Entscheidungsdatum: 17.08.2011
Aufschiebende Wirkung
Die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangs- oder Ordnungsmittels hat auch bei Zwangs- oder Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§ 888, 890 ZPO aufschiebende Wirkung .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. Februar 2011 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000 € festgesetzt.
I. Der Gläubiger ist Gesellschafter der i. GbR. Er hat vor dem Landgericht eine durch Urteil vom 12. Dezember 2007 bestätigte Beschlussverfügung erwirkt, mit der dem Schuldner unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel unter anderem untersagt wurde, mit der i. GbR innerhalb von drei Monaten in Wettbewerb zu treten.
Mit Beschluss vom 9. Mai 2008 hat das Landgericht gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 € und für den Fall seiner Nichtbeitreibbarkeit für je 500 € einen Tag Ordnungshaft festgesetzt. Der vom Schuldner eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2010 abgeholfen und den Beschluss vom 9. Mai 2008 aufgehoben.
Der vom Gläubiger gegen den Beschluss vom 4. Juni 2010 eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht unter Hinweis darauf nicht abgeholfen, dass mittlerweile Vollstreckungsverjährung eingetreten sei und für den Ordnungsmittelantrag des Gläubigers daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Landgerichts vom 4. Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses vom 4. Juni 2010.
II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts besteht hinsichtlich des mit dem Beschluss vom 9. Mai 2008 festgesetzten Ordnungsgeldes kein Vollstreckungshindernis wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung. Mit der Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO scheide Verfolgungsverjährung nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB aus und komme daher allein noch eine Vollstreckungsverjährung nach Art. 9 Abs. 2 EGStGB in Betracht. Die danach mit der Vollstreckbarkeit des Ordnungsmittels beginnende Verjährungsfrist von zwei Jahren ruhe gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EGStGB, solange die Vollstreckung nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden könne. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 570 Abs. 1 ZPO habe eine Beschwerde auch dann diese aufschiebende Wirkung, wenn sie sich gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels nach §§ 888, 890 ZPO richte. Die in der Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses enthaltenen Ausführungen ließen keinen sicheren Schluss auf einen gegenteiligen Willen des Gesetzgebers zu. Der Umstand, dass eine Ausdehnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen Beschlüsse nach §§ 888, 890 ZPO in der Vergangenheit - soweit ersichtlich - nicht diskutiert worden sei, könne die Mehrdeutigkeit des geäußerten gesetzgeberischen Willens nicht ausräumen. Für die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auch in den Fällen der §§ 888, 890 ZPO spreche zudem die in der Begründung des Regierungsentwurfs enthaltene Bezugnahme auf die Generalklauseln in § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 131 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 175 Satz 1 SGG; denn diese Wirkung gelte auch für das Zwangsgeld, das nach § 172 VwGO, § 154 FGO und § 201 SGG zur Durchsetzung einer der Behörde durch Urteil oder einstweilige Anordnung auferlegten Verpflichtung festzusetzen sei.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist zwar aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass keine Verjährung eingetreten und der vom Gläubiger gestellte Vollstreckungsantrag daher nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist.
1. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und von der Rechtsbeschwerde insoweit auch unbeanstandet angenommen, dass auf die Ordnungsmittel des § 890 ZPO die Regelung des Art. 9 EGStGB anzuwenden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2004 IXa ZB 18/04, BGHZ 161, 60, 63). Dasselbe gilt für seine Annahme, in Fällen, in denen wie vorliegend das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat, könne keine Verfolgungsverjährung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 EGStGB mehr eintreten (BGHZ 161, 60, 64 bis 66).
2. Das Beschwerdegericht hat des Weiteren insoweit entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde mit Recht angenommen, dass der danach allein in Betracht kommenden Vollstreckungsverjährung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 EGStGB entgegenstand, dass diese Verjährung zwar mit der Vollstreckbarkeit begonnen (Art. 9 Abs. 2 Satz 3 EGStGB; vgl. BGHZ 161, 60, 65), aber seit der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den Beklagten am 21. Mai 2008 gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EGStGB geruht hat. Das Beschwerdegericht hat mit Recht die in diesem Zusammenhang entscheidende Frage bejaht, ob die aufschiebende Wirkung, die eine Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels gemäß § 570 Abs. 1 ZPO hat, auch bei Zwangs- und Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§ 888, 890 ZPO eintritt.
