Entscheidungsdatum: 21.01.2011
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. November 2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit ist (noch) die Übernahme von Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Übernahme der Kosten für eine Hippotherapie.
Die 1975 geborene Klägerin leidet an einem Louis-Bar-Syndrom, eine vererbte Systemerkrankung, von der insbesondere das Nervensystem, die Blutgefäße von Augen und Haut und das Immunsystem betroffen sind. Im Zeitraum vom 22.2.2006 bis 14.6.2006 wurde auf privatärztliche Verordnung eine Hippotherapie durchgeführt. Nach Abschluss der Therapie beantragte die Klägerin bei ihrer Krankenkasse (AOK Rheinland-Pfalz) unter Vorlage einer Rechnung vom 19.6.2006 die Erstattung der Kosten für die durchgeführte Hippotherapie in Höhe von 288 Euro. Die an den Beklagten zur Entscheidung weitergeleitete Erstattungsforderung lehnte dieser ab (Bescheid vom 7.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006). Auch verschiedene, von der AOK an ihn weitergeleiteten Anträge auf Erstattung der in der gesetzlichen Krankenversicherung geleisteten Zuzahlungen lehnte er ab (Bescheid vom 8.6.2006, Widerspruchsbescheid vom 29.12.2006; Bescheid vom 7.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 29.12.2006; Bescheid vom 27.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 27.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 19.11.2008, Urteil des Landessozialgerichts
Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Soweit es die Zuzahlungen betreffe, stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob zur Schließung einer Gesetzeslücke bei Betroffenen, die - wie die Klägerin - "von Jugend an an einer erblich bedingten, zu einer Behinderung mit einem Grad von 100 führenden unheilbaren und lebensbedrohlichen Erkrankung leiden und die weder durch ihre Lebensführung den Ausbruch dieser Krankheit verhindern können, noch durch therapiegerechtes Verhalten ihre Behandlung und die damit verbundenen Kosten beeinflussen oder steuern können, entsprechend den Regelungen der §§ 32, 82 Abs. 2 Ziff 2 und 3 SGB XII zu entlasten sind". Die Beantwortung dieser Frage sei für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich, soweit die Übernahme von Zuzahlungen abgelehnt worden sei.
Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer durchgeführten Hippotherapie nach § 54 SGB XII oder § 55 Abs 2 SGB IX habe, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil zur Petö-Therapie vom 29.9.2009 (SozR 4-3500 § 54 Nr 6) für diese Therapie angenommen habe. Damit zusammenhängend sei zu klären, ob die Klägerin auf die vorrangige Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werden könne und vor der Durchführung der Therapie die Entscheidung des Rehabilitationsträgers habe abwarten müssen. Maßgebend sei, ob die Hippotherapie einen Beitrag zur Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen könne. Das LSG habe seiner Entscheidung insoweit die gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. S. vom 16.2.2004 zu Grunde gelegt, hieraus allerdings (zu Unrecht) gefolgert, dass danach die Hippotherapie "direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung" ansetze, somit eine medizinische Leistung vorliege, für die der Ausschluss im Leistungsumfang der Krankenkassen maßgebend sei. Auch stelle sich die weitere grundsätzliche Frage, ob angesichts der Möglichkeit einer Überschneidung der medizinischen Rehabilitation mit der sozialen Rehabilitation in den Fällen, in denen eine Beseitigung der Störung nicht mehr möglich sei, die Maßnahme aber dennoch an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung ansetze, die Kostenübernahme hierfür unter Hinweis auf den abschließenden Katalog medizinischer Rehabilitationsleistungen vom Anwendungsbereich der § 54 SGB XII, § 55 SGB IX ausgeschlossen werden dürfe. Die Beantwortung dieser Fragen sei auch entscheidungserheblich, da davon der Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten abhänge.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss er mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar werden verschiedene Rechtsfragen formuliert, die weiteren Ausführungen genügen aber nicht den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung.
