Entscheidungsdatum: 06.10.2011
NV: Das Senatsurteil vom 20. April 2011 I R 97/10 (BFHE 233, 508, BStBl II 2001, 815, BFH/NV 2011, 1789), welches das sog. Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG 2020) im Verlustfall bei einer Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG 2002 zu einem Kaufpreis von mehr als 37.000 € angewendet hat, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH, nach der das Halbabzugsverbot bei lediglich aus buchungstechnischen Gründen gewählten symbolischen Kaufpreisen nicht anwendbar ist.
II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet.
Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht verletzt.
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, in der Begründung seiner Entscheidung zu jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich Stellung zu nehmen; es muss sich nur mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinandersetzen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153; Senatsbeschluss vom 22. April 2009 I B 162/08, BFH/NV 2009, 1458, m.w.N.).
2. Diese Erfordernisse hat der Senat im Zusammenhang mit dem angefochtenen Urteil beachtet.
a) Die Kläger rügen, der Senat habe ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen, wonach der Kläger zum Einspruchsverfahren der B-AG beim FA X gemäß § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) "einfach" habe hinzugezogen werden müssen. Der Senat habe sich lediglich mit den Rechtsfolgen einer unterlassenen "notwendigen" Hinzuziehung des Klägers nach § 360 Abs. 3 AO befasst, auf die sich die Kläger jedoch gar nicht berufen hätten.
Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Senatsurteils (Gliederungspunkt II.2.e) ergibt sich indes, dass der Senat den Vortrag, der Kläger habe "gemäß § 360 der Abgabenordnung" zu dem Einspruchsverfahren hinzugezogen werden müssen, für rechtlich nicht erheblich gehalten hat, weil "selbst wenn eine solche Hinzuziehung notwendig gewesen wäre", ihr Fehlen allenfalls dazu hätte führen können, dass der Kläger nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen an die bei der B-AG erfolgte Sachbehandlung gebunden wäre, die Bindung sich im Streitfall jedoch schon aus dem materiellen Recht (nämlich aus § 20 Abs. 4 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes --UmwStG 1995--) ergebe. Darin kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass nach der Rechtsauffassung des Senats das Unterlassen einer Hinzuziehung des Klägers zum Einspruchsverfahren der B-AG sowohl im Falle einer nur gemäß § 360 Abs. 1 AO möglichen Hinzuziehung als auch ("selbst") im Falle einer notwendigen Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 AO nichts an der materiell-rechtlichen Bindung nach § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 würde ändern können. Er hat das diesbezügliche Vorbringen der Kläger folglich zur Kenntnis genommen und erwogen, es jedoch für rechtlich nicht durchschlagend gehalten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs liegt darin nicht.
b) Des Weiteren bemängeln die Kläger, der Senat habe den ausführlichen Sachvortrag in der Revisionsbegründung zur ihrer Auffassung nach willkürlich zu niedrigen Festlegung des Teilwerts der eingebrachten Beteiligung im Rahmen der tatsächlichen Verständigung der B-AG mit dem FA X pauschal und ohne nähere Begründung als spekulativ bezeichnet und ihn somit offenkundig nicht erwogen.
Den Entscheidungsgründen des Senatsurteils ist jedoch zu entnehmen, dass der Senat sich gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind, gebunden gesehen hat (Gliederungspunkt II.2.a) und dass nach seiner Auffassung der als spekulativ bezeichnete Sachvortrag der Kläger zu der behaupteten Willkür in Zusammenhang mit der tatsächlichen Verständigung die gegenteilige Sachverhaltswürdigung des Finanzgerichts (FG) nicht zu widerlegen vermöge (Gliederungspunkt II.2.d.cc). Der wesentliche Kern der Zurückweisung des diesbezüglichen Sachvortrags durch den Senat wurzelt folglich nicht in der Charakterisierung als spekulativ, sondern in der angenommenen Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und dem Fehlen zulässiger und begründeter Revisionsrügen. Die Ersetzung der Beweiswürdigung des FG durch die eigene --abweichende-- Beweiswürdigung des Revisionsklägers ist keine zulässige Revisionsrüge und zwar unabhängig davon, ob die diesbezüglichen Erwägungen zugleich als spekulativ zu charakterisieren sind oder nicht. Von daher kann in dem Umstand, dass der Senat diese Charakterisierung nicht näher begründet hat, kein die Fortführung des Verfahrens nach § 133a FGO gebietender Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gesehen werden.
Soweit die Kläger vorbringen, das FG habe überhaupt keine Feststellungen zur Frage der willkürlichen Wertbemessung getroffen, sondern diese Frage letztlich offengelassen, berufen sie sich der Sache nach nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern machen ein unrichtiges Verständnis des vorinstanzlichen Urteils durch den Senat geltend. Damit können sie jedoch im Verfahren der Anhörungsrüge keinen Erfolg haben.
3. Soweit die Kläger sich mit Schriftsatz vom 26. September 2011 zusätzlich darauf berufen, der Senat habe sich nicht mit ihrem Vorbringen in der Revisionsbegründung befasst, bei der Vereinbarung von lediglich symbolischen Veräußerungspreisen für Kapitalgesellschaftsanteile sei eine Anwendung des sog. Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 ausgeschlossen, können sie damit schon deshalb nicht gehört werden, weil diese Rüge erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO (zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs) erhoben wurde.
Im Übrigen ist --auch anhand des Vorbringens in der Revisionsbegründung-- nicht ersichtlich, dass der im Dezember 2002 vereinbarte Kaufpreis für die restlichen Aktien des Klägers an der B-AG von immerhin noch 37.998 € in dem Sinne lediglich symbolischen Charakter gehabt haben könnte, dass er nur aus buchungstechnischen Gründen angesetzt wurde. Insofern steht das Senatsurteil durchaus in Übereinstimmung mit der neuesten --den Mitgliedern des I. Senats mit Veröffentlichung im Juli 2011, also nach Ergehen des angefochtenen Urteils, bekannt gewordenen und deshalb dort nicht erwähnten-- Rechtsprechung des IX. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der das Halbabzugsverbot zwar nicht bei lediglich aus buchungstechnischen Gründen gewählten symbolischen Preisen (z.B. 1 € für eine wertlose Beteiligung), wohl aber bei sonstigen verlustverursachenden Veräußerungen zu geringfügigen Kaufpreisen anwendbar ist (BFH-Urteile vom 6. April 2011 IX R 40/10, BFHE 233, 442, BStBl II 2011, 785, und IX R 61/10, BFHE 233, 446).