Entscheidungsdatum: 12.01.2017
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt P. beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit von Juli 2010 bis Januar 2011.
Der 1941 geborene und am 13.4.2016 verstorbene . (A) lebte mit der Klägerin und der 1994 geborenen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung. A bezog eine monatliche Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Betriebsrente, die jährlich Ende Januar ausgezahlt wