Entscheidungsdatum: 05.10.2010
GABi Gas
Ein Gasversorgungsunternehmen, das in dem vor der Bundesnetzagentur geführten Verfahren zur Festlegung neuer Rahmenbedingungen für Ausgleichsleistungen im Gassektor keinen Beiladungsantrag gestellt hat, ist im gerichtlichen Verfahren nicht beschwerdebefugt .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. September 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Bundesnetzagentur entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15 Mio. € festgesetzt.
I.
Die Beschwerdeführerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie beliefert hauptsächlich Großkunden mit Erdgas. Als Transportkundin von Gasnetzbetreibern ist sie teilweise Bilanzkreisverantwortliche.
Die Bundesnetzagentur hatte im Februar 2008 ein Verfahren zur Festlegung neuer Rahmenbedingungen für Ausgleichsleistungen im Gassektor eingeleitet und dies in ihrem Amtsblatt sowie im Internet veröffentlicht. Im Verlauf dieses Verfahrens, in dem die Bundesnetzagentur ihre Vorstellungen zu einem Grundmodell im Internet zur Stellungnahme veröffentlichte, äußerte sich auch die Beschwerdeführerin. Am 28. Mai 2008 erließ die Bundesnetzagentur die verfahrensgegenständlichen Festlegungen, die zum Beginn des Gaswirtschaftsjahres 2008/2009 am 1. Oktober 2008 in Kraft traten (GABi Gas). Der Tenor der Verfügung hatte folgenden Inhalt:
1. Die Bilanzkreisnetzbetreiber sind mit Wirkung zum 1.10.2008 verpflichtet, in abgeschlossene sowie in neu abzuschließende Bilanzkreisverträge die in Anlage 1 ("Standardbilanzkreisvertrag Gas") festgelegten Regelungen aufzunehmen.
Hinweis: Die Sonderregelungen für die Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz (Teil 11a GasNZV) bleiben hiervon unberührt.
2. Der Prozentsatz der Toleranzgrenze wird ab dem 1.10.2008 abweichend von § 30 Abs. 1 GasNZV auf 0 % festgelegt.
3. Die Bilanzkreisnetzbetreiber sind verpflichtet, die folgenden Informationen in einem für die elektronische Weiterverarbeitung durch Standardsoftware nutzbaren Format im Internet zu veröffentlichen:
a) die täglich aktualisierten Ausgleichsenergiepreise einschließlich der als Basis für die Preisbildung dienenden Referenzpreise für den jeweiligen Gastag und zumindest für die letzten zwölf Monate;
b) im Falle der Erhebung von variablen Strukturierungsbeiträgen die für die verschiedenen Stunden eines Gastages festgesetzten Höhen der Strukturierungsbeiträge getrennt nach Über- und Unterspeisungen einschließlich einer Begründung der festgesetzten Höhen;
c) Informationen zu Umfang und Preis der eingesetzten Regelenergie, für externe Regelenergie unterschieden nach Dienstleistungen zur untertägigen Strukturierung und der Beschaffung oder Veräußerung von Gasmengen. Diese Informationen sind möglichst am Folgetag des Einsatzes der Regelenergie und mindestens für die letzten zwölf Monate zu veröffentlichen. Außerdem ist zu veröffentlichen, welcher Anteil der externen Regelenergie aufgrund lokaler oder räumlich begrenzter Ungleichgewichte eingesetzt wurde;
d) monatlich den Saldo des Kontos für die Regel- und Ausgleichsenergieumlage zum Schluss des Vormonats;
e) eine Liste derjenigen Ausspeisenetzbetreiber des jeweiligen Marktgebiets, die dem Bilanzkreisnetzbetreiber die für die Bilanzkreisabrechnung erforderlichen Daten nicht, nicht fristgerecht, unvollständig oder in unzureichender Qualität zur Verfügung stellen.
