Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 11.09.2013


BFH 11.09.2013 - I R 72/12

(Mindest-)Pensionsalter bei Versorgungszusage an beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
11.09.2013
Aktenzeichen:
I R 72/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Köln, 6. September 2012, Az: 10 K 1645/11, Urteil
Zitierte Gesetze
EStG VZ 2005
R 41 Abs 9 S 1 EStR 2001
R 6a Abs 8 EStR 2012

Leitsätze

Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG sind für die Berechnung des Teilwerts der Pensionsrückstellung die Jahresbeträge zugrunde zu legen, die vom Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles rechnungsmäßig aufzubringen sind. Ein Mindestpensionsalter wird hiernach auch für die Zusage gegenüber dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nicht vorausgesetzt (gegen R 41 Abs. 9 Satz 1 EStR 2001, R 6a Abs. 8 EStR 2012). Wurde einem ursprünglichen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH eine Pension auf das 60. Lebensjahr zugesagt und wird der Begünstigte später zum Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer, ohne dass die Altersgrenze angehoben wird, kommt deshalb insoweit allenfalls die Annahme einer vGA, nicht aber eine Bilanzberichtigung, in Betracht.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, welche Auswirkungen der Wechsel vom Minderheits- zum Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH auf die Berechnung der Pensionsrückstellung nach Maßgabe von § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat.

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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Steuerberatungs-GmbH, erteilte ihrem --seit 1979-- alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer, dem am 22. April 1950 geborenen A, am 15. Januar 1987 eine Pensionszusage. A, der zu diesem Zeitpunkt mit 25 % an der Klägerin beteiligt war, hatte hiernach einen Anspruch u.a. auf Altersrente in Höhe von 60 % seiner jährlichen Gesamtbezüge bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen nach Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Klägerin berechnete dementsprechend die jährlichen Zuführungen zur Pensionsrückstellung jeweils unter Ansatz des 60. Lebensjahres.

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Durch einen Gesellschafterwechsel im Jahr 2002 war A seitdem mit 60 % an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin veränderte die Grundlagen für die Bewertung der Pensionsrückstellung nicht. Im Rahmen einer Außenprüfung für die Geschäftsjahre 2002 bis 2004 blieb dies unbeanstandet. Die Körperschaftsteuerbescheide und die Gewerbesteuermessbescheide bis einschließlich 2004 sind bestandskräftig und nicht mehr änderbar.

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Für das Streitjahr 2005 führte die Klägerin der Pensionsrückstellung einkommenswirksam den Betrag von 117.189 € zu; bei einem Pensionsalter von 65 Jahren hätte die Zuführung 60.601 € betragen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat in entsprechenden Änderungsbescheiden die Auffassung, die Pensionsrückstellung sei aufgrund der zwischenzeitlich beherrschenden Gesellschafterstellung des A auf das 65. Lebensjahr zu berechnen und damit in Höhe von 461.213 € einkommenswirksam aufzulösen.

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Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage zum überwiegenden Teil statt; die Pensionsrückstellung sei weiterhin und jedenfalls zum Bilanzstichtag des Streitjahres unverändert mit dem zum 31. Dezember 2004 erfassten Wert anzusetzen. Wegen der bis dahin bestandskräftigen und nicht mehr änderbaren Steuerbescheide sei die Rückstellung auf diesen Stand "einzufrieren". Vom Streitjahr an sei die Rückstellung hingegen neu zu berechnen, da bei beherrschenden Gesellschaftern eine Pensionszusage nur auf das 65. Lebensjahr steuerlich anerkannt werde. Das Urteil des FG Köln vom 6. September 2012  10 K 1645/11 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 770 abgedruckt.

6

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); das FG hat im angefochtenen Urteil ohne Rechtsfehler erkannt, dass eine Auflösung der Pensionsrückstellung zum 31. Dezember des Streitjahres und ein neuer Ansatz nach Maßgabe eines höheren Pensionsalters (65 Jahre) nicht in Betracht kommt.

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1. Die ursprüngliche, im Jahr 1987 auf die Vollendung des 60. Lebensjahres erteilte Pensionszusage an den (damaligen) Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer hielt den steuerrechtlichen Anforderungen sowohl im Hinblick auf die Maßgaben der betrieblichen Veranlassung (hier: in Abgrenzung zu einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes) als auch im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 EStG stand. Das FG hat dazu zutreffend auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zusageerteilung abgestellt (Senatsurteile vom 28. April 1982 I R 51/76, BFHE 135, 519, BStBl II 1982, 612; vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301; vom 11. Februar 1997 I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; vom 9. April 1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit und bedarf keiner weiteren Erörterungen.

