Entscheidungsdatum: 15.05.2012
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Bundesnetzagentur entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 20.000 € festgesetzt.
I. Die Antragstellerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz mit weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden. Sie begehrt von der Bundesnetzagentur den Erlass einer Festlegung, mit der die Kostenanteile für die Beschaffung von Verlustenergie bei einer von ihr entsprechend einer freiwilligen Selbstverpflichtung vorgenommenen Beschaffung als wirksam verfahrensreguliert i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 4 ARegV erklärt werden.
Die Bundesnetzagentur leitete im Februar 2008 ein Verfahren zur Festlegung des Ausschreibungsverfahrens für Verlustenergie und zur Bestimmung der Netzverluste gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 1 StromNZV i.V.m. § 22 Abs. 1, § 29 EnWG ein. Mit Festlegung vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006) schloss sie das Verfahren ab und stellte Rahmenvorgaben für die Beschaffung von Verlustenergie auf.
Parallel dazu entwickelten die Netzbetreiber unter Federführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) im Mai 2008 eine "Freiwillige Selbstverpflichtung nach § 11 Abs. 2 ARegV der deutschen Verteilungsnetzbetreiber für ein verbindliches Verfahren zur Beschaffung von Energie zur Deckung von Verlusten gemäß § 22 Abs. 1 1. Alternative EnWG, § 10 Abs. 1 StromNZV". Mit Schreiben vom 7. August 2008 unterwarf sich die Antragstellerin gegenüber der Bundesnetzagentur dieser freiwilligen Selbstverpflichtung und beantragte, das darin enthaltene Regelungswerk als wirksame Verfahrensregulierung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV festzulegen. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag ab.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie hilfsweise die Verurteilung der Bundesnetzagentur zur Anerkennung der Festlegung vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006) als wirksame Verfahrensregulierung i.S.d. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ARegV begehrt hat, hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur zu Recht zurückgewiesen.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die von der Antragstellerin erhobene Verpflichtungsbeschwerde sei gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 EnWG statthaft. Insbesondere sei die Antragstellerin beschwerdebefugt, weil ihr Vorbringen das Bestehen eines Anspruchs auf die begehrte Festlegung als möglich erscheinen lasse.
Die Beschwerde sei aber unbegründet. Die Bundesnetzagentur habe den Antrag auf Festlegung des der freiwilligen Selbstverpflichtung zugrundeliegenden Verfahrens als wirksame Verfahrensregulierung für die Beschaffung von Verlust-energie zu Recht abgelehnt. Aus der Regelungssystematik und dem Sinn und Zweck der § 21a EnWG, § 11 ARegV ergebe sich, dass die Regulierungsbehörde Kostenanteile nur dann als dauerhaft nicht beeinflussbar gelten lassen und insoweit ein Festlegungsverfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV einleiten müsse, wenn es sich tatsächlich um objektiv nicht vom Netzbetreiber beeinflussbare Kosten handele. Andernfalls stehe der Regulierungsbehörde ein weites (Aufgreif-, Entschließungs- und Gestaltungs-)Ermessen zu, das nicht den rechtlich geschützten Interessen des Netzbetreibers diene.
Nach diesen Maßgaben habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Festlegung. Bei den Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie handele es sich nicht um objektiv nicht beeinflussbare Kosten. Vielmehr könne die Antragstellerin auf der Grundlage der von ihr abgegebenen Selbstverpflichtung die Beschaffungskosten durch die Wahl von Ausschreibungszeitpunkten und -zeiträumen sowie der Losgröße der Langfristkomponente, durch die Bildung von Ausschreibungsgemeinschaften, die Form der Beschaffung des langfristig prognostizierbaren Verlustenergiebedarfs und die Art und Weise der Prognose des zu beschaffenden Bedarfs sowie durch die fehlenden Vorgaben für die Beschaffung der Kurzfristkomponente beeinflussen.
Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Antrags. Ein solcher Anspruch setze voraus, dass das der Behörde eingeräumte Ermessen auch den rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers diene. Dies sei hier nicht der Fall. Das der Regulierungsbehörde nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV eingeräumte Ermessen solle ihr die Möglichkeit geben, von den Grundzügen des gesetzgeberisch vorgegebenen Modells der Anreizregulierung in Fortführung der vorgegebenen Methode konsequente Abweichungen zu entwickeln. Das Ermessen diene daher nicht einem rechtlich geschützten Interesse des einzelnen Netzbetreibers, sondern vornehmlich der Erreichung der in § 32 Abs. 1 ARegV genannten Ziele und Zweckrichtungen. Der einzelne Netzbetreiber werde durch eine ihn begünstigende Entschließung der Regulierungsbehörde lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen.
Unabhängig davon habe die Bundesnetzagentur den Antrag aber auch in der Sache zu Recht abgelehnt. Das der Selbstverpflichtung zugrunde liegende Verfahren lasse maßgebliche Punkte der Festlegung vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006) außer Betracht, so dass es nicht als wirksame Verfahrensregulierung i.S.d. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ARegV anzuerkennen sei. Dies gelte insbesondere für die Abweichungen in Bezug auf die Vertragslaufzeit, auf den fehlenden Mindestzeitraum zwischen Angebotszuschlag und Lieferbeginn und die Frist für die Veröffentlichung von Angebotsinformationen vor Beginn der Ausschreibung.
Die Antragstellerin könne zu ihren Gunsten auch nichts aus den gegenüber einzelnen Übertragungsnetzbetreibern ergangenen Festlegungen einer wirksamen Verfahrensregulierung bezüglich eines verbindlichen Anreizsystems für Systemdienstleistungen, wie etwa der von ihr vorgelegten Festlegung vom 27. November 2009 (BK8-09-005), herleiten. Die Festlegungen richteten sich ausschließlich an Übertragungsnetzbetreiber und berücksichtigten deren Sondersituation.
Schließlich könne die Antragstellerin auch nicht verlangen, dass die Bundesnetzagentur die in der Festlegung vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006) getroffenen Vorgaben als wirksame Verfahrensregulierung festlege. Dem stehe schon entgegen, dass diese Vorgaben nach der erklärten Zielsetzung der Festlegung, aber auch materiell den Verteilernetzbetreibern noch Spielräume einer Kostenbeeinflussung ließen.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Zulässigkeit der von der Antragstellerin erhobenen Verpflichtungsbeschwerde bejaht.
Gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 EnWG ist eine Beschwerde auch gegen die Unterlassung einer beantragten Entscheidung der Regulierungsbehörde zulässig, auf deren Erlass der Antragsteller einen Rechtsanspruch geltend macht. Die erforderliche Beschwerdebefugnis fehlt nur dann, wenn ein Recht auf die begehrte Entscheidung offensichtlich nach keiner Betrachtungsweise bestehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2011 - EnVR 27/10, RdE 2011, 420 Rn. 15 mwN - Freiwillige Selbstverpflichtung).
Nach diesen Maßgaben ist die Beschwerdebefugnis der Antragstellerin gegeben. Die Antragstellerin hat den Erlass einer Festlegung dahingehend begehrt, dass durch die freiwillige Selbstverpflichtung eine umfassende Regulierung der Beschaffung von Verlustenergie im Sinne der § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV vorliegt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften kann das Bestehen eines subjektiven Rechts der Antragstellerin auf den Erlass einer solchen Festlegung nicht von vornherein verneint werden.
b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Beschwerdegericht den mit der Verpflichtungsbeschwerde verfolgten Hauptantrag der Antragstellerin aber zu Recht zurückgewiesen.
Dabei kann dahinstehen, ob - was das Beschwerdegericht gemeint hat - der Erlass einer solchen Festlegung im Ermessen der Regulierungsbehörde steht. Dies bedarf keiner Entscheidung, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV nicht gegeben sind.
Der Erlass einer Festlegung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 ARegV, § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV setzt voraus, dass der betreffende Bereich durch vollziehbare Entscheidungen der Regulierungsbehörden oder, was hier allein in Betracht kommt, durch freiwillige Selbstverpflichtungen der Netzbetreiber umfassend reguliert ist. Die der Regulierung zugrunde liegende freiwillige Selbstverpflichtung muss einerseits mit den für den betreffenden Bereich geltenden Rechtsnormen in Einklang stehen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24. Mai 2011 - EnVR 27/10, RdE 2011, 420 Rn. 20 ff. - Freiwillige Selbstverpflichtung). Zum anderen muss das darin enthaltene Regelwerk in dem Sinne umfassend sein, dass den Netzbetreibern dadurch keine oder nur geringfügige Möglichkeiten einer eigenständigen Kostenbeeinflussung gelassen werden (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 52). Daran fehlt es hier.
Die freiwillige Selbstverpflichtung der Antragstellerin stellt keine umfassende Regulierung des Bereichs für die Beschaffung von Verlustenergie dar. Diese regelt - wie auch die inhaltlich weitergehende Festlegung der Bundesnetzagentur vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006), die ebenfalls keine umfassende Regulierung ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24. Mai 2011 - EnVR 27/10, RdE 2011, 420 Rn. 28 - Freiwillige Selbstverpflichtung) - zwar nähere Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens. Es fehlen aber etwa - anders als in der Festlegung - Vorschriften in Bezug auf die Kurzfristkomponente. Ferner enthält die Selbstverpflichtung der Antragstellerin - anders als Nummer 6 der Festlegung - keine Bestimmung über einen Mindestzeitraum zwischen Angebotszuschlag und Lieferbeginn. Schließlich enthält die Selbstverpflichtung - anders als Nummer 4 der Festlegung - keine verbindliche Vorgabe für die maximale Vertragslaufzeit.
Diese Regelungslücken lassen der Antragstellerin nicht nur geringfügige Möglichkeiten einer eigenständigen Kostenbeeinflussung. In Bezug auf die Kurzfristkomponente ergibt sich dies bereits daraus, dass dieser Bereich zur Gänze ungeregelt bleiben soll. Dies gilt aber auch für die fehlende Festlegung einer maximalen Vertragslaufzeit. Eine solche hat zum Ziel, auch kleineren Anbietern die Möglichkeit der Ausschreibungsteilnahme zu geben und somit auf dem Bereich für Verlustenergie durch häufig wiederkehrende Ausschreibungen einen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb zu etablieren (vgl. Nummer II. 4.2.1 der Gründe der Festlegung vom 21. Oktober 2008).
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Antragstellerin auch nicht deshalb einen Anspruch auf Erlass einer Festlegung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 ARegV, weil es sich bei den Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie naturgemäß um dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten handele. Dies ist nicht der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - EnVR 48/10, RdE 2011, 308 Rn. 77 - EnBW Regional AG).
d) Das Beschwerdegericht hat auch den mit der Verpflichtungsbeschwerde verfolgten Hilfsantrag der Antragstellerin, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die Festlegung vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006) als wirksame Verfahrensregulierung i.S.v. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ARegV festzulegen, zu Recht zurückgewiesen. Wie der Senat mit Beschluss vom 24. Mai 2011 (EnVR 27/10, RdE 2011, 420 Rn. 28 - Freiwillige Selbstverpflichtung) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stellt diese Festlegung keine umfassende Regulierung der Beschaffung von Verlustenergie dar.
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