Entscheidungsdatum: 24.08.2010
Flughafennetz Leipzig/Halle
§ 110 Abs. 1 EnWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass auf Objektnetze i.S. der Nummer 1 dieser Vorschrift Teil 3 des Energiewirtschaftsgesetzes nur insoweit keine Anwendung findet, als dem nicht der Anspruch auf diskriminierungsfreien Netzzugang entgegensteht .
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. März 2009 aufgehoben. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 12. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Wert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 600.000 € festgesetzt.
A.
Die Antragstellerin betreibt den Flughafen Leipzig/Halle und unterhält dort auch das Stromnetz. Dieses Stromnetz dient der Eigenversorgung; es sind aber auch weitere 93 Unternehmen angeschlossen. Die Beteiligte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das seit Anfang 2004 die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, die auf dem Flughafen Leipzig/Halle angesiedelt ist, mit Strom beliefert.
Die Antragstellerin beantragte bei der zuständigen Landesregulierungsbehörde, das von ihr auf dem Flughafen Leipzig/Halle unterhaltene Netz als Objektnetz (§ 110 EnWG) anzuerkennen. Die Landesregulierungsbehörde erließ daraufhin am 12. Juli 2006 einen Bescheid, in dem in Nummer 1 festgestellt wird, dass das Energieversorgungsnetz der Antragstellerin derzeit die Voraussetzungen für ein Objektnetz nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG erfüllt. Hiergegen hat die im Verfahren vor der Regulierungsbehörde Beteiligte Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 17. Oktober 2006 um eine Vorabentscheidung ersucht (OLG Dresden, RdE 2007, 125). Dieser hat mit Urteil vom 22. Mai 2008 (C-439/06, Slg. 2008 I-3913 = RdE 2008, 245 - citi-works) die ihm vorgelegten Fragen beantwortet. Daraufhin hat das Beschwerdegericht der Beschwerde der Beteiligten stattgegeben und den Bescheid der Landesregulierungsbehörde in Nummer 1 aufgehoben (OLG Dresden, WuW/E DE-R 2619). Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten gegen die Entscheidung der Landesregulierungsbehörde.
I.
Allerdings folgt dies nicht schon daraus, dass die Beschwerde der Beteiligten unzulässig war. Der abweichenden Auffassung der Antragstellerin kann nicht gefolgt werden.
1. Die Beteiligte war beschwerdebefugt. Als am Verfahren vor der Regulierungsbehörde Beteiligter (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG) stand ihr nach § 75 Abs. 2 EnWG die Beschwerdebefugnis zu. Die Beteiligte ist, wie weiter erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - EnVR 79/07, WuW/E DE-R 2512 Rn. 7 f.), auch materiell beschwert. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, berührt die Anerkennung eines Netzes als Objektnetz einen Stromlieferanten wirtschaftlich jedenfalls dann unmittelbar, wenn er - wie hier die Antragstellerin - aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages Anschlussnehmer in diesem Netz beliefert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, WuW/E DE-R 2535 Rn. 17 - citiworks).
2. Der Beteiligten fehlte für die Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Sie war nicht gehalten, ihre Beschwerde gegen die Feststellung nach § 110 Abs. 1 EnWG mit einem Verpflichtungsantrag zu verbinden.
II.
Die Aufhebung des Feststellungsbescheids hält jedoch der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Netz der Antragstellerin sei weder nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 noch nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG als Objektnetz zu qualifizieren. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in dem Vorabentscheidungsverfahren festgestellt habe, müsse Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt dahin ausgelegt werden, dass er einer Bestimmung wie § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG entgegenstehe. Betreiber von Energieversorgungsnetzen dürften von der Verpflichtung, Dritten freien Netzzugang zu gewähren, nicht deshalb ausgenommen werden, weil sich die Netze auf einem zusammengehörigen Betriebsgebiet befänden und überwiegend dem Energietransport im eigenen Unternehmen dienten. Die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG sei insgesamt unwirksam. Anhaltspunkte dafür, dass der Gerichtshof die Norm nur teilweise für unwirksam habe erklären wollen, bestünden nicht.