Die Verpflichtungen nach lit. a) bis d) gelten ab dem 01.10.2008, die Verpflichtung nach lit. e) ab dem 01.04.2009.
4. Ein Widerruf bleibt vorbehalten.
In einer der Festlegung beigefügten Anlage 2 wird das Grundmodell der Ausgleichs- und Bilanzierungsregelungen im Gassektor beschrieben, wobei die Bundesnetzagentur einleitend feststellt, dass Vorgaben zur Beschaffung und zum Einsatz von Regelenergie nicht ex ante durch die Beschlusskammer angeordnet werden können.
Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Festlegungen Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der (vom Beschwerdegericht zugelassenen) Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als nicht statthaft angesehen, soweit sie sich gegen das in Anlage 2 beschriebene Vertragsmodell richtet; im Übrigen fehle der Beschwerdeführerin die Beschwerdebefugnis. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt:
Den in Anlage 2 festgelegten Bestimmungen, in denen die Beschwerdeführerin die Entscheidung für ein Modell der zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie sehe, komme keine Regelungswirkung zu. Wie die Bundesnetzagentur darlege, hätten die in Anlage 2 aufgeführten Bestimmungen lediglich Modellcharakter und könnten allenfalls für die ex post stattfindende Missbrauchskontrolle Bedeutung erlangen. Diese Bestimmungen stellten deshalb bloße Empfehlungen dar, denen der von § 35 VwVfG vorausgesetzte Regelungscharakter fehle. Auch eine Leistungsbeschwerde scheide aus. Das mit diesen Empfehlungen der Bundesnetzagentur konforme Verhalten der übrigen Marktteilnehmer habe für die Beschwerdeführerin allenfalls reflexartige Auswirkungen, die zu faktisch mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen führen könnten. Dies reiche nicht aus. Ebenso wenig könne die Beschwerdeführerin hieraus ein nach der Rechtsprechung erforderliches besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Unterlassungsklage herleiten. Der Beschwerdeführerin sei es nämlich zumutbar, die von ihr angesprochenen Fragen im Wege einer Anfechtungsbeschwerde gegen eine Missbrauchsverfügung rechtlich klären zu lassen.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die übrigen Festlegungen der GABi Gas wende, fehle ihr die Beschwerdebefugnis. Sie habe im Verwaltungsverfahren keinen Beiladungsantrag gestellt. Deshalb sei sie nach § 75 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG nicht beschwerdebefugt. Die Festlegungen enthielten auch keinen unmittelbaren Eingriff in die individuellen Rechtspositionen der Beschwerdeführerin. Dies gelte insbesondere für die Absenkung der Toleranzgrenze auf null Prozent (Ziff. 2 der Festlegungen). Damit sei zwar auch der Basisbilanzausgleich nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GasNZV faktisch abgeschafft. § 26 Abs. 2 GasNZV stelle jedoch keine drittschützende Vorschrift dar. Vielmehr seien hierdurch nur die wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerin betroffen. Dies reiche nicht aus, um eine unmittelbare Beschwerdebefugnis nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 75 Abs. 2 EnWG analog zu erlangen.
2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Die Beschwerdeführerin kann die Bestimmungen der Festlegungen zur Beschaffung der Ausgleichsenergie nicht mit der Beschwerde angreifen.