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2. Der Umstand, dass A im Jahr 2002 durch das Aufstocken seiner Beteiligung zum beherrschenden Gesellschafter der Klägerin geworden ist, berührt den Inhalt des ursprünglichen Versorgungsversprechens nicht; die Parteien haben das ursprünglich vereinbarte Pensionsalter auch nicht verändert. Bei der Ermittlung des Teilwerts der Verpflichtung ist dieser Umstand deshalb nicht mindernd zu berücksichtigen. Eine Korrektur der von der Klägerin angesetzten Pensionsrückstellung zum 31. Dezember des Streitjahres kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Korrektur der Bilanzansätze der Jahre 2002 bis 2004 im Wege der Bilanzberichtigung (vgl. § 4 Abs. 2 EStG) in der ersten offenen Schlussbilanz (Bilanz des Streitjahres).

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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt im Urteil vom 28. April 2010 I R 78/08, BFHE 229, 234, BStBl II 2013, 41) kann die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten ihres Gesellschafter-Geschäftsführers wegen § 8 Abs. 1 KStG nur insoweit zur Minderung des steuerlichen Gewinns führen, als die Voraussetzungen des § 6a EStG eingehalten sind. Darüber hinaus kann die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung aus steuerrechtlicher Sicht eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) sein, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der verpflichteten Gesellschaft nicht mindern darf, wenn/soweit die Pensionsverpflichtung nicht (ausschließlich) durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern (zumindest unter anderem) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Während auf dieser Grundlage die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a EStG "bilanzinterne Voraussetzungen" sind (was zugleich die "rückwärtsgerichtete Bestandskorrektur" einer Pensionsrückstellung ermöglichen kann), gilt dies für die Annahme einer vGA nicht: Die Zuführungen zu einer Rückstellung für die Verbindlichkeit aus einer betrieblichen Versorgungszusage, die den Vorgaben des § 6a EStG entspricht, aus steuerrechtlichen Gründen aber als vGA zu behandeln sind, sind außerhalb der Bilanz dem Gewinn hinzuzurechnen (sog. zweite vGA-Prüfungsstufe, vgl. z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 6a Rz 3; derselbe, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 247, 395; s.a. Dommermuth in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6a EStG Rz 26; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 755). Ist eine Hinzurechnung unterblieben und aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Änderung der betreffenden Steuerbescheide nicht mehr möglich, können die rückgestellten Beträge auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht mehr als vGA berücksichtigt werden.

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b) Die Revision macht geltend, die Pensionsrückstellung zum 31. Dezember des Streitjahres sei "bereits dem Grunde nach zu hoch gebildet", weil sie dem Pensionsalter für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer von 65 Jahren nicht entspreche, was sich auf die Rückstellungsbildung nach § 6a EStG und damit "innerbilanziell" auswirke. Dem ist nicht beizupflichten. Ein Mindestpensionsalter für einen versorgungsbegünstigten Gesellschafter-Geschäftsführer ist weder den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 EStG zu entnehmen noch ist es Gegenstand der Teilwertberechnung des § 6a Abs. 3 EStG.

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aa) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden. Für dessen Berechnung und die Berechnung der der Pensionsrückstellung zuzuführenden Jahresbeträge enthalten die Sätze 2 und 3 des § 6a Abs. 3 EStG einzelne Berechnungsvorgaben. Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG sind die bei der Pensionsrückstellung zu berücksichtigenden Jahresbeträge zugrunde zu legen, die vom Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles rechnungsmäßig aufzubringen sind.

