME 5 sowie die damit identischen Anlagen SH 1 und SH 2) berufen und mitgeteilt, diese seien ergebnislos verlaufen. Die Revision macht mit Recht geltend, dass dies zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast bezüglich der konkret durchgeführten Nachforschungsmaßnahmen nicht ausreicht. Die vorgelegten Anlagen geben nur den angeblichen Verlauf der Sendungen bis zur Verladung in das Transportfahrzeug der Auslieferungsfahrerin der Streithelferin wieder. Darüber, ob die streitgegenständlichen Pakete tatsächlich an die Klägerin ausgeliefert wurden, enthalten die in Rede stehenden Anlagen gerade keine Angaben. Die Beklagte hätte daher weitere Ermittlungen, wie sie in dem von ihr vorgelegten Formblatt "Überprüfung Verlustreklamation" (Anlage ME 8) vorgesehen sind, anstellen müssen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten enthält das genannte Formblatt diejenigen Maßnahmen, die bei einem Schadensfall üblicherweise zu treffen sind und grundsätzlich auch abgearbeitet werden müssen. Die Beklagte und ihre Streithelferin haben nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass dies auch nach der Anzeige der streitgegenständlichen Verluste sowohl durch die Versender als auch seitens der Klägerin geschehen ist. Allein dies rechtfertigt schon den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten.

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c) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin beigetreten werden, dass die Betriebsorganisation der Beklagten keine groben Mängel aufweist.

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aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vorgaben der Beklagten und ihrer Streithelferin zur Ablieferung des Gutes beim Empfänger entsprächen einer ordnungsgemäßen Betriebsorganisation. In der Prozessbeschreibung "Auslieferung" (Anlage ME 9 = GA III 373) sei ausdrücklich bestimmt, dass die Auslieferung im Regelfall in der Weise erfolgen müsse, dass jedes einzelne für den Empfänger bestimmte Paket gescannt werde. Dementsprechend hat die Beklagte auch vorgetragen, die Auslieferungsfahrer seien angewiesen, bei Ablieferung die Barcodes der einzelnen Packstücke zu scannen und sich danach den Erhalt der Packstücke auf dem Handscanner in einem speziellen Feld per Unterschrift quittieren zu lassen.

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Nach den Bekundungen der mit der Auslieferung der streitgegenständlichen Pakete beauftragten Fahrerin J. der Streithelferin werden die Pakete beim Abladen - entgegen der ausdrücklichen Anweisung der Beklagten - durchweg nicht gescannt. Die praktische Durchführung des Ablieferungsvorgangs widerspricht damit den ausdrücklichen Anweisungen der Beklagten und den Vorgaben in der Prozessbeschreibung "Auslieferung". Dies hätte der Beklagten auch auffallen müssen, da sie keine ihrer Anweisung entsprechenden Ablieferungsnachweise erhalten haben kann. Nach dem Vortrag der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie oder ihre Streithelferin konkrete Vorkehrungen getroffen haben, um sicherzustellen, dass die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen bei der Ablieferung in der Praxis von den eingesetzten Fahrern tatsächlich eingehalten werden. Das stellt einen schwerwiegenden Mangel in der Betriebsorganisation der Beklagten dar. Es ist auch nichts dafür dargetan, dass diejenigen Fahrer, die Güter ohne Scannung der einzelnen Packstücke abgeliefert haben, dazu angehalten worden sind, die Anweisung der Beklagten und die Vorgaben in der Prozessbeschreibung "Auslieferung" zu befolgen.

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Hätte die Fahrerin der Streithelferin die Ablieferung des Gutes bei der Klägerin entsprechend der Anweisung der Beklagten und der Vorgabe in der Prozessbeschreibung "Auslieferung" vorgenommen, wäre das Fehlen der beiden streitgegenständlichen Pakete mit großer Wahrscheinlichkeit schon zum Ablieferungszeitpunkt bemerkt worden mit der Folge, dass unverzüglich Ermittlungen zum Verbleib des Gutes hätten angestellt werden können.

