Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 17.08.2011


BGH 17.08.2011 - I ZB 5/11

Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung: Rechtsbehelf bei Geltendmachung des Einwands der Übersicherung des Gläubigers


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
17.08.2011
Aktenzeichen:
I ZB 5/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Berlin, 10. Dezember 2010, Az: 51 T 753/10, Beschlussvorgehend AG Schöneberg, 7. Oktober 2010, Az: 32 M 767/10
Zitierte Gesetze
§ 900 Abs 4 S 1 ZPO

Leitsätze

Der Schuldner kann den Einwand der Übersicherung des Gläubigers (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO und nicht mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltend machen .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.500 €.

Gründe

1

I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat der Schuldner nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO Widerspruch eingelegt. Er macht geltend, er sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet, weil der Gläubiger bereits durch andere Maßnahmen der Zwangsvollstreckung hinreichend gesichert sei.

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Das Vollstreckungsgericht hat den Widerspruch des Schuldners zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Widerspruch weiter.

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II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Einwand einer Übersicherung des Gläubigers sei im Widerspruchsverfahren unstatthaft. Dem Prüfungsgegenstand sei allein das Erinnerungsverfahren angemessen. Dieses führe bereits in erster Instanz zu einer richterlichen Entscheidung und verkürze auch nicht den Rechtsschutz des Schuldners.

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III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.

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1. Die Pfändung im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen darf nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2002  IX ZB 26/02, BGHZ 151, 384, 387).

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2. Der Schuldner kann den Einwand einer Übersicherung des Gläubigers allerdings grundsätzlich mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltend machen (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 766 Rn. 15). Gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Diese Entscheidung ist nach § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG dem Richter vorbehalten.

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Im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist jedoch der Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO gegenüber der Erinnerung nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO der speziellere und damit vorrangige Rechtsbehelf (KG, NJW 1956, 115 f.; LG Berlin, Rpfleger 2007, 407 f.; MünchKomm.ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 900 Rn. 19; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 900 Rn. 24; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 32. Aufl., § 900 Rn. 30b; vgl. auch Zöller/Stöber aaO § 900 Rn. 22). Bestreitet der Schuldner im Termin die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, so hat nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO das Gericht durch Beschluss zu entscheiden. Diese Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist nach § 20 Nr. 17 Satz 1 RPflG dem Rechtspfleger übertragen.

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Auch den Einwand der Übersicherung kann der Schuldner im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO geltend machen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434 f.; LG Detmold, Rpfleger 1990, 432, 433; LG Stuttgart, Rpfleger 2000, 28; MünchKomm.ZPO/Schmidt aaO § 777 Rn. 19; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 900 Rn. 21; Musielak/Lackmann aaO § 777 Rn. 6; Musielak/Voit aaO § 900 Rn. 25; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 900 Rn. 47; aA LG Hannover, Rpfleger 1986, 187; Zöller/Stöber aaO § 777 Rn. 8). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, die Aussichten des Gläubigers, aufgrund anderer Maßnahmen der Zwangsvollstreckung Befriedigung zu erlangen, könnten in der Regel nur im Erinnerungsverfahren hinreichend geprüft werden. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Entscheidung über den Einwand der Übersicherung dem Richter vorbehalten bleiben müsste. Vielmehr spricht der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie dafür, sämtliche Einwände, die der Schuldner im Termin gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorbringt  und so auch den Einwand der Übersicherung  im Widerspruchsverfahren vom Rechtspfleger überprüfen zu lassen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434, 435; LG Stuttgart, Rpfleger 2000, 28).

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IV. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Die Vorinstanzen haben sich bislang nicht mit der Frage befasst, ob der Gläubiger hinreichend gesichert ist.

Bornkamm                                      Büscher                                   Schaffert

                            Koch                                          Löffler