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bb) Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Vorgaben und der am 15. Januar 1987 durch die Klägerin erteilten Pensionszusage ist im Streitfall von dem Eintritt des Versorgungsfalles mit Vollendung des 60. Lebensjahres von A auszugehen. Hiernach ist der Teilwert der Pensionsrückstellung zu errechnen. Soweit die Finanzverwaltung eine Rückstellungsberechnung lediglich auf der Grundlage eines Pensionseintrittsalters von 65 Jahren zulassen möchte (vgl. H 38 der Hinweise zu den Körperschaftsteuer-Richtlinien 2008 und bereits Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 15. Dezember 1982, BStBl I 1982, 988, zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF-Schreiben vom 29. März 2007, BStBl I 2007, 369; s.a. R 38 Satz 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004 mit Verweis auf "R 41 EStR", dort R 41 Abs. 9 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2001, entsprechend R 6a Abs. 8 EStR 2012, dort mittlerweile bezogen auf das 67. Lebensjahr), kann dem nicht gefolgt werden (ebenso z.B. Urteil des Hessischen FG vom 22. Mai 2013  4 K 3070/11, EFG 2013, 1508; Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1093; Haug/Huber in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 1611; anders aber z.B. Blümich/H.-J. Heger, a.a.O., § 6a EStG Rz 555; Rengers, ebenda, § 8 KStG Rz 750; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 6a Rz 23; Wochinger in Ernst & Young, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen, Kap. 4 Rz 14 und 96, 99). Denn nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG ist bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen ausschließlich auf den in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles abzustellen. Für ein davon abweichendes Hinausschieben des Pensionsalters und eine sich danach zu bemessende Teilwertberechnung gibt die Regelung nichts her. Insbesondere geht die Finanzverwaltung fehl in der Annahme, der maßgebliche Eintritt des Versorgungsfalles werde durch die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung markiert; eine entsprechende automatische Verknüpfung enthält das Gesetz nicht.

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Auch aus dem von der Revision herangezogenen Senatsurteil vom 23. Januar 1991 I R 113/88 (BFHE 163, 207, BStBl II 1991, 379) ergibt sich nichts Abweichendes. Der Senat hat in jenem Urteil --bezogen auf die Qualifizierung von (laufenden) Einkommensminderungen im Zuge der Aufstockung von Pensionsrückstellungen-- zwar darauf verwiesen, die Höhe einer Rückstellung sei nach der wahrscheinlich zu erbringenden Leistung zu bemessen, was die Einbeziehung von Erkenntnissen über das "Ruhestandsverhalten" dieser Personen rechtfertige (s.a. Senatsurteil vom 11. April 1990 I R 95/88, BFH/NV 1991, 659; Beschluss des FG München vom 20. Februar 2012  7 V 2818/11, EFG 2012, 1171); bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass dieser Personenkreis im allgemeinen nicht vor dem 65. Lebensjahr in Ruhestand trete, werde die verpflichtete Kapitalgesellschaft voraussichtlich nicht zu einem früheren Termin in Anspruch genommen werden, was wiederum die Anerkennung von entsprechenden Betriebsausgaben hindere. Eine Entscheidung zu der hier streiterheblichen Rechtsfrage der Qualifizierung als "bilanzinterne Voraussetzung" lässt sich diesem Senatsurteil allerdings nicht entnehmen, da der Senat die Einkommenserhöhung alternativ mit dem Tatbestand der vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG begründet hat.

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3. Der Senat kann unbeantwortet lassen, ob sich unabhängig davon eine im Gesellschaftsverhältnis gründende Veranlassung der Versorgungsleistung daraus ableiten lässt, dass das auf das vollendete 60. Lebensjahr bestimmte Pensionsalter auch nach dem Wechsel des A vom Minderheits- zum Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer --statt des für einen solchen Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer andernfalls üblichen 63. oder 65. Lebensjahres (s. dazu z.B. Urteil des FG Düsseldorf vom 6. November 2012  6 K 1093/10 K,G,F, EFG 2013, 323; Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1092; Otto in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 5. Aufl., StR F Rz 290, m.w.N.)-- beibehalten worden ist (vgl. zu den Steuerfolgen eines solchen "Statuswechsels" z.B. Senatsurteil vom 18. September 1962 I 176/61 U, BFHE 76, 276, BStBl III 1963, 98; Otto in Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., StR F Rz 296). Diese Rechtsfrage, die dem FG Grund für die Zulassung der Revision gegeben hat, ist nicht Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens; die Klägerin hat die Entscheidung des FG, soweit es die Zuführung des Streitjahres zur Pensionsrückstellung bei der Einkommens- und Gewerbeertragsermittlung hinzugerechnet und die Klage insoweit abgewiesen hat, nicht angefochten.