Es spreche einiges dafür, dass das Gemeinschaftsrecht auch zu einer Unwirksamkeit von § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG führe. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, weil jedenfalls das nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EnWG erforderliche Merkmal der Unzumutbarkeit nicht gegeben sei. Eine Unzumutbarkeit im Sinne dieser Bestimmung liege nur vor, wenn bei Anwendung der in § 110 Abs. 1 EnWG genannten Vorschriften die vertraglichen Beziehungen zwischen Netzbetreiber und den durch das Objektnetz versorgten Letztverbrauchern so empfindlich gestört würden, dass die Realisierung des übergeordneten Geschäftszwecks gefährdet wäre. Dabei müsse ein strenger Auslegungsmaßstab angelegt werden. Im Falle der Antragstellerin lasse sich eine Unzumutbarkeit nicht feststellen. Der mit der Regulierung verbundene personelle und organisatorische Aufwand sei der gesetzgeberischen Konzeption geschuldet und daher grundsätzlich tragbar. Dies gelte auch für kleinere Netze, zumal die hierdurch verursachten Kosten in die Entgeltbildung einflössen und auf die Netznutzer umgelegt werden könnten. Ebenso wenig ergebe sich eine Unzumutbarkeit daraus, dass der Netzbetrieb für die Antragstellerin nur Nebenbetrieb sei und das Stromnetz den für einen Flughafen geltenden besonderen Sicherheitsanforderungen unterliege.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Das Beschwerdegericht hat das Netz der Antragstellerin allerdings zu Recht als Energieversorgungsnetz im Sinne des § 110 Abs. 1 EnWG qualifiziert. Nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 16 EnWG fallen unter den Begriff Energieversorgungsnetze auch Elektrizitätsversorgungsnetze über eine oder mehrere Spannungsebenen. Da durch das Netz neben dem eigenen Betrieb der Antragstellerin selbst noch 93 weitere Anschlussnehmer mit Strom beliefert werden, ist diese Voraussetzung erfüllt. Soweit die Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren diese Einordnung in Zweifel zieht und vorträgt, ihr Netz sei eine Energieanlage (§ 3 Nr. 15 EnWG) bzw. eine Direktleitung (§ 3 Nr. 12 EnWG), ist dies unbeachtlich. Die Rechtsbeschwerde stützt sich insoweit auf Tatsachen, die nicht vom Beschwerdegericht festgestellt wurden und deshalb nicht zur Grundlage rechtlicher Erwägungen im Rechtsbeschwerdeverfahren gemacht werden können.
b) Ohne Rechtsverstoß hat das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG verneint.
aa) Insofern bedarf es keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Bestimmung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben (offen gelassen auch von BGH, Beschluss vom 6. Mai 2009 - EnVR 55/08, RdE 2009, 340 Rn. 24 - Industriepark Altmark). Ebenso wenig bedarf es der Klärung, ob der Betrieb des Flughafens mit seinen hierum gruppierten geschäftlichen Aktivitäten einen gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG darstellt, der eine funktionale Verbindung der an das Netz angeschlossenen Letztverbraucher voraussetzt (BGH aaO Rn. 21 f.; zweifelnd insoweit hinsichtlich Flughäfen Boesche/Wolf, ZNER 2005, 285, 295).
bb) Eine Anwendung des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG scheidet hier jedenfalls deshalb aus, weil die zusätzliche Voraussetzung gemäß Buchstabe b dieses Tatbestands nicht vorliegt. Es ist - wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - nicht zu erkennen, dass die Anwendung der in § 110 Abs. 1 EnWG einleitend genannten Bestimmungen, d.h. der Teile 2 und 3 des Energiewirtschaftsgesetzes sowie seiner §§ 4, 52 und 92, den gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck unzumutbar erschweren würde.
(1) Die unzumutbare Erschwerung muss sich nach der gesetzlichen Regelung auf den gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck beziehen und durch die Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes verursacht sein. Die Schwelle der Unzumutbarkeit ist - wie auch das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat - erst dann erreicht, wenn durch die in Absatz 1 genannten Regulierungsfolgen die Realisierung des gemeinsamen übergeordneten Geschäftszwecks gefährdet wäre (vgl. Stötzel in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 110 Rn. 10; de Wyl/Becker, ZNER 2006, 106, 108; Boesche/Wolf, ZNER 2005, 285, 296).
(2) Ausgehend davon hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EnWG angenommen. Die Antragstellerin führt zur Begründung der Unzumutbarkeit vor allem den verwaltungstechnischen und finanziellen Aufwand der Entgeltregulierung an. Diesen Gesichtspunkt hat das Beschwerdegericht zu Recht nicht ausreichen lassen. Angesichts der Betriebsgröße der Antragstellerin wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, die bilanziellen Vorarbeiten durchzuführen, die für die Ermittlung der Netzentgelte nach der Stromnetzentgeltverordnung erforderlich wären. Hierbei handelt es sich im Übrigen um einen Vorgang, der sämtlichen Netzbetreibern in Deutschland abverlangt wird. Die dadurch anfallenden Kosten gehören zu den Kosten des Netzbetriebes (§ 4 Abs. 1 StromNEV) und können auf die Netznutzer umgelegt werden. Darauf, dass die Antragstellerin in erster Linie den Flughafen und lediglich daneben das Stromnetz betreibt, hat das Beschwerdegericht zu Recht die Unzumutbarkeit nicht gestützt. Es ist für die Anwendung der Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes unerheblich, aus welchen Gründen ein Stromnetz unterhalten wird.
Soweit die Antragstellerin zur Darlegung einer unzumutbaren Erschwernis vorträgt, dass sich, wenn das Netz nicht als Objektnetz anerkannt würde, möglicherweise - mit der Folge weiteren Aufwands - Anlieger aus der angrenzenden Stadt Schkeuditz an ihr Stromnetz anschließen ließen, sind dies rein hypothetische Erwägungen. Sie können außer Betracht bleiben, zumal nicht erkennbar ist, warum Anwohner einen derartigen Anschluss an das nach Angaben der Antragstellerin aus Sicherheitsgründen besonders aufwendige (und damit teurere) Stromnetz anstreben sollten.
c) Das Beschwerdegericht hat jedoch zu Unrecht § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG für unanwendbar gehalten, weil die Vorschrift mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei.
aa) Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54/EG dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung wie § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG entgegensteht, nach der bestimmte Betreiber von Energieversorgungsnetzen von der Verpflichtung, Dritten freien Netzzugang zu gewähren, ausgenommen sind, weil sich diese Netze auf einem zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden und überwiegend dem Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens und zu verbundenen Unternehmen dienen.
Zur Begründung hat der Gerichtshof ausgeführt: Die Auslegung beruhe im Wesentlichen darauf, dass der freie Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilungsnetzen eine der Hauptmaßnahmen sei, um zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarktes zu gelangen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe nicht bestimmte Übertragungs- oder Verteilernetze allein aufgrund ihrer Größe vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/54/EG ausnehmen wollen. Er erlaube - außer in den von der Richtlinie ausdrücklich genannten Fällen - nicht, dass der nationale Gesetzgeber Abweichungen vorsehe. Soweit die Richtlinie etwa in den Fällen zu geringer Kapazität oder wegen der Verwirklichung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen Zugangsbeschränkungen zu Lasten Dritter ermögliche (Art. 3 Abs. 8), habe sich der deutsche Gesetzgeber bei dem Erlass des § 110 Abs. 1 EnWG auf diese Vorschrift nicht bezogen. Für eine Ausnahme zugunsten kleiner, isolierter Netze fehle die hierfür erforderliche Zustimmung der Kommission, die von der Bundesrepublik Deutschland auch nicht beantragt worden sei.
bb) An das dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrundeliegende Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte - und damit das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdegericht - gebunden (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 19). Das Beschwerdegericht hat jedoch verkannt, dass diese Bindung nur die Auslegung des Unionsrechts (hier der Richtlinie 2003/54/EG) betrifft, zu der der Gerichtshof der Europäischen Union berufen ist. Hingegen ist von den nationalen Gerichten zu entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem vom Gerichtshof verbindlich ausgelegten Unionsrecht für die Anwendung und Auslegung des in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden nationalen Rechts ergeben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die nationalen Gerichte aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann/Nordrhein-Westfalen; Slg. 2004, I-8835, Rn. 113 - Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.).
Wenn der Gerichtshof der Europäischen Union über die Auslegung einer Richtlinie befunden hat, ist anhand seiner sich aus dem Entscheidungssatz und den Gründen seines Urteils ergebenden Interpretation des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen, ob die nationale Norm richtlinienkonform ausgelegt werden kann. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert dabei nicht nur eine Umsetzung des Gemeinschaftsrechts im Wege einer Gesetzesauslegung im engeren Sinne, also eine Rechtsfindung innerhalb der vom Wortlaut der nationalen Norm gesetzten Grenzen. Er verlangt darüber hinaus, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN). Daraus folgt auch das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion, wenn eine verdeckte planwidrige Regelungslücke besteht, die durch eine teleologische Reduktion auf einen richtlinienkonformen Sinngehalt zurückgeführt werden kann (BGH aaO Rn. 21, 22).
cc) Eine solche Möglichkeit der richtlinienkonformen Korrektur besteht - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - auch für § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG. Die Vorschrift ist, soweit für das Streitverfahren von Bedeutung, richtlinienkonform dahin auszulegen, dass auf den Betrieb von Energieversorgungsnetzen, die die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG erfüllen, Teil 3 des Energiewirtschaftsgesetzes nur insoweit keine Anwendung findet, als dem nicht der Anspruch auf diskriminierungsfreien Netzzugang nach sachlich gerechtfertigten Kriterien entgegensteht.
(1) In § 110 Abs. 1 EnWG knüpft das Gesetz an die Feststellung der Voraussetzungen eines Objektnetzes eine ganze Reihe von Rechtsfolgen. Nach dem Wortlaut des § 110 Abs. 1 EnWG sind auf Objektnetze die Teile 2 und 3 sowie die §§ 4, 52 und 92 des Energiewirtschaftsgesetzes nicht anwendbar. Daher sollen für diese Netze weder die Genehmigungspflicht für die Aufnahme des Netzbetriebes (§ 4), die Vorschriften über die Entflechtung (§§ 7 ff.), die Meldepflichten (§ 52) und die Beitragspflicht gegenüber der Bundesnetzagentur (§ 92) noch die Regelungen über die Entgeltregulierung (§§ 21, 23a) und die Zugangsgarantie zu den Netzen (§ 20) gelten. Zudem sind die Vorschriften des 4. Teils über die Energielieferung an Letztverbraucher nicht anwendbar (§ 110 Abs. 2 EnWG).
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Vorabentscheidung in dieser Sache - entsprechend der Vorlagefrage - nur eine Entscheidung im Blick auf die Gewährleistung des Zugangs Dritter zu einem Objektnetz im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG getroffen. Die Entscheidung besagt lediglich, dass auch bei solchen Netzen der Anspruch auf Netzzugang für Dritte nicht beeinträchtigt werden darf. Daraus ergibt sich weder etwas für eine Unionsrechtswidrigkeit der Objektnetzfeststellung an sich noch verhält sich die Entscheidung dazu, ob und gegebenenfalls inwieweit die übrigen Rechtsfolgen einer solchen Feststellung mit Unionsrecht vereinbar sind.
Der Blick auf diese weiteren von § 110 Abs. 1 EnWG für Objektnetze angeordneten Rechtsfolgen zeigt, dass jedenfalls einige von ihnen den freien Netzzugang nicht beeinträchtigen und deshalb mit der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie, wie vom Gerichtshof ausgelegt, in Einklang stehen. So verstoßen etwa die Ausnahme von den Meldepflichten nach § 52 EnWG oder die Entbindung von der Beitragspflicht gegenüber der Bundesnetzagentur (§ 92 EnWG) nicht gegen die vom Gerichtshof der Europäischen Union angeführten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts.
