Entscheidungsdatum: 04.04.2012
NV: Die Frage, ob Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung nach Eintritt des Versorgungsfalles als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sind, wenn die Zuführungen zur Pensionsrückstellung während der Anwartschaftsphase die sog. 75 v.H.-Grenze überschreiten, stellt sich nicht, wenn bezüglich der Berufsunfähigkeitsrente der Versorgungsfall eingetreten ist. Die Fragestellung lässt außer Acht, dass zwischen der Zusage einer Altersrente und einer Berufsunfähigkeitsrente zu unterscheiden ist .
I. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), einer GmbH, waren die Eheleute H und G. Die Klägerin sagte beiden Gesellschafter-Geschäftsführern 1991 eine Alters- und Invalidenrente in Höhe von jährlich 120.000 DM (H) und 80.000 DM (G) sowie eine Hinterbliebenenrente in Höhe von jährlich 100.000 DM (H) und 80.000 DM (G) zu. 1991 betrug das Jahresgehalt von H ca. 75.000 DM und das von G ca. 31.000 DM. Der Anspruch auf Zahlung der Altersrente sollte mit Vollendung des 65. Lebensjahres entstehen. Im August 1998 erlitt H einen Unfall und war seither querschnittsgelähmt. Ab 1. Februar 1999 erhielt er eine Berufsunfähigkeitsrente. Die Gehaltszahlungen an H betrugen im Jahr 1997 66.634 DM, im Jahr 1998 43.509 DM, im Jahr 1999 110.000 DM, und ab dem Jahr 2000 120.000 DM. 2005 verstarb H.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) bemängelte die Höhe der Pensionszusagen an H und G für die Streitjahre (1999 bis 2003), weil diese zusammen mit den Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 v.H. der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer überschritten. Zudem wurde auch die Zusage der Hinterbliebenenversorgungen als unüblich angesehen. Die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente an H sei nur insoweit betrieblich veranlasst, als sie dem unter Berücksichtigung der 75 v.H.-Grenze anzuerkennenden Teilbetrag der Pensionsanwartschaften entsprochen habe. Dabei ging das FA vom Jahresgehalt 1997, dem letzten Jahresgehalt vor dem Unfall des H, als Maßgröße aus. Den darüber hinausgehenden Teil der Berufsunfähigkeitsrente behandelte das FA als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Es teilte die Pensionsrückstellung für die Zusage an H entsprechend auf und rechnete den nicht betrieblich veranlassten Teil der Zuführungen dem Gewinn der Klägerin außerbilanziell wieder zu, weil eine innerbilanzielle Korrektur der Höhe der Pensionsrückstellung nur während der Anwartschaftsphase und nicht aber nach Eintritt des Versorgungsfalles möglich sei. Im Einzelnen ging das FA davon aus, dass aufgrund des Unfalls des H und dessen Berufsunfähigkeit zum 31. Dezember 1998 der Rentenbarwert zu passivieren und um 1/3 nach unten zu korrigieren gewesen wäre. Die Wertansätze der Pensionsrückstellungen wurden ab 1999 entsprechend korrigiert und die nicht betrieblich veranlassten Teile der Pensionsrückstellungen sowie der nicht betrieblich veranlasste Teil der an H gezahlten Berufsunfähigkeitsrente als vGA behandelt.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) mit Urteil vom 11. Mai 2011 (Az. 12 K 12075/08) überwiegend ab. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG haben die Beteiligten sich über die steuerliche Behandlung der Rentenzahlungen an H geeinigt. Lediglich die Zuführungen zur Pensionsrückstellung des H ab Eintritt des Versorgungsfalles konnten nach Auffassung des FG nicht teilweise außerbilanziell dem Gewinn der Klägerin hinzugerechnet werden. Das FG beruft sich insoweit auf das Senatsurteil vom 28. April 2010 I R 78/08 (BFHE 229, 234), wonach nach Eintritt des Versorgungsfalles Zuführungen zur Pensionsrückstellung nicht wie vGA außerbilanziell dem Gewinn hinzugerechnet werden können. Die Pensionsrückstellung des H sei vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht deshalb beanstandungswürdig gewesen, weil sie einem Fremdvergleich nicht standgehalten hätte, sondern deshalb, weil der Teilwert der Pensionsrückstellung insoweit § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht entsprochen habe. Wenn aber die Pensionszusage in der Anwartschaftsphase dem Grund nach anzuerkennen sei und die Zuführungen, weil dem Fremdvergleich standhaltend, nicht als vGA angesehen werden könnten, sondern lediglich aus Gründen der steuerlichen Bewertungsregeln eine innerbilanzielle Korrektur der Pensionsrückstellung vorzunehmen sei, so könne nicht nach Eintritt des Versorgungsfalles davon ausgegangen werden, dass die Zuführungen teilweise nicht betrieblich veranlasst seien.