Entscheidungsdatum: 23.02.2012
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 20. April 2011 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 1.003,50 €
I. Die Schuldnerin begehrt die Aufhebung eines Ordnungsmittelbeschlusses, nachdem auf einseitige Erledigungserklärung des Gläubigers die Erledigung des diesem Beschluss zugrundeliegenden Titels festgestellt worden ist.
Der Gläubiger erwirkte am 30. Mai 2008 gegen die Schuldnerin wegen fehlerhafter Angabe eines Impressums im Internet eine Unterlassungsverfügung. Am 26. Juni 2008 stellte der Gläubiger wegen eines am Vortag begangenen Verstoßes der Schuldnerin Antrag auf Verhängung eines Ordnungsmittels. Mit Schreiben vom 23. September 2008 gab die Schuldnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die der Gläubiger "unter Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung ab dem 23.9.2008" annahm. Am 4. Februar 2009 verhängte das Landgericht gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 €. Nachdem ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde erfolglos blieb, zahlte die Schuldnerin das Ordnungsgeld. Im September 2010 forderte sie den Gläubiger erfolglos außergerichtlich auf, vollständig auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, weil der Anspruch inzwischen verjährt sei. Die Schuldnerin erhob sodann Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärte der Gläubiger den Verfügungsantrag für erledigt. Die Schuldnerin schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Mit Urteil vom 21. Dezember 2010 stellte das Landgericht fest, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. In der Begründung führte es aus, der Antrag sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen, jedoch für die Zeit ab dem 23. September 2008 schon durch die Unterwerfung der Schuldnerin und nach Eintritt der Verjährung auch für den davorliegenden Zeitraum unbegründet geworden.
Die Schuldnerin hat die Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 4. Februar 2009 begehrt. Ihr Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Aufhebungsantrag weiter.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Zwar würden mit Rechtskraft eines nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers ergehenden Erledigungsfeststellungsurteils zuvor ergangene, nicht rechtskräftige Entscheidungen gegenstandslos. Die dem Erledigungsfeststellungsurteil innewohnende Entscheidungswirkung rechtfertige indes, den vorliegend ergangenen Ordnungsmittelbeschluss aufrechtzuerhalten. Bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers bleibe der Rechtsstreit mit dem geänderten Klageziel der Feststellung rechtshängig, ob die Klage tatsächlich erledigt sei. Diese Feststellung setze voraus, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ursprünglich zulässig und begründet gewesen und erst infolge des erledigenden Ereignisses unzulässig oder unbegründet geworden sei. Sie erfordere also eine sachliche Prüfung des Klageanspruchs. Anders als im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen würden dem Schuldner deshalb in der Konstellation des Streitfalls keine Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten. Auch sei der Ordnungsmittelbeschluss schon vor Erledigung der Hauptsache ergangen, also noch während des Bestands der einstweiligen Verfügung als Vollstreckungstitel.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Nach dem Urteil des Landgerichts im Widerspruchsverfahren steht fest, dass die einstweilige Verfügung ursprünglich zulässig und begründet war. Sie konnte daher bis zur Erledigung auch Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsmittels sein (vgl. Sturhahn in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 53).
a) Allerdings hat der Senat entschieden, dass im Fall übereinstimmender und uneingeschränkter Erledigungserklärungen ein im Verfahren erlassener, noch nicht rechtskräftig gewordener Unterlassungstitel ohne weiteres entfällt und auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein kann, wenn die Zuwiderhandlung gegen das im Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot vor dem Zeitpunkt der Erledigung erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 342 ff. - Euro-Einführungsrabatt). Die für diese Entscheidung maßgeblichen Gründe liegen indes nicht vor, wenn allein der Gläubiger die Erledigung der Hauptsache erklärt.
Während bei übereinstimmender Erledigungserklärung die Parteien bestimmen können, für welche Zeitspanne die Unterlassungsverpflichtung erledigt sein soll und daher insbesondere der Gläubiger seine Erledigungserklärung zeitlich beschränken kann, bleibt die Entscheidung dieser Frage im Fall einseitiger Erledigung dem Gericht vorbehalten. Anders als bei übereinstimmender Erledigung wird die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüft. Es ergeht eine materielle Entscheidung über den Streitgegenstand. Dem Schuldner werden auch keine Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten, wie es insbesondere der Fall wäre, wenn eine ohne Anhörung des Gegners ergangene Beschlussverfügung auch nach übereinstimmenden und uneingeschränkten Erledigungserklärungen noch Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein könnte (vgl. BGHZ 156, 335, 343 - Euro-Einführungsrabatt).
b) Wird nach einseitiger Erledigungserklärung die Erledigung gerichtlich festgestellt, ist die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung weder gänzlich aufgehoben noch ohne gerichtliche Entscheidung fortgefallen. Es ist deshalb mit § 775 Nr. 1, § 776 ZPO vereinbar und geboten, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor der Erledigung wegen zuvor begangener Verstöße getroffen wurden, aufrechterhalten bleiben.
c) Wegen des vom Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen grundlegend abweichenden Verfahrenscharakters nach einseitiger Erledigungserklärung kommt es nicht darauf an, ob die Vertreterin des Gläubigers in der mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren am 23. November 2010 das Verfahren insgesamt oder nur mit Wirkung ab dem 23. September 2009 für erledigt erklärt hat. Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung sind deshalb auch die dazu angestellten Erwägungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Verfügungsverfahren unerheblich.
d) Die Rechtsbeschwerde führt zwar zutreffend aus, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts im vorliegenden Zusammenhang weder der Umstand, dass der Schuldner das Ordnungsgeld bereits gezahlt hat (KG NJW-RR 2000, 1523; OLG Köln GRUR 1992, 476, 477 f.) noch der Repressionszweck der Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidungserhebliche Gesichtspunkte sind. Auf die entsprechenden Erwägungen des Beschwerdegerichts kommt es jedoch nicht an, weil sich seine Entscheidung bereits aus den dargelegten Gründen als richtig erweist.
Bornkamm Pokrant Kirchhoff
Koch Löffler