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bb) Die von der Beklagten im Streitfall konkret durchgeführten Verlustrecherchen sprechen ebenfalls für eine grob mangelhafte Betriebsorganisation im Unternehmen der Beklagten.

26

Die Versender der beiden in Verlust geratenen Pakete haben die Beklagte bereits am 2. und 5. April 2007 - die Anlieferung des Gutes bei der Klägerin hätte am 30. März 2007 erfolgen sollen - darüber informiert, dass die Empfängerin den Nichterhalt der Ware reklamiert hatte. Diese Mitteilungen haben die Beklagte lediglich zu der Prüfung veranlasst, ob die beiden Pakete "nach Datenlage" zugestellt wurden. Dies hat die Beklagte den Angaben in den beiden Sendungsrecherchen (Anlagen ME 1 und ME 5) in Verbindung mit der von einer Mitarbeiterin der Klägerin unterzeichneten Empfangsquittung entnommen. Weitere Nachforschungen wurden daraufhin zunächst nicht angestellt. Insbesondere unterblieb die zeitnahe Einschaltung des Ermittlungsdienstes mit der Folge, dass die am 30. März 2007 in der Umschlagshalle der Beklagten gefertigte Videoaufzeichnung später nicht mehr ausgewertet werden konnte.

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Die nach der Anzeige der Verluste unterlassene unverzügliche Einschaltung des gerade für Verlustfälle eingerichteten Ermittlungsdienstes stellt einen weiteren schwerwiegenden Sorgfaltsverstoß der Beklagten dar. Die Beklagte durfte aufgrund des Inhalts der Sendungsrecherchen und der von einer Mitarbeiterin der Klägerin unterzeichneten Empfangsbestätigung nicht von einer ordnungsgemäßen Auslieferung der beiden streitgegenständlichen Pakete an die Klägerin ausgehen. Die Reichweite der Empfangsbestätigung hat sich - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat - im konkreten Fall lediglich auf einzelne Frachtstücke und Paletten sowie deren Anzahl erstreckt, weil nur der Empfang einzelner Packstücke bestätigt worden ist. Die auf jedem Paket angebrachten Barcodes wurden nicht gescannt, so dass die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass die von den Versendern angezeigten Verluste nicht eingetreten sein konnten. Unter den gegebenen Umständen hätte die Beklagte nach der Meldung, dass zwei Pakete die Klägerin nicht erreicht hätten, unverzüglich ihren Ermittlungsdienst einschalten müssen, damit dieser zeitnahe Nachforschungen zum Verbleib der beiden Pakete anstellen kann. Hierzu hatte die Beklagte auch deshalb besondere Veranlassung, weil ein für die Klägerin bestimmtes Paket nach dem eigenen erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten zunächst fälschlich beim Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart abgeliefert worden war, obwohl es nach der "Datenlage" an die Klägerin ausgeliefert worden sein musste. Unzureichende Nachforschungen zum Verbleib einer als nicht angekommen gemeldeten Sendung rechtfertigen ebenfalls den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers im Sinne von § 435 HGB (vgl. BGH, TranspR 2004, 460, 462; TranspR 2011, 220 Rn. 21 mwN; MünchKomm.HGB/Herber, 2. Aufl., § 435 Rn. 17).

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4. Der Senat kann den Rechtsstreit in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, da es bislang an hinreichenden Feststellungen zur Höhe des entstandenen Schadens fehlt. Die Beklagte hat die von der Klägerin dargelegte Schadenshöhe in erster Instanz substantiiert bestritten. Hierauf hat sie in ihrer Berufungsbegründung Bezug genommen. Das erstinstanzliche Urteil enthält keinerlei Feststellungen zur Höhe des entstandenen Schadens. Das Berufungsgericht brauchte solche Feststellungen bislang nicht zu treffen, weil es eine gewichtsabhängige beschränkte Haftung der Beklagten gemäß § 431 Abs. 1 HGB (8,33 Rechnungseinheiten je fehlendes Kilogramm des Rohgewichts) angenommen hat.

29

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, erneut an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Bornkamm                               Pokrant                               Büscher

                       Schaffert                             Kirchhoff