aa) Unzutreffend ist indes die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die zentrale Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber nur (unverbindlich) in der Anlage 2 der Festlegungen ihren Niederschlag gefunden habe. Die Beschwerdeführerin weist vielmehr zutreffend darauf hin, dass sich aus einer Gesamtschau der in Anlage 1 genannten Vertragsbestimmungen, die nach Nummer 1 des Entscheidungstenors verbindlich sind, im Ergebnis die Regelung einer zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber ergibt. So enthält § 9 Nr. 2 Standardbilanzkreisvertrag Gas (SBKV) die Vorgabe, dass die Differenz der während der Bilanzierungsperiode ein- und ausgespeisten bilanzerheblichen Gasmengen durch den Bilanzkreisnetzbetreiber als Ausgleichsenergie abgerechnet wird. Dieser führt auch das Umlagekonto, das die Kosten bzw. Erlöse der Ausgleichsenergie sowie die Kosten der Beschaffung externer Regelenergie umfasst (§ 15 Nr. 2 SBKV). Hierin lässt sich mittelbar die Festlegung einer zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber erblicken, zumal auch in den Gründen der Festlegung ein solches Ergebnis nahe gelegt wird. So wird dort (S. 12, 13) jeweils von einem Einkauf der Regelenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber ausgegangen.
Demgegenüber enthält zwar Anlage 2 die ausdrückliche Aussage, dass Vorgaben zur Beschaffung und zum Einsatz von Regelenergie nicht ex ante durch die Beschlusskammer geregelt werden können. Dieser Umstand führt jedoch in einer Gesamtschau sämtlicher Regelungen nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es anerkannt, dass für die Auslegung von Willensäußerungen der Verwaltung gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern allein der erklärte Wille maßgebend ist, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwGE 60, 223, 228 f.; 41, 305, 306). Unklarheiten gehen hierbei zu Lasten der Verwaltung (BVerwG aaO). Jedenfalls deshalb muss den Festlegungen insoweit eine Regelungswirkung zuerkannt werden, zumal sich aus dem Zusammenhang der Vorschriften weitere Gesichtspunkte ergeben, die das Regelungsmodell einer zentralen Beschaffung von Ausgleichsenergie voraussetzen. Die hiervon Betroffenen konnten die Festlegungen in dem Sinne verstehen, dass hierdurch die zentrale Beschaffung von Ausgleichsenergie durch den Bilanzkreisnetzbetreiber verbindlich geregelt werden sollte.
bb) Die Beschwerdeführerin ist aber nicht beschwerdebefugt.
(1) Beschwerdebefugt ist nach § 75 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG jeder Dritte, der an dem Verfahren beteiligt ist. In erweiternder Auslegung dieser Vorschriften ist ein Dritter auch dann befugt, gegen die in der Hauptsache ergangene Entscheidung Beschwerde einzulegen, wenn in seiner Person die subjektiven Voraussetzungen für eine Beiladung vorliegen, sein Beiladungsantrag allein aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt worden ist und er geltend machen kann, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Hierfür reichen erhebliche wirtschaftliche Interessen aus (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, WuW/E DE-R 2535 Rn. 14 ff. - citiworks; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - KVR 37/05, BGHZ 169, 370 Rn. 11, 18 ff. - pepcom, für das Kartellverwaltungsverfahren). Ist der Beschwerdeführer durch die Regulierungsbehörde nicht beteiligt worden, hat er aber unverschuldet versäumt, den Beiladungsantrag rechtzeitig zu stellen, ist er gleichfalls beschwerdebefugt (BGH, WuW/E DE-R 2535 Rn. 16 - citiworks).
Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor, weil sie im Verfahren über den Erlass der streitgegenständlichen GABi Gas keine Beiladung beantragt hat. Dass sie sich im Verwaltungsverfahren schriftsätzlich geäußert hat, genügt hierfür nicht.
(2) Darüber hinaus ist auch derjenige beschwerdebefugt, der durch den angegriffenen Verwaltungsakt unmittelbar in seinen Rechten berührt wird (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2005 - KVZ 20/04, WuW/E DE-R 1544, 1545 - Zeiss/Leica). Denn in diesem Falle entfaltet der Verwaltungsakt ihm gegenüber eine Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Ein in diesem Sinne Drittbetroffener ist deshalb im gerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen (ebenso nachfolgend vgl. § 65 Abs. 2 VwGO). Erforderlich ist hierfür aber, dass nicht nur eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen vorliegt. Der Beschwerdeführer muss durch die gegenüber einem oder mehreren Dritten ergangene Verfügung in seinem geschützten Rechtskreis unmittelbar betroffen sein (BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, WuW/E DE-R 2728 Rn. 20 - Versicherergemeinschaft).
Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur kann in den Fällen der notwendigen Beiladung - weil es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehlt - der von der Entscheidung Betroffene nicht auf einen vorherigen Beiladungsantrag im Verwaltungsverfahren verwiesen werden (vgl. BGH aaO Rn. 16 - Versicherergemeinschaft).
(a) Eine rechtliche Betroffenheit lässt sich nicht schon daraus ableiten, dass die Beschwerdeführerin aktueller und potenzieller Vertragspartner der Bilanzkreisnetzbetreiber ist. Die Festlegungen der Bundesnetzagentur greifen nämlich nicht unmittelbar regelnd in die bestehende Privatrechtslage ein. Sie bedürfen vielmehr einer Umsetzung durch den Adressaten, hier der Bilanzkreisnetzbetreiber, die verpflichtet sind, ihre Verträge entsprechend anzupassen bzw. neue Verträge entsprechend den Vorgaben der Festlegungen abzuschließen. Auch wenn damit für den (potenziellen) Vertragspartner des Adressaten absehbare Auswirkungen des Verwaltungsakts entstehen, begründet das in der Person des Vertragspartners keine eigene unmittelbare Rechtsbetroffenheit (BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, WuW/E DE-R 2728 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft; vgl. auch BVerwG, MMR 2003, 241, 242). Die Beschwerdeführerin zeigt auch nicht auf, durch welche der Vertragsbestimmungen des Standardbilanzkreisvertrags, die in Nr. 1 des Tenors der Festlegungen für verbindlich erklärt wurden, sie in ihrem Rechtskreis berührt sein könnte.
Der Transportkunde wird dadurch nicht rechtlos gestellt. Er hat gemäß § 20 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen, wobei die Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein müssen (§ 21 Abs. 1 EnWG). Diesen Anspruch kann er zivilgerichtlich durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2003, BGHZ 155, 141, 159 ff.). Da die Festlegungen ihm gegenüber keine Regelungswirkung entfalten und mithin auch nicht in Bestandskraft erwachsen können, binden sie ihn im Zivilverfahren nur insoweit, als sie gesetzeskonform seinen Zugangsanspruch konkretisieren. Der Transportkunde kann deshalb dort im Verhältnis zum Netzbetreiber die ihn wirtschaftlich berührenden Festlegungen einer Überprüfung unterziehen lassen. Insoweit ist der Gaslieferant auch in der Lage, die dann in Übereinstimmung mit den Regeln des Standardbilanzkreisvertrags erfolgte Abrechnung anzugreifen und unmittelbar eine höhere Vergütung im Zivilverfahren gegen den Netzbetreiber durchzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2003, BGHZ 155, 141, 159 ff.).
(b) Eine unmittelbare Berührung ihres Rechtskreises ergibt sich für die Beschwerdeführerin weder aus Art. 12 GG noch aus Art. 14 GG.
Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte Berufsfreiheit ist nur dann gegeben, wenn der angegriffene Hoheitsakt berufsregelnde Tendenz aufweist (BVerfGE 98, 218, 258; 95, 267, 302). Dieser Bezug fehlt den Festlegungen. Sie sind lediglich auf die Marktstrukturen bezogen, indem sie die Art und Weise des Bezugs von Ausgleichs- und Regelenergie modifizieren. Damit wirken sie sich zwar auf die berufliche Tätigkeit von Transportkunden der Netzbetreiber und der Bilanzkreisverantwortlichen aus. Ihrer Zielrichtung nach sind sie jedoch auf die Gestaltung der Lieferverhältnisse am Markt ausgerichtet. Gegen solche Veränderungen des Marktgeschehens schützt das Grundrecht der Berufsfreiheit aber nicht, selbst wenn sie vom Staat ausgehen (BVerfGE 98, 218, 259; 37, 1, 17 f.).