So lassen die Ausführungen zu den Zuzahlungen keine Aussage über die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage zu. Abgesehen davon, dass schon nicht deutlich wird, inwieweit andere Personenkreise die Leistungen von Zuzahlungen "steuern" können, genügt es zur Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht, auf Sinn und Zweck der Zuzahlungsregelung zu verweisen und ohne weitere Auseinandersetzung mit der Rechtslage hieraus auf eine angebliche Lücke im Gesetz zu schließen. Die Klägerin hätte sich vielmehr zunächst mit der Regelsatzverordnung (RSV) und der Gesetzesentwicklung auseinandersetzen müssen, weil (erst) seit dem 1.1.2004 Sozialhilfeempfänger wie alle sonstigen gesetzlichen Versicherten Zuzahlungen von bis zu 2 vH ihres Bruttoeinkommens, chronisch Kranke bis 1 vH ihres Bruttoeinkommens, zu erbringen haben und dementsprechend § 38 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gestrichen und § 1 Abs 1 Satz 2 RSV dahingehend geändert wurde, dass die Wörter "sowie für Körperpflege und für Reinigung" durch die Wörter "für Körperpflege, für Reinigung sowie die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Gesetzes übernommen werden" ersetzt wurden (Art 29 GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 - BGBl I 2190). Sie hätte sodann Ausführungen dazu machen müssen, weshalb trotz der Gesetzesentwicklung, des Wortlauts der einschlägigen Normen und der gesetzgeberischen Zielsetzung von einer Gesetzeslücke auszugehen ist und in diesem Zusammenhang auch erläutern müssen, warum ihr Existenzminimum durch die Zuzahlungen unterschritten und es deshalb unzumutbar ist, diese Aufwendungen aus dem Regelsatz zu decken. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Senat mit Urteil vom 16.12.2010 - B 8 SO 7/09 R - einen Anspruch auf Übernahme von Zuzahlungen zu Arzneimitteln und Praxisgebühren (bis zur jährlichen Belastungsgrenze) bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII verneint hat.
Soweit es die Rechtsfrage betrifft, ob die Hippotherapie als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft anerkannt werden kann, fehlen ebenfalls ausreichende Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und zur Klärungsfähigkeit. Die Klägerin räumt selbst ein, dass das LSG - gestützt auf die Angaben von Prof. Dr. S. die Auffassung vertreten habe, dass die Hippotherapie direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung ansetze und somit eine medizinische Leistung vorliege. Die Frage der Überschneidung von medizinischer und sozialer Rehabilitation, wie sie von der Klägerin aufgeworfen wird, stellt sich damit nicht. Ob das Urteil des LSG richtig ist, insbesondere ob das Gutachten von Prof. Dr. S. richtig gewürdigt wurde, ist hingegen eine reine Tatfrage, die nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein kann. Damit entfällt auch die Klärungsbedürftigkeit der weiteren Frage grundsätzlicher Bedeutung, die ebenfalls auf die "Überschneidung der medizinischen Rehabilitation mit der sozialen Rehabilitation" abstellt. Soweit die Klägerin die Auffassung vertreten sollte, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossene medizinische Rehabilitationsleistungen unter den Anwendungsbereich des SGB XII fallen können, hätte sie sich zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit mit den von ihr selbst zitierten Entscheidungen des Senats zur Petö-Therapie vom 29.9.2009 (SozR 4-3500 § 54 Nr 6) und zu den Hörgerätebatterien vom 19.5.2009 (BSGE 103, 171 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 5) auseinandersetzen müssen. Dort hat der Senat einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation mit der Begründung verneint, dass nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGB XII Leistungen der medizinischen Rehabilitation mit den Leistungen der Krankenversicherung so verknüpft sind, dass sie nach Art und Umfang nicht über die Leistungen des SGB V hinausgehen (dürfen). Sie hätte deshalb darlegen müssen, warum insoweit weiterer Klärungsbedarf besteht. Schließlich fehlen aber zu beiden genannten Rechtsfragen jegliche Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit. Diese wird nur behauptet. Hier hätte die Klägerin zumindest darlegen müssen, dass bei Ansetzen eines individuellen Maßstabs (vgl BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22 f) die Hippotherapie zur sozialen Rehabilitation überhaupt geeignet wäre.
Damit erübrigen sich auch Ausführungen zu der Frage, ob die Klägerin auf die vorrangige Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werden kann und vor der Durchführung der Therapie die Entscheidung des Rehabilitationsträgers abwarten musste.