Entscheidungsdatum: 18.11.2010
Der Antrag des Schuldners, ihm für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 13. Oktober 2010 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. März 2009 - 4 O 2031/07 - bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde, längstens bis zum 31. Dezember 2010, vorläufig einzustellen, wird auf Kosten des Schuldners abgelehnt.
Gegenstandswert: 1.000 €.
I. Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner aus einem Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. März 2009 die Räumungsvollstreckung. Das Landgericht hat den Schuldner verurteilt, an die Gläubiger einen Schießstand (Flurstück 876) sowie eine Abstellhalle und eine Freifläche nebst Zugangstoren (Flurstück 874) herauszugeben.
Der Schuldner hat gegen die vom Gerichtsvollzieher auf den 29. Juli 2010 anberaumte Zwangsräumung die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragt. Dies hat er unter anderem damit begründet, dass er gegen die Gläubigerin zu 2, seine geschiedene Ehefrau, einen Anspruch auf Zugewinnausgleich habe, den diese nur durch Übereignung des Grundstücks mit der Flurstücknummer 876 (nachfolgend Grundstück 876) erfüllen könne. Die Gläubiger sind der beantragten Gewährung von Räumungsschutz entgegengetreten.
Das Vollstreckungsgericht hat dem Antrag auf Gewährung von Räumungsschutz stattgegeben und Räumungsschutz bis zur Entscheidung über den Zugewinnausgleich, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2010 bewilligt. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung aufgehoben und den Antrag auf Vollstreckungsschutz zurückgewiesen. Der Gerichtsvollzieher hat auf den 15. Dezember 2010 Räumungstermin festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung hat der Schuldner die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er beantragt, ihm für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen. Er bean- tragt ferner, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. März 2009 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde, längstens bis 31. Dezember 2010, vorläufig einzustellen.
II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt W. ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO).
Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil das Beschwerdegericht den Antrag des Schuldners auf Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO mit Recht zurückgewiesen hat.
Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Die Anwendung dieser Bestimmung kommt nur in Betracht, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Einzelfall nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis für den Schuldner führen würde (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250 Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
a) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Vollstreckung des Räumungsanspruchs führe zu einem für den Schuldner untragbaren Ergebnis, weil dieser berechtigterweise erwarten könne, das Eigentum an dem zu räumenden Grundstück 876 im Rahmen des laufenden Zugewinnausgleichsverfahrens zugewiesen zu erhalten und das Grundstück 876 damit wieder besitzen und nutzen zu können. Da nach einem anerkannten Rechtsgrundsatz derjenige treuwidrig und missbräuchlich handele, der eine Leistung verlange, die er alsbald zurückzugewähren habe, sei die Vollstreckung mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist es noch völlig offen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Schuldner gegen die Gläubigerin zu 2 einen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat. Über den Anspruch auf Zugewinnausgleich ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Mit einer Entscheidung ist nach Darstellung der Rechtsbeschwerde auch kurzfristig nicht zu rechnen. Soweit das Familiengericht einen Ausgleichsanspruch von mehr als 111.000 € errechnet hat, handelt es sich dabei lediglich um eine vorläufige und unverbindliche Berechnung.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass dem Schuldner aufgrund eines - unterstellten - Zugewinnausgleichsanspruchs das Eigentum am Grundstück 876 zu übertragen wäre und er damit wieder den Besitz und die Nutzungen des Grundstücks 876 erlangen würde. Dem steht entgegen, dass die Gläubigerin zu 2 nicht Alleineigentümer, sondern - neben dem Gläubiger zu 1, ihrem neuen Ehemann - lediglich Miteigentümer dieses Grundstücks ist. Das Familiengericht kann zwar nach § 1383 BGB anordnen, dass der Schuldner des Ausgleichsbetrages dem Gläubiger bestimmte Gegenstände seines Vermögens unter Anrechnung auf die Ausgleichsforderung zu übertragen hat, wenn dies erforderlich ist, um eine grobe Unbilligkeit für den Gläubiger zu vermeiden, und wenn dies dem Schuldner zugemutet werden kann. Die Begründung einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zu 1 dürfte der Gläubigerin zu 2 wegen der zu erwartenden Verwaltungs- und Nutzungsstreitigkeiten zwischen ihrem geschiedenen und ihrem neuen Ehemann jedoch wohl kaum zumutbar sein (vgl. MünchKomm.BGB/Koch, 5. Aufl., § 1383 Rn. 10; Staudinger/Thiele, BGB [2007], § 1383 Rn. 13). Selbst wenn dem Schuldner der Miteigentumsanteil der Gläubigerin zu 2 am Grundstück zu übertragen wäre, wäre er allein aufgrund seiner Rechtsstellung als Miteigentümer neben dem Gläubiger zu 1 nicht zum Besitz und zur Nutzung des Grundstücks berechtigt.
