Entscheidungsdatum: 09.07.2013
KNS
Die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 GasNEV ist keine Betriebssteuer im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV. Sie zählt daher nicht zu den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen, deren Änderung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ARegV zu einer Anpassung der Erlösobergrenze führt.
Auf die Rechtsbeschwerden der Landesregulierungsbehörde und der Bundesnetzagentur wird der Beschluss des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 18. Dezember 2008 aufgehoben worden ist.
Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Bescheid wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Kosten und Auslagen des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die Auslagen der Bundesnetzagentur werden der Betroffenen auferlegt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.
I.
Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 legte die Landesregulierungsbehörde die einzelnen Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2012 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Dabei erkannte sie unter anderem im Rahmen der Ermittlung der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Satz 1 ARegV die von der Betroffenen angesetzte kalkulatorische Gewerbesteuer nicht als Betriebssteuer im Sinne der Nummer 3 dieser Bestimmung an.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Bescheid der Landesregulierungsbehörde aufgehoben und diese verpflichtet, die Erlösobergrenzen unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung, zu den Betriebssteuern im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV sei auch die Gewerbesteuer zu rechnen, neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.
Hiergegen richten sich die - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Landesregulierungsbehörde und der Bundesnetzagentur.
II.
Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Landesregulierungsbehörde die von der Betroffenen angesetzte Gewerbesteuer zu Unrecht nicht als Teil der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 ARegV behandelt habe. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV sei dahin auszulegen, dass zu den „Betriebssteuern“ auch die Gewerbesteuer zu rechnen sei. Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff „Betriebssteuern“ sei aus § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG übernommen und habe in der Finanzbuchhaltung eine feststehende Bedeutung. Danach seien Betriebssteuern als Teil der betrieblich veranlassten Aufwendungen (Betriebsausgaben) sämtliche betrieblich veranlasste Steuern, wozu auch die Gewerbesteuer gehöre, weil sie allein durch den Gewerbebetrieb veranlasst sei.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 4 Abs. 5b EStG in der Fassung vom 14. August 2007, wonach Gewerbesteuern keine Betriebsausgaben seien. Diese Formulierung sei verfehlt und könne nur als Abzugsverbot verstanden werden, ohne - was aus der Definition der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG hervorgehe - die Eigenschaft der Gewerbesteuer als Teil der betriebsbedingten Aufwendungen in Frage zu stellen. Von dieser weiten Definition sei der Gesetzgeber auch in § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG ausgegangen. Gegen eine Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Gruppe der Betriebssteuern nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV ließen sich auch den Gesetzesmaterialien zur Anreizregulierungsverordnung keine Anhaltspunkte entnehmen. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Verordnungsentwurfs in den Bundesrat habe § 4 Abs. 5b EStG nF noch nicht gegolten, so dass die Gewerbesteuer damals noch eine im Grundsatz abzugsfähige Betriebsausgabe gewesen sei. Die Änderung dieser Vorschrift habe in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag gefunden. Der Verordnung könne nicht entnommen werden, dass betrieblich bedingte Steuern den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten nur so lange zugeordnet werden sollten, wie sie nach dem Einkommensteuergesetz abzugsfähig seien.
Schließlich entspreche die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Betriebssteuern auch dem Sinn und Zweck des § 21a Abs. 1 EnWG, wonach die Anreizregulierung „Anreize für eine effiziente Leistungserbringung“ setzen solle. Ein solcher Anreiz könne aber nur wirken, soweit der Netzbetreiber Einfluss auf die Kostenhöhe habe. Dies sei jedoch bei Betriebssteuern zumindest in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Besteuerung und die Höhe des Steuersatzes nicht der Fall. Für die Gewerbesteuer gelte nichts anderes. Dass sich deren Höhe nach dem Gewerbeertrag und im Rahmen des § 8 GasNEV nach dem Umfang des Betriebsvermögens bestimme und damit mittelbar vom Netzbetreiber zu beeinflussen sei, sei unschädlich. Dies sei auch bei anderen Steuerarten wie etwa der Grundsteuer der Fall, ohne dass dadurch deren Einordnung als Betriebssteuer in Zweifel stünde.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Bei der Ermittlung von Erlösobergrenzen sind nach § 21a Abs. 4 Satz 1 EnWG die durch den jeweiligen Netzbetreiber beeinflussbaren Kostenanteile und die von ihm nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu unterscheiden. Nach dem Willen des Gesetzgebers umfasst der nicht beeinflussbare Kostenanteil nach § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG solche Kosten der Netzbetreiber, auf deren Höhe sie nicht einwirken können und die deshalb keinen Effizienzvorgaben unterliegen; dieser Kostenanteil an dem Gesamtentgelt muss daher auf Grundlage der tatsächlichen Kosten nach § 21 Abs. 2 EnWG ermittelt werden (BT-Drucks. 15/5268, S. 120). § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV ordnen Betriebssteuern ausdrücklich als nicht beeinflussbare Kostenanteile ein. Darunter fallen nach dem Willen des Verordnungsgebers alle Steuern, die in der Steuerbilanz abzugsfähige Betriebsausgaben sind (BR-Drucks. 417/07, S. 51).
b) Nach diesen Maßgaben ist die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 GasNEV keine Betriebssteuer im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV.
aa) Im Rahmen der für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen der ersten Regulierungsperiode nach § 6 Abs. 2 ARegV maßgebenden Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten Genehmigung nach § 23a EnWG wie auch im Rahmen der Kostenprüfung nach § 6 Abs. 1 ARegV ist die Gewerbesteuer lediglich als kalkulatorische Kostenposition nach § 8 GasNEV in Ansatz zu bringen, während eine Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Gewerbesteuer nach § 5 Abs. 1 GasNEV ausgeschlossen ist. Durch den Ansatz kalkulatorischer Kosten sollen die unter simulierten Wettbewerbsbedingungen sich bildenden Netzentgelte ermittelt werden. Für den Ansatz der Gewerbesteuer hat nichts anderes zu gelten als für tatsächlich anfallende Kosten oder Kostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden und aus diesem Grund gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG bei der Entgeltbildung nicht berücksichtigt werden dürfen (Senat, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 36/07, RdE 2008, 337 Rn. 83 - Stadtwerke Trier).
Mit der Vorschrift des § 8 GasNEV soll erreicht werden, dass die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung nach § 7 Abs. 6 GasNEV mit der Maßgabe ungeschmälert in die Netzentgeltberechnung einfließen und dem Netzbetreiber als Ertrag verbleiben soll, dass die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 GasNEV zu berechnen ist (vgl. Senat aaO, Rn. 85 - Stadtwerke Trier, zu den gleichlautenden Regelungen in der Stromnetzentgeltverordnung). Dass aufgrund dessen die Eigenkapitalverzinsung tatsächlich nicht in vollem Umfang erhalten bleibt, ist zwangsläufige Folge des rein kalkulatorischen Berechnungsansatzes (Senat aaO, Rn. 86 - Stadtwerke Trier).
Nach § 8 Satz 1 GasNEV stellt die Eigenkapitalverzinsung nach § 7 GasNEV die Bemessungsgrundlage, d.h. den Gewerbeertrag, für die kalkulatorische Gewerbesteuer dar. Hierdurch wird auf eine rein fiktive Bemessungsgrundlage, die kalkulatorisch ermittelte Eigenkapitalverzinsung nach § 7 GasNEV, abgestellt. Ausgangspunkt sind somit nicht die der steuerlichen und handelsrechtlichen Gewinnermittlung zugrundeliegenden Größen. Die kalkulatorische Gewerbesteuer ist vielmehr Teil der kalkulatorischen Kostenrechnung, die die Entgeltbildung unter funktionierenden Wettbewerbsbedingungen simulieren soll (Senat, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 72 f. - Rheinhessische Energie).
bb) Danach begegnet es bereits Zweifeln, ob die kalkulatorische Gewerbesteuer unter das Tatbestandsmerkmal der Betriebssteuer im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV zu fassen ist. Nach dem Wortsinn dürften darunter nur „echte“ betrieblich veranlasste Steuern fallen, nicht dagegen lediglich kalkulatorische Kostenansätze.
Gegen eine Einbeziehung der kalkulatorischen Gewerbesteuer unter die Betriebssteuern im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV spricht aber vor allem eine systematische Auslegung dieser Vorschrift. Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass in dem Katalog des § 11 Abs. 2 Satz 1 ARegV kalkulatorisch ermittelte Kosten und Erlöse enthalten sind, wie etwa aus genehmigten Investitionsmaßnahmen nach Nummer 6, aus Mehrkosten für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Erdkabeln nach Nummer 7, aus pauschalierten Investitionszuschlägen nach Nummer 12 und aus der Auflösung von Netzanschlusskostenbeiträgen und Baukostenzuschüssen nach Nummer 13. Daraus ist aber eher im Umkehrschluss zu folgern, dass andere kalkulatorisch ermittelte Kosten nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 ARegV fallen sollen, weil dort im Übrigen nur aufwandsgleiche Kostenanteile im Sinne des § 5 GasNEV genannt werden, zu denen die kalkulatorische Gewerbesteuer nicht gehört.
Dieses Ergebnis wird durch die Materialien gestützt. Nach dem Willen des Verordnungsgebers fallen unter § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV alle Steuern, die in der Steuerbilanz abzugsfähige Betriebsausgaben sind (BR-Drucks. 417/07, S. 51). Dazu gehört die kalkulatorische Gewerbesteuer nicht. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 21a EnWG. Danach soll der nicht beeinflussbare Kostenanteil nach § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG auf Grundlage der tatsächlichen Kosten nach § 21 Abs. 2 EnWG ermittelt werden (BT-Drucks. 15/5268, S. 120). Um solche Kosten handelt es sich bei der kalkulatorischen Gewerbesteuer gerade nicht. Vielmehr wird diese gemäß § 8 GasNEV auf Grundlage der nach § 7 GasNEV kalkulatorisch ermittelten Eigenkapitalverzinsung bemessen.
Schließlich spricht entscheidend gegen die Einordnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer als Betriebssteuer im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ARegV der Sinn und Zweck dieser Norm wie auch des § 21a Abs. 4 EnWG. Danach dient die Unterscheidung zwischen den nicht beeinflussbaren und den beeinflussbaren Kostenanteilen dazu, diejenigen Kostenanteile zu identifizieren, auf deren Höhe der Netzbetreiber nicht einwirken kann, um diese - was aus § 21a Abs. 4 Satz 6 EnWG hervorgeht - nicht den Effizienzvorgaben zu unterwerfen; denn dies widerspräche dem Wesen der Anreizregulierung, weil den Netzbetreibern insoweit weitere Effizienzsteigerungen nicht möglich sind (BT-Drucks. 15/5268, S. 120). Die kalkulatorische Gewerbesteuer erfüllt diese Voraussetzung gerade nicht. Deren - rein fiktive - Bemessungsgrundlage ist die kalkulatorisch ermittelte Eigenkapitalverzinsung nach § 7 GasNEV, bei der es sich - was zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit steht - um einen beeinflussbaren Kostenanteil handelt. Dann ist zwangsläufig auch die kalkulatorische Gewerbesteuer als - untrennbarer - Teil der kalkulatorischen Kostenrechnung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit §§ 6 bis 8 GasNEV ein durch den Netzbetreiber beeinflussbarer Kostenanteil. Dem steht, anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, nicht entgegen, dass für die Berechnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer mit der Steuermesszahl und dem Hebesatz der jeweiligen Gemeinde auch Parameter maßgeblich sind, auf deren Höhe der Netzbetreiber nicht einwirken kann. Entsprechendes ist auch bei den beiden anderen kalkulatorischen Kostenarten der Fall, nämlich bei den kalkulatorischen Abschreibungen nach § 6 GasNEV in Bezug auf die Abschreibungsmethode und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer und bei der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung nach § 7 GasNEV in Bezug auf die Eigenkapitalzinssätze.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
Bornkamm Raum Strohn
Grüneberg Bacher