Ebenso wenig ist das Grundrecht des Art. 14 GG berührt. Dieses enthält keine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen (BVerfG, NJW 2002, 2621, 2625); vielmehr erfasst Art. 14 Abs. 1 GG nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (BVerfGE 68, 193, 222). Nichts anderes aber stellen die bisherigen Belieferungsmöglichkeiten im Blick auf die den Netzen zuzuführende Ausgleichsenergie dar. Letztlich zeigt die Beschwerdeführerin insoweit nur tatsächliche Belieferungswege auf. Dies gilt auch für die bislang erfolgte Einspeisung aus vorgehaltenen Gasspeichern; auch insoweit handelte es sich nur um eine von der Beschwerdeführerin bislang genutzte Marktchance. Rechtspositionen sind hiermit nicht verbunden. Verändert werden lediglich die Bedingungen des Marktzugangs für den Absatz von Ausgleichsenergie, weil diese nunmehr zentral von den Bilanzkreisnetzbetreibern nachgefragt werden. Diesen gegenüber kann die Beschwerdeführerin diese Leistungen anbieten. Dass sie diese möglicherweise nicht mehr so auskömmlich vertreiben kann, berührt die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 12, 14 GG nicht.
b) Hinsichtlich der weiteren Festlegungen der GABi Gas ist die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht beschwerdebefugt. Auch insoweit kommt, weil sie keinen Beiladungsantrag gestellt hat, eine Beschwerdebefugnis nur dann in Betracht, wenn die Festlegung sie nicht nur wirtschaftlich trifft, sondern sie in ihrem eigenen Rechtskreis berührt. Dies hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei verneint.
aa) Dies gilt zum einen für die in Nummer 2 der Festlegung angeordnete Absenkung der Toleranzgrenze des § 30 Abs. 1 GasNZV von bislang zehn auf nunmehr null Prozent. Diese Änderung bedingt zugleich, dass der entgeltfreie Basisbilanzausgleich für Transportkunden nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GasNZV faktisch entfällt.
(1) Die Verfügung enthält in ihrer Nummer 2 eine abstrakte Festlegung der Änderung der Toleranzgrenze. Regelungen dieser Art dienen dazu, in dem durch das Energiewirtschaftsgesetz und die Gasnetzzugangsverordnung vorgegebenen Rahmen durch generelle Handlungsanweisungen das Verhalten der Marktteilnehmer in typischerweise im Rahmen ihrer geschäftlichen Betätigung häufig wiederkehrenden einzelnen Situationen so zu steuern, dass sich die Wettbewerbskräfte auf dem Gasmarkt bestmöglich entfalten können (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 - KVR 28/07, RdE 2008, 362 Rn. 13 - Edifact). Zu solchen Festlegungen ist die Bundesnetzagentur ermächtigt (§ 42 Abs. 6 GasNZV). Der Gesetzgeber hat nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffnet, der Bundesnetzagentur auch die allgemeine Festlegung von Netzzugangsbedingungen zu übertragen, die von der Bundesnetzagentur dann in Form von Allgemeinverfügungen ausgeübt wird (BGH aaO Rn. 12 - Edifact). Die Bundesnetzagentur kann damit Netzzugangsbedingungen in abstrakt-genereller Form festlegen. Dazu zählt auch eine Absenkung der Toleranzgrenze durch eine auf § 42 Abs. 6 GasNZV gestützte Allgemeinverfügung.