a) Die genannte, in der Rechtsprechung wie auch im Schrifttum umstrittene und vom Bundesgerichtshof (vgl. BGHZ 161, 60, 65) bislang noch nicht entschiedene Frage wird teilweise mit der Begründung verneint, die weite Fassung des § 570 Abs. 1 ZPO beruhe auf einem Redaktionsversehen, das dem Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschriften über die Beschwerde im Zuge der ZPO-Reform 2002 unterlaufen und durch eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift zu korrigieren sei (vgl. OLG Köln, NJWRR 2003, 716 f.; MünchKomm.ZPO/Lipp, 3. Aufl., § 570 Rn. 2; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rn. 48 und § 890 Rn. 70; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 570 Rn. 2; Zöller/Stöber aaO § 888 Rn. 15 und § 890 Rn. 20; Olzen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 888 Rn. 33 und § 890 Rn. 29; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 570 Rn. 1; Seiler in Thomas/Putzo aaO § 888 Rn. 18 und § 890 Rn. 40; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 888 Rn. 51; Gaul in Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 38 Rn. 21). Diese Ansicht wird außer mit der vollstreckungsrechtlichen Funktion der §§ 888, 890 ZPO und dem Umstand, dass in diesen Bestimmungen das Wort "Festsetzung" nicht verwendet wird, vor allem damit begründet, dass der Gesetzgeber nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses nichts an der bisher bestehenden Rechtslage habe ändern wollen, nach der Beschwerden gegen Beschlüsse gemäß §§ 888, 890 ZPO keine aufschiebende Wirkung gehabt hätten. Sie nimmt dabei insbesondere auf die Formulierung in der Begründung zum Regierungsentwurf Bezug, wonach die an die Stelle des Enumerationsprinzips in § 572 ZPO aF tretende Generalklausel des § 570 Abs. 1 ZPO die nach dem bisherigen Recht unvollständige Aufzählung einzelner Ordnungs- und Zwangsmittel "ohne inhaltliche Änderung" obsolet mache (vgl. OLG Köln, NJWRR 2003, 715, 716 mit Hinweis auf BTDrucks. 14/4722, S. 112).
b) Das Beschwerdegericht weist demgegenüber zur Begründung seiner gegenteiligen, in der Rechtsprechung und im Schrifttum ebenfalls verbreiteten Ansicht (vgl. OLG Frankfurt a.M., InstGE 9, 301, 302; Beschluss vom 12. Juni 2009 6 W 81/09, juris Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Jänich, ZPO, 3. Aufl., § 570 Rn. 3; Baumbach/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 570 Rn. 4 und § 890 Rn. 40; Sturhahn in Schuschke/Walker aaO § 890 Rn. 56; Lohmann in Prütting/Gehrlein aaO § 570 Rn. 2; Kayser in HkZPO, 4. Aufl., § 570 Rn. 3; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rn. 20) mit Recht darauf hin, dass die Äußerung des Reformgesetzgebers an der bewussten Stelle keineswegs eindeutig, sondern im Gegenteil in sich widersprüchlich ist. So findet sich dort zwischen den Passagen, auf die sich die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Ansicht stützt, die Wendung eingestreut, die Beschwerde habe "nunmehr immer dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand" habe. Bei dieser Sachlage erscheint es allenfalls möglich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung lediglich die zu § 572 ZPO aF überwiegend vertretene Ansicht bestätigen wollte, dass die dort enthaltene Aufzählung einzelner Bestimmungen unvollständig und die Regelung daher auf entsprechend gelagerte andere Fälle zu erstrecken sei. Wohl näher, zumindest aber ebenso nahe liegt die Annahme, dass der Gesetzgeber mit einer generellen Regelung im reformierten Gesetz sonst absehbar erneut drohenden Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Behandlung der einzelnen Fälle entgegenwirken wollte. Bei diesen Gegebenheiten verbietet sich eine Normauslegung, die den für sich gesehen durchaus klaren Wortlaut des § 570 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf einen möglicherweise gegenteiligen Willen des Gesetzgebers korrigiert. Dies gilt umso mehr deshalb, weil wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend berücksichtigt hat nach den in § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 131 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 201 SGG enthaltenen Generalklauseln, auf die sich der Reformgesetzgeber zur Begründung der in § 570 ZPO enthaltenen neuen Regelung bezogen hat, Beschwerden aufschiebende Wirkung insbesondere auch bei Zwangsgeldern gemäß § 172 VwGO, § 154 FGO und § 201 SGG haben, die Behörden zur Erfüllung ihnen gerichtlich auferlegter Pflichten veranlassen sollen (vgl. Meyer-Ladewig/Rudise in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 11. Lieferung Juli 2005, § 149 Rn. 3; Kaufmann in Posser/Wolff, VwGO, § 149 Rn. 1).
3. Die vom Beschwerdegericht auf der Grundlage des § 572 Abs. 3 ZPO vorgenommene Zurückverweisung an das Landgericht lässt zumal unter Berücksichtigung dessen, dass dieses sich - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - mit dem sachlichen Beschwerdevorbringen des Gläubigers noch nicht auseinandergesetzt hat, keinen Ermessensfehler erkennen und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet.
IV. Nach allem ist die Rechtsbeschwerde des Schuldners unbegründet und deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler