Entscheidungsdatum: 27.01.2010
NV: Wird ein FG-Urteil mit der Begründung angefochten, das FG habe über einen bestimmten Bescheid nicht entscheiden dürfen, so bemisst sich der Streitwert eines solchen Verfahrens nach der wirtschaftlichen Auswirkung der beantragten Aufhebung des Urteils. Wird diese Auswirkung dadurch geprägt, dass über den betreffenden Bescheid in einem Einspruchsverfahren zu befinden ist, so berechnet sich der Streitwert regelmäßig nach der Differenz zwischen der im Bescheid festgesetzten Steuer und der mit dem Einspruch angestrebten Steuerfestsetzung .
I. Der beschließende Senat hat auf eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hin das seinerzeit angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben (Senatsbeschluss vom 30. Dezember 2008 I B 171/08, BFH/NV 2009, 949). Zur Begründung hat er ausgeführt, das Urteil habe nicht ergehen dürfen, da über den Streitgegenstand schon durch ein anderes Urteil entschieden worden sei. Das aufgehobene Urteil betraf geänderte Steuerbescheide, die im Anschluss an das voraufgegangene Urteil erlassen worden und von der Klägerin mit Einsprüchen angefochten worden waren; in den Änderungsbescheiden war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) von höheren Besteuerungsgrundlagen als zuvor ausgegangen.
Im Anschluss an die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde hat das FG die Kosten für das betreffende gerichtliche Verfahren festgesetzt; dabei hat es den Streitwert jenes Verfahrens mit 675.914,15 € bemessen. Daraufhin hat das FA beim Bundesfinanzhof (BFH) eine Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Über diesen Antrag ist nunmehr zu entscheiden.
Das FA beantragt, den Streitwert auf 5.000 € festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, den Antrag auf Streitwertfestsetzung abzulehnen. Hilfsweise begehrt sie eine Festsetzung des Streitwerts in der vom FG angesetzten Höhe.
II. Der Antrag ist zulässig und führt zur Festsetzung eines Streitwerts in Höhe von 482.781,05 €.
1. Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Im Streitfall hat das FA einen entsprechenden Antrag gestellt. Ein solcher Antrag ist zwar nach der Rechtsprechung des BFH nur dann zulässig, wenn für ihn ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht; daran fehlt es, wenn die Höhe des Streitwerts aus dem Gesetz, den Anträgen der Beteiligten und der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig abgeleitet werden kann (BFH-Beschlüsse vom 19. September 2006 VII S 27/06, BFH/NV 2007, 247; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 130, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor. Denn im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ging es um eine verfahrensrechtliche Ausnahmesituation, deren gebührenrechtliche Auswirkungen nicht offenkundig und in diesem Sinne klärungsbedürftig sind. Angesichts dessen ist eine Streitwertfestsetzung durch den Senat geboten.
2. Der Streitwert eines Verfahrens wegen einer Nichtzulassungsbeschwerde bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nach den im Klageverfahren gestellten Anträgen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2007 V E 1/07, BFH/NV 2008, 587; vom 9. April 2008 I E 2/08, BFH/NV 2008, 1496). Im Streitfall hatte die Klägerin vor dem FG beantragt, die vom FA erlassenen Änderungsbescheide aufzuheben; dem war das FA entgegengetreten. Daher richtet sich der Streitwert nach den steuerlichen Auswirkungen jener Änderungsbescheide.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde weder zur Aufhebung noch zur Änderung der Änderungsbescheide geführt hat und dass auch die seinerzeit von der Klägerin angestrebte Revision nicht zu einem solchen Ergebnis hätte führen können. Denn das mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse der Klägerin ging erkennbar dahin, die Änderungsbescheide weiterhin mit Aussicht auf Erfolg in dem von ihr eingeleiteten Einspruchsverfahren und einem etwa nachfolgenden weiteren gerichtlichen Verfahren angreifen zu können; daran wäre die Klägerin gehindert gewesen, wenn jene Bescheide --der Rechtsansicht des FG entsprechend-- zum Gegenstand des beim FG anhängig gewesenen Klageverfahrens und des dieses Verfahren abschließenden Urteils gewesen wären. Angesichts dessen kann der Auffassung der FA, aus der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde hätten sich "keinerlei steuerlichen Auswirkungen ergeben", nicht gefolgt werden. Die Auswirkungen bestehen vielmehr darin, dass die Klägerin die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, ihr im Klageverfahren verfolgtes Begehren letztlich doch noch durchzusetzen. Das rechtfertigt es, den Streitwert des Verfahrens wegen der Nichtzulassungsbeschwerde --dem allgemeinen Grundsatz entsprechend-- nach Maßgabe der erstinstanzlichen Anträge zu bestimmen.
3. Die Streitwertberechnung durch das FG entspricht im Grundsatz dieser Vorgabe. Sie ist aber, soweit es um die anzusetzenden Beträge geht, zu korrigieren.
a) Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1997 und 1998 sowie der Feststellungen nach § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1997 und zum 31. Dezember 1998 hat das FG jeweils den Eingangswert der Streitwerttabelle von 300 € angesetzt. Diese Handhabung ist nicht zu beanstanden (ebenso Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 135 FGO Rz 123), worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht.
b) Im Hinblick auf die Gewerbesteuer und die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes war der Antrag auf Aufhebung der vom FA erlassenen Bescheide in wirtschaftlicher Hinsicht darauf gerichtet, dass die Besteuerung eines in 1996 erzielten Gewinns gewerbesteuerrechtlich nicht im Erhebungszeitraum 1998 nachgeholt wurde und dass auf dieser Basis ein zuvor festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust in nachfolgenden Erhebungszeiträumen genutzt werden konnte. In einem solchen Fall bestimmt sich der Streitwert danach, wie sich die Nutzung des Verlustes voraussichtlich steuerlich auswirkt (ebenso FG München, Beschluss vom 9. Juni 1999 2 K 3354/97, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 1156). Dem entspricht die Berechnung durch das FG, das dabei ersichtlich davon ausgegangen ist, dass der von der Klägerin geltend gemachte vortragsfähige Gewerbeverlust in den Folgejahren in vollem Umfang mit positiven Gewerbeerträgen verrechnet werden könnte. Letzteres wird von den Beteiligten nicht bezweifelt, weshalb der Senat insoweit der Streitwertberechnung durch das FG folgt.
c) Im Hinblick auf den Verlustabzug zur Körperschaftsteuer ging es im Verfahren vor dem FG darum, ob das FA in den Änderungsbescheiden einen Gewinn von 2.180.600 DM erfassen durfte, der auf dem Erlass von Verbindlichkeiten durch zwei Gläubiger der Klägerin beruhte. Die hierzu von der Klägerin gestellten Anträge liefen darauf hinaus, dass zum 31. Dezember 1998 ein um diesen Betrag erhöhter verbleibender Verlustabzug festgestellt werden sollte. Die Verrechnung eines solchen weiteren Verlustabzugs hätte sich aber nicht bei der Veranlagung für das unmittelbare Folgejahr (1999) auswirken können, da die Klägerin in diesem Jahr nach Aktenlage erneut einen Verlust erzielt hatte. Letztlich ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustabzugs zumindest zum größten Teil erst in Veranlagungszeiträumen auswirken konnte, für die die Klägerin nach dem "Halbeinkünfteverfahren" besteuert wird. Dieser Umstand ist bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 5. Mai 2009 I R 84/07, BFH/NV 2009, 1446).
Die konkreten Auswirkungen des Verlustabzugs bestimmen sich nach dem Steuersatz, der für den Veranlagungszeitraum anzuwenden ist, in dem der Verlust verrechnet wird. Eine genaue Berechnung des sich hiernach ergebenden Betrags ist nach Aktenlage nicht möglich, da die maßgeblichen Steuersätze in den Jahren nach 1999 geschwankt haben und die von der Klägerin in jenen Jahren verwirklichten Besteuerungsgrundlagen nicht erkennbar sind. Der Senat schätzt deshalb die maßgeblichen Auswirkungen auf der Grundlage des in 2002 sowie von 2004 bis 2007 für die Körperschaftsteuer geltenden Steuersatzes von 25 % (§ 23 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428). Daraus ergibt sich ein Streitwert von (25 % von 2.180.600 DM =) 545.150 DM oder 278.730 €.
4. Hiernach berechnet sich der festzusetzende Streitwert wie folgt:
Bescheide |
DM |
€ |
Körperschaftsteuer und § 47 | ||
Abs. 2 KStG (wie FG) |
2.347,00 |
|
Gewerbeverlust (wie FG) |
331.698,18 |
|
Gewerbesteuer 1998 (wie FG) |
65.044,00 |
|
399.089,18 |
204.051,05 |
|
Verlustabzug Körperschaftsteuer |
278.730,00 |
|
Streitwert |
482.781,05 |