Im Übrigen führt die Räumung der Grundstücke auch deshalb nicht zu einem mit Blick auf einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch untragbaren Ergebnis für den Schuldner, weil seine möglichen Ausgleichsansprüche dadurch gesichert sind, dass zu seinen Gunsten aufgrund eines dinglichen Arrestes Zwangssicherungshypotheken auf den Miteigentumsanteilen der Gläubigerin zu 2 an den Grundstücken eingetragen sind.
b) Die Rechtsbeschwerde macht weiter ohne Erfolg geltend, dem Schuldner würde durch die Räumung die Möglichkeit genommen, den auf dem Grundstück 876 befindlichen Schießstand zu vermieten und damit einen Teil seines Lebensunterhalts zu verdienen. Das Landgericht hat darin, dass der Schuldner infolge der Räumung monatliche Einnahmen von 150 € aus dem Betrieb der Schießanlage verliert, mit Recht keinen Umstand gesehen, der es rechtfertigt, von der Räumungsvollstreckung abzusehen. Dass der monatliche Betrag von 150 € - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - angesichts der sehr beengten finanziellen Verhältnisse des Schuldners, der Sozialleistungen nach dem SGB II bezieht, einen erheblichen Teil seiner Lebensgrundlage darstellt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist dem Schuldner auch nicht deshalb Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren, weil die Gläubiger angekündigt haben, ihm nach der Räumung die Zufahrt bzw. den Zugang zu dem von ihm bewohnten Grundstück, das nur über das zu räumende Grundstück 876 zugänglich ist, zu versperren bzw. zu erschweren. Der Schuldner ist nicht daran gehindert, gegen eine unberechtigte Behinderung des Zugangs zu dem von ihm bewohnten Grundstück vorzugehen. Er kann deshalb aber nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangen.
d) Die Rechtsbeschwerde macht vergeblich geltend, eine sittenwidrige Härte sei darin zu sehen, dass die beabsichtigte Vollstreckung gegen das Schikaneverbot verstoße. Dass die Gläubiger die Zwangsvollstreckung nur betreiben, um dem Schuldner einen Schaden zuzufügen, ist nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts durch nichts belegt. Verbalen Entgleisungen der Gläubiger sind - wie das Beschwerdegericht mit Recht angenommen hat - nicht geeignet, den Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners zu begründen.
III. Der Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. März 2009 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde, längstens bis zum 31. Dezember 2010, vorläufig einzustellen, wird abgelehnt.
Das Rechtsbeschwerdegericht kann nach § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde eine einstweilige Anordnung erlassen und insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen. Eine Aussetzung kommt allerdings nur in Betracht, wenn die Rechtsbeschwerde zulässig und in der Sache nicht aussichtslos ist (Zöller/Gummer, ZPO, 28. Aufl., § 575 Rn. 11). Da die Rechtsbeschwerde - wie ausgeführt - keine Aussicht auf Erfolg hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher
Kirchhoff Koch