Aus alle dem folgt aber, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts für eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG durchaus Raum ist. Da die Objektnetzfeststellung nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG als solche Gemeinschaftsrecht nicht zuwider läuft und mit ihr auch Rechtsfolgen verbunden sind, die der nationale Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie mit der Objektnetzeigenschaft verbinden durfte, ergibt diese Feststellung - wenn auch in eingeschränktem Umfang - weiterhin Sinn. Indem ihre Rechtsfolgen hinsichtlich des Umfangs der Privilegierung des Objektnetzbetreibers auf dasjenige zurückgeführt werden, was unionsrechtlich zulässig ist, wird zugleich dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, mit dem Energiewirtschaftsgesetz und der Vorschrift des § 110 EnWG die Richtlinie 2003/54/EG umzusetzen und insbesondere dem Recht auf Netzzugang zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen Geltung zu verschaffen.
(2) Eine solche unionsrechtskonforme Rechtsfolgenreduktion ist nicht deswegen unzulässig, weil mit der Anerkennung eines Netzzugangsanspruchs und den hieran geknüpften weiteren Rechtsfolgen ein zentraler Bestandteil der vom Gesetzgeber gewollten Privilegierung des Objektnetzbetreibers entfällt. Da § 110 EnWG nur dann ohne Rücksicht auf den unionsrechtlich gebotenen Zugangsanspruch ausgelegt und angewendet werden darf, wenn eine Auslegung, die dem unionsrechtlich Gebotenen Rechnung trägt, schlechthin ausgeschlossen ist, zwänge der Verzicht auf eine teleologische Reduktion der Rechtsfolgen der Feststellung der Objektnetzeigenschaft dazu, die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Anerkennung so restriktiv auszulegen, wie es erforderlich ist, um dem unionsrechtlich gebotenen Zugangsanspruch so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Damit würde jedoch der - insoweit nicht in Widerspruch zu Unionsrecht stehende - Wille des Gesetzgebers missachtet, den Betreiber eines Objektnetzes bereits dann zu privilegieren, wenn sich das Netz auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befindet und lediglich überwiegend dem Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen dient (vgl. BT-Drucks. 15/3917 S. 75; BT-Drucks. 15/5268 S. 122, BR-Drucks. 248/01/05 Nr. 23). Hingegen trägt die Reduktion der Rechtsfolgen der Anerkennung als Objektnetz dem Umstand Rechnung, dass der Gesetzgeber seinen unionsrechtlichen Spielraum hinsichtlich dieser Rechtsfolgen unzutreffend eingeschätzt und insoweit das Ziel verfehlt hat, die Richtlinie umzusetzen.
III.
1. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und die Objektnetzfeststellung nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG durch die Landesregulierungsbehörde unter der vorgenannten Maßgabe wiederherstellen. Es bestehen keine Zweifel, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG erfüllt sind, weil das Netz überwiegend dem Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens der Antragstellerin dient. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts lag der Anteil der für das Unternehmen selbst genutzten Energie im Jahr 2004 bei mehr als 85 Prozent. Selbst wenn man - was der Senat offen lässt - im gerichtlichen Kontrollverfahren insoweit neue Tatsachen berücksichtigen dürfte, ergäbe sich nichts anderes. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten läge dieser Anteil jedenfalls noch deutlich über 70 Prozent. Bei einer Eigenversorgung in diesem Umfang wäre das Merkmal "überwiegend" im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 1 EnWG gleichfalls erfüllt.
2. Zur Klarstellung bemerkt der Senat ergänzend:
Ungeachtet der Feststellung, dass es sich bei dem Netz der Antragstellerin um ein Objektnetz handelt, steht der Beteiligten nach dem vorstehenden Ergebnis der richtlinienkonformen Auslegung des § 110 EnWG der Zugangsanspruch nach § 20 Abs. 1 EnWG zu. Die Antragstellerin hat dies in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Regulierungsbehörde wird auf Antrag gemäß § 31 EnWG zu prüfen haben, ob die für den Zugang verlangten Entgelte den materiell-rechtlichen Maßstäben des Gesetzes entsprechen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG. Der Senat sieht aus Billigkeitsgründen von einer Überbürdung der notwendigen Auslagen ab, weil die Beteiligte ihr inhaltliches Ziel, nämlich die Gewährleistung ihres Netzzugangs, im Ergebnis erreicht hat.
Tolksdorf Raum Meier-Beck
Bergmann Grüneberg