Solche abstrakten Festlegungen bedürfen aber der Umsetzung in das konkrete Leistungsverhältnis, das zwischen dem Netzbetreiber und den durchleitenden Transportkunden besteht. Dies gilt auch für die Bestimmung der Toleranzgrenze nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GasNZV. Die Toleranzgrenze enthält kein absolutes Ge- oder Verbot, sie bildet lediglich eine Bezugsgröße für den Basisbilanzausgleich. Innerhalb der Toleranzgrenze haben die in der Verordnung näher bezeichneten Netzbetreiber einen Ausgleich ohne gesondertes Entgelt anzubieten (§ 26 Abs. 2 GasNZV). Wie sich die Toleranzgrenze für die durchleitenden Gasversorger auswirkt, ergibt sich aber letztlich aus der einzelnen Abrechnung zwischen Netzbetreiber und Transportkunden. Erst wenn die konkrete Abrechnung erfolgt, lässt sich feststellen, ob der Transportkunde im Einzelfall durch die Änderung der Toleranzgrenze belastet ist. Im Übrigen stehen die vom Netzbetreiber zu tragenden Kosten für die Ausgleichsenergie in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den für die Berechnung der Netznutzungsentgelte maßgeblichen Netzkosten im Sinne des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 GasNEV. Ein höherer Bezug von durch den Netzbetreiber zu bezahlender Ausgleichsenergie wirkt sich dann nämlich auf die Höhe der Netznutzungsentgelte aus. Auch unter diesem Gesichtspunkt bewirkt die Festlegung der Toleranzgrenze auf Null noch keine unmittelbare Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Beschwerdeführerin.
Die von der Bundesnetzagentur nach § 42 Abs. 6 GasNZV vorgenommene Absenkung der Toleranzgrenze auf null Prozent berührt mithin den Transportkunden nicht unmittelbar. Sie wird in dem Vertragsverhältnis zwischen Netzbetreiber und Transportkunden erst erheblich, soweit Abweichungen von Einspeise- und Ausspeisemengen konkret ermittelt werden. Damit fehlt der Festlegung gegenüber der Beschwerdeführerin die Regelungswirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 37/08, WuW/E DE-R 2728 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft). Das Privatrechtsverhältnis wird hierdurch nicht unmittelbar gestaltet, weil die Festlegung der Toleranzgrenze lediglich eine Vorgabe für die Abrechnung innerhalb der Leistungsbeziehung betrifft. Diese Vorgabe ist dann von dem Netzbetreiber, der den Basisbilanzausgleich unter Beachtung der Toleranzgrenze zu vollziehen hat, erst in der konkreten Einzelabrechnung umzusetzen.
(2) Hinzu kommt, dass die Festlegung der Toleranzgrenze - worauf das Beschwerdegericht zutreffend hinweist - gegenüber den einzelnen Transportkunden auch keine unmittelbar drittschützende Wirkung hat.
Maßgeblich ist für die Frage der drittschützenden Wirkung (vgl. hierzu auch BVerwGE 117, 93 Rn. 16), welchen Schutzinteressen die Toleranzgrenze dienen soll. Dies beantwortet sich im Wesentlichen danach, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung vorgenommen werden darf. Das entscheidende Kriterium hierfür ist gemäß § 42 Abs. 6 GasNZV die Marktsituation. Diese ist im Licht der energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen (§ 1 EnWG) zu bewerten. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Bundesnetzagentur eine Entscheidung über die Toleranzgrenze zu treffen. Damit wird aber deutlich, dass Schutzgut auch dieser Regelung die Sicherstellung einer leistungsfähigen, kostengünstigen und transparenten Energieversorgung für den Letztverbraucher ist. Um ein transparentes Abrechnungssystem zu sichern und versteckte Netzkosten zu vermeiden, die dann umgelegt werden müssen, soll die Nominierung der in Anspruch genommenen Ein- und Ausspeisekapazitäten (§ 27 GasNZV) möglichst realitätsnah erfolgen. Ein- und Ausspeisungen sind durch die Transportkunden nach § 26 Abs. 1 GasNZV zeitgleich aufeinander anzupassen; Abweichungen zwischen eingespeisten und zum Verbrauch entnommenen Gasmengen sollen so möglichst gering gehalten werden (vgl. BR-Drucks. 256/05 S. 47 f.). Auch dies dient dem strukturpolitischen Ziel transparenter Netzentgelte (§ 21 Abs. 1 EnWG) und erleichtert es, entsprechend den Vorgaben des § 20 Abs. 1b EnWG in möglichst hohem Umfang miteinander verbundene Netze ausweisen und entsprechende Verträge anbieten zu können. Mithin kommt im Hinblick auf ihren vom Normgeber verfolgten Zweck der Festlegung der Toleranzgrenze allein eine energiewirtschaftlich steuernde, aber keine unmittelbar drittschützende Wirkung zu.
