Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 23.10.2013


BFH 23.10.2013 - I R 55/12

(Keine Beschwer durch zu hohen Spendenvortrag - Ermittlung des Höchstbetrages für den Spendenabzug i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG - Kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Körperschaftsteuerbescheid und Feststellungsbescheid)


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
23.10.2013
Aktenzeichen:
I R 55/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Düsseldorf, 26. Juni 2012, Az: 6 K 3767/10 F, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Durch die Feststellung eines zu hohen Spendenvortrags ist der Steuerpflichtige nicht beschwert. Ein höherer unmittelbarer Spendenabzug kann nur durch Anfechtung der betreffenden Steuerfestsetzung geltend gemacht werden .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten in der Sache darum, ob bei der Ermittlung des Höchstbetrags für den Spendenabzug eines Organträgers gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815) --KStG 2002 n.F.-- das Einkommen der Organgesellschaft zu berücksichtigen ist.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige liechtensteinische Stiftung, die in den Streitjahren (2007 und 2008) als Kommanditistin an der X-GmbH & Co. KG beteiligt war. Die X-KG war Organträgerin einer körperschaftsteuerlichen Organschaft mit der A-GmbH.

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Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 54.244.631 € (2007) und 52.473.557 € (2008). Davon entfielen auf die Gewinnanteile an der X-KG 2.830.620,59 € (2007) bzw. 636.035 € (2008) und auf das der X-KG aufgrund der Organschaft zuzurechnende Einkommen der A-GmbH 51.414.010,79 € (2007) bzw. 47.776.968 € (2008). Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte die Klägerin Spenden in Höhe von 566.124 € (2007) und 127.205 € (2008) einkommensmindernd. Das entsprach jeweils 20 v.H. des Gewinnanteils an der X-KG ohne Berücksichtigung des Einkommens der A-GmbH.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Körperschaftsteuern für die Streitjahre erklärungsgemäß fest. Außerdem stellte er verbleibende Zuwendungsvorträge gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 und 4 KStG 2002 n.F. i.V.m. § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) in Höhe von 798.708 € (auf den 31. Dezember 2007) und von 1.235.107 € (auf den 31. Dezember 2008) sowie verbleibende Großspendenvorträge gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 und 5 KStG i.d.F. vor dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG 2002 in Höhe von 1.715.991 € (auf den 31. Dezember 2007) und von 1.652.387 € (auf den 31. Dezember 2008) gesondert fest. Die Bescheide standen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

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Nachdem die Klägerin bereits Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2007 und 2008 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Großspendenvorträge auf den 31. Dezember 2007 und den 31. Dezember 2008 erhoben hatte, beantragte sie beim FA des Weiteren eine Änderung der Bescheide bezüglich der gesonderten Feststellung der verbleibenden Spenden- bzw. Zuwendungsvorträge auf den 31. Dezember 2007 und den 31. Dezember 2008 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Ihrer Auffassung nach ist bei der Bemessung des einkommensabhängigen Spendenhöchstbetrags gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Nr. 1 KStG 2002 n.F. bei einem Organträger auch das Einkommen der Organgesellschaft zu berücksichtigen. Das FA war anderer Auffassung; es lehnte eine Änderung der Feststellungsbescheide ab. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat sie als unbegründet abgewiesen; sein Urteil vom 26. Juni 2012  6 K 3767/10 F ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1876 abgedruckt.

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Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die streitgegenständlichen Feststellungsbescheide dahingehend abzuändern, dass das Einkommen der A-GmbH bei der Bemessung der Spendenhöchstbeträge berücksichtigt wird.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zwar die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet und als (lediglich) unbegründet abgewiesen. Gleichwohl ist der Tenor seines Urteils zutreffend. Die Revision ist deshalb mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist. Die Klägerin hat nicht schlüssig geltend gemacht, durch die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung der Großspendenvorträge und die Ablehnung der Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Spenden- bzw. Zuwendungsvorträge in ihren Rechten verletzt zu sein.

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1. Nach § 40 Abs. 2 FGO sind Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt bzw. durch die Ablehnung eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein (Beschwer). Bei Steuerbescheiden fehlt es nach ständiger Rechtsprechung in der Regel an der Beschwer, wenn sich die Klage gegen eine aus Sicht des Klägers zu niedrige Steuerfestsetzung richtet (z.B. Senatsurteil vom 10. Januar 2007 I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506, m.w.N.). Ausnahmsweise kann ein Kläger aber auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein. Das ist der Fall, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die angefochtene zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 2002 V B 56/01, BFH/NV 2002, 805). Diese Grundsätze gelten entsprechend im Rahmen eines Rechtsstreits, der sich auf ein gesondertes Feststellungsverfahren bezieht (Senatsbeschluss vom 27. August 2008 I B 221/07, BFH/NV 2008, 2037; a.A. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 40 Rz 92).

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2. Nach diesen Maßgaben fehlt es hier an einer Beschwer der Klägerin. Diese hält die vom FA festgestellten Spendenvorträge für zu hoch, weil sie der Auffassung ist, ein größerer Teil der Spenden sei in den Streitjahren unmittelbar abzugsfähig gewesen. Durch zu hohe Spendenvorträge --und nur diese sind Gegenstand der Klage-- würde die Klägerin aber nicht in ihren Rechten verletzt; ihr würde dadurch kein erkennbarer Nachteil zugefügt. Die höheren Spendenvorträge können in den folgenden Veranlagungszeiträumen für die Klägerin allenfalls zu niedrigeren, nicht aber zu höheren Steuern führen.

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Kern des Anliegens der Klägerin ist ein höherer unmittelbarer Spendenabzug in den Streitjahren. Das kann sie nur durch Anfechtung bzw. Änderung der Steuerfestsetzungen erreichen. Die Höhe der festzustellenden Spendenvorträge richtet sich nach dem jeweiligen "Verbrauch" des Spendenvolumens in den Streitjahren, ist also insoweit logisch nachrangig gegenüber der Steuerfestsetzung. Sind die Steuerfestsetzungen wegen höheren abzugsfähigen Spendenvolumens zu ändern, sind auch die Feststellungsbescheide anzupassen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 KStG 2002 n.F. i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2002). Ansonsten bestand nach der im Streitfall maßgeblichen Rechtslage zwischen den Körperschaftsteuerbescheiden und den Bescheiden über die Feststellungen der verbleibenden Spenden- bzw. Zuwendungs- und Großspendenvorträge kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis (vgl. zum unmittelbaren Anwendungsbereich des § 10d EStG 2002 z.B. BFH-Beschluss vom 26. August 2010 X B 219/09, BFH/NV 2011, 50; anders jetzt § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2009 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394: Bei Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden sind).

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Ein irgendwie gearteter Vorteil einer vorzeitigen, isolierten Änderung der Feststellungsbescheide für die Klägerin ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil würde dann --theoretisch-- die Gefahr bestehen, dass die Spendenvorträge ihrem Antrag entsprechend herabgesetzt werden, während die Steuerfestsetzungen später --aus welchem Grund auch immer-- nicht entsprechend zu ihrem Vorteil geändert werden.