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Beschwerde, mit der es die Zulassung der Revision begehrt.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II. Die Beschwerde des FA genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Sie ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
1. Das gilt zunächst für den Vortrag, dem Rechtsstreit komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil zu klären sei, ob auch nach Eintritt des Versorgungsfalles Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung teilweise nicht betrieblich veranlasst und damit als vGA zu beurteilen sind, wenn die Zuführungen zur Pensionsrückstellung während der Anwartschaftsphase wegen Überschreitung der 75 v.H.-Grenze im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) innerbilanziell zu korrigieren waren oder gewesen wären und die in diesem Sinne überhöhte Rente tatsächlich gezahlt wird. Der Vortrag lässt außer Acht, dass zwischen der Zusage einer Altersrente und einer Invalidenrente zu unterscheiden ist. Im Streitfall ist nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bezüglich der Berufsunfähigkeitsrente des H der Versorgungsfall im Jahr 1998 eingetreten. Zuführungen zur Pensionsrückstellung des H erfolgten nur noch im Hinblick auf die Zusage einer Altersrente. Diesbezüglich war der Versorgungsfall noch nicht eingetreten, da H die vereinbarte Altersgrenze nicht erreicht hatte; die Pensionszusage im Hinblick auf die Altersrente befand sich noch in der Anwartschaftsphase. Ausgehend von dieser grundlegenden Unterscheidung stellt sich die vom FA aufgeworfene Frage im anhängigen Verfahren nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats führt eine Überversorgung, die typisierend dann angenommen wird, wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 v.H. der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt, grundsätzlich zu einer Kürzung der Pensionsrückstellung. Denn künftige noch ungewisse Pensionssteigerungen oder -minderungen dürfen, auch wenn deren Eintritt wahrscheinlich ist, nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG am Bilanzstichtag noch nicht berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 13. November 1975 IV R 170/73, BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142; vgl. im Anschluss daran Senatsurteil vom 17. Mai 1995 I R 147/93, BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204, und zuletzt Senatsurteile vom 31. März 2004 I R 70/03, BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937; I R 79/03, BFHE 206, 52, BStBl II 2004, 940; vom 15. September 2004 I R 62/03, BFHE 207, 443, BStBl II 2005, 176). Eine Vorwegnahme künftiger Entwicklungen liegt jedoch nicht mehr vor, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten ist. Lediglich für diesen Fall einer ausfinanzierten Anwartschaft (vgl. Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 6a Rz 17) sieht der BFH im Fall der "Überversorgung" keinen Raum für eine entsprechende Auflösung der Rückstellung (Senatsurteil in BFHE 229, 234). Da die Zuführungen zur Pensionsrückstellung in Bezug auf die Altersrente des H nicht nach Eintritt des Versorgungsfalles erfolgten, sind sie allein nach der Bewertungsregel des § 6a EStG zu beurteilen.
2. Das FA hat ferner hilfsweise geltend gemacht, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), indes weder eine schlüssige Divergenzrüge erhoben noch einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler dargetan (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799). Die (vermeintliche) Divergenzentscheidung des BFH wird zwar genau benannt, allerdings wird die Rechtsfrage, in welcher das FG von der Rechtsprechung des BFH konkret abgewichen sein soll, weder bezeichnet noch herausgearbeitet.