bb) Eine rechtliche Betroffenheit kann die Beschwerdeführerin auch aus den übrigen Regelungen der angegriffenen Festlegungen nicht ableiten. Sie meint, dass jedenfalls § 10 Nr. 2 Satz 3 SBKV gegen § 10 Abs. 1 EichO verstoße. Ihr könne nicht zugemutet werden, in Befolgung dieser Regelung des Standardbilanzkreisvertrages Gas mit einem Bußgeldverfahren (§ 74 Nr. 18 EichO) überzogen zu werden.
Es trifft zwar zu, dass die Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit eine rechtliche Betroffenheit begründen kann (BVerfGK 1, 107). Die vertraglichen Regelungen setzen die Beschwerdeführerin indes keiner solchen Gefahr aus. Die Vorschriften der §§ 26 ff. GasNVZ und die auf ihrer Grundlage ergangenen Festlegungen der Bundesnetzagentur im Blick auf den Bilanzausgleich stellen gegenüber den eichrechtlichen Regelungen insoweit die spezielleren Regelungen dar. Zudem hat die Bundesnetzagentur überzeugend dargelegt, dass die Bilanzierung in diesem Sinne nur die Feststellung von Zwischenwerten betrifft. Die Umwertung auf thermische Energie im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 3 EichO erfolgt dann im Verhältnis zum Kunden unter Zugrundelegung eines Abbrennwertes.
c) Die vorstehenden Grundsätze bezüglich der Beschwerdebefugnis solcher Dritter, die durch die Entscheidung der Regulierungsbehörde potenziell betroffen sein können, bedürfen im Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. April 2008 (C-55/06 - Arcor) keiner Korrektur. Der Gerichtshof hat - bezüglich einer Anpassungsanordnung im Bereich der Telekommunikationsleistungen - ausgeführt, dass bei Regulierungsentscheidungen, die Preise betreffen, auch der Vertragspartner des Adressaten der Regulierungsentscheidung in seinen Rechten berührt wird und ihm deshalb Rechtsschutz zu gewähren ist. Es bedürfe nicht einmal einer Vertragsbeziehung, damit die Rechte eines Begünstigten von einer solchen Entscheidung potenziell betroffen sind (EuGH aaO Rn. 177). Ungeachtet dessen, ob für bloße vertragliche Abrechnungsregelungen - wie hier gegeben - dieselben Grundsätze gelten, erfüllt das deutsche Recht dieses Erfordernis. Die Beschwerdeführerin hätte nämlich nur einen Beiladungsantrag stellen müssen, dann wäre sie im Falle einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit beschwerdebefugt, auch wenn sie von der Regulierungsbehörde nicht beigeladen worden wäre. Mit einer solchen auch hier bestehenden Beschwerdemöglichkeit hat Deutschland das sich aus der Gasbinnenmarktrichtlinie ergebende Rechtsschutzgebot (Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie EG 2003/55/EG, die mittlerweile durch die inhaltsgleiche Regelung des Art. 41 Abs. 12 der Richtlinie 2009/73/EG abgelöst wurde) in ausreichendem Maße umgesetzt.
Tolksdorf Raum Strohn
Kirchhoff Grüneberg