Entscheidungsdatum: 17.08.2011
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.237,55 € festgesetzt.
I. Die Schuldner wurden vom Landgericht Frankfurt (Oder) zur Herausgabe des Grundstücks W. in S. verurteilt. Sie bewohnen das auf diesem Grundstück vom Schuldner errichtete Wohnhaus. Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldner die Räumungsvollstreckung.
Mit Schreiben vom 25. August 2008 hat der Schuldner beim Amtsgericht Fürstenwalde Räumungsschutz beantragt. Das Amtsgericht hat die Zwangsvollstreckung zunächst unter der Auflage vorläufig eingestellt, dass der Schuldner ein amtsärztliches Attest oder Gutachten zur Möglichkeit der Räumung bei gründlicher medizinischer Begleitung vorlegt. Nachdem der Schuldner diese Auflage nicht erfüllt hat, hat das Amtsgericht seinen Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
Das Beschwerdegericht hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Verfahrensfähigkeit des Schuldners eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Schuldner eine krankheitsbedingte partielle Geschäftsunfähigkeit vorliege, die sich auf die - insbesondere juristische - Auseinandersetzung um das Grundstück beziehe. Das Beschwerdegericht hat daraufhin die Zwangsvollstreckung mit der Maßgabe einstweilen eingestellt, dass sie auf Antrag fortzusetzen sei, wenn die gegenwärtige Prozessunfähigkeit des Schuldners nicht mehr fortbestehe oder der Schuldner wirksam vertreten werde.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubiger.
Der Senat hat das zuständige Betreuungsgericht nach § 22a FamFG von der vom Beschwerdegericht festgestellten Prozessunfähigkeit des Schuldners unterrichtet. In dem hierauf eingeleiteten Betreuungsverfahren hat sich der Schuldner gegen die Bestellung eines Betreuers ausgesprochen. Das Betreuungsgericht hat daraufhin die Bestellung eines Betreuers abgelehnt, weil sich mangels Mitwirkung des Schuldners an einer persönlichen Befragung und Untersuchung durch einen Sachverständigen nicht hat feststellen lassen, ob die Ablehnung der Betreuerbestellung auf dem freien Willen des Schuldners beruht hat. Mit Verfügung des Vorsitzenden hat der Senat dem Schuldner daraufhin für das Zwangsvollstreckungsverfahren eine besondere Vertreterin (Verfahrenspflegerin) zur Seite gestellt.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Nachdem für den Schuldner eine Verfahrenspflegerin bestellt worden ist, stellt sich die vom Senat zunächst erwogene Frage nicht mehr, ob im Rechtsbeschwerdeverfahren, das sich gegen eine prozessunfähige Partei richtet, ausnahmsweise eine Sachentscheidung ergehen kann, wenn in der Vorinstanz trotz des bestehenden Verfahrenshindernisses eine Entscheidung zugunsten der prozessunfähigen Partei ergangen ist (vgl. für den Fall, dass in der Vorinstanz entgegen §§ 240, 249 ZPO ein Sachurteil ergangen ist, BGH, Urteil vom 21. Juni 1995 - VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Im Hinblick auf die Prozessunfähigkeit des Schuldners hätte das Beschwerdegericht die Zwangsvollstreckung nicht auf der Grundlage des - für diesen Fall nicht anwendbaren - § 765a ZPO einstweilen einstellen dürfen. Die Prozessunfähigkeit des Schuldners stellt keinen ganz besonderen Umstand dar, der eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte der Zwangsvollstreckung begründen könnte. Das Fehlen der Prozessfähigkeit des Schuldners ist vielmehr ein Verfahrenshindernis. Denn die Prozessfähigkeit ist jedenfalls dann Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner - wie im Falle der Räumung - daran mitwirken muss und nicht lediglich sichernde Maßnahmen zu treffen sind (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., vor § 704 Rn. 16; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., vor § 704 Rn. 22; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704 Rn. 80; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 32. Aufl., § 704 Vorbem. VII Rn. 43; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., Grundz. § 704 Rn. 40). Darüber hinaus ist die Prozessfähigkeit Prozesshandlungsvoraussetzung. Der Vollstreckungsschutzantrag, der von einer prozessunfähigen und auch nicht wirksam vertretenen Partei gestellt worden ist, ist daher unwirksam und darf nicht beschieden werden.
3. Nachdem dem Schuldner auf der Grundlage des im Zwangsvollstreckungsverfahren entsprechend anwendbaren § 57 ZPO (vgl. MünchKomm.ZPO/Lindacher, 3. Aufl., § 57 Rn. 5; Stein/Jonas/Bork aaO § 57 Rn. 1a) nunmehr eine Verfahrenspflegerin als gesetzliche Vertreterin zur Seite gestellt worden ist, ist das Hindernis der fehlenden Prozessfähigkeit auch für das weitere Zwangsvollstreckungsverfahren behoben. Das Beschwerdegericht wird nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob die Verfahrenspflegerin den bislang nicht wirksam gestellten Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners nachträglich - mit Rückwirkung (vgl. § 184 Abs. 1 BGB) - genehmigt oder zwischenzeitlich von neuem gestellt hat. Einem neuerlichen Vollstreckungsschutzantrag stünde in diesem Fall die Befristung nach § 765a Abs. 3 ZPO nicht entgegen. Aufgrund der fehlenden Prozessfähigkeit des Schuldners ist die ihm gegenüber vorgenommene Benachrichtigung von der bevorstehenden Räumung nicht wirksam erfolgt. Dies hat zur Folge, dass er an einer rechtzeitigen Antragstellung ohne sein Verschulden gehindert war (vgl. Zöller/Stöber aaO § 765a Rn. 19b).
Bornkamm Pokrant Büscher
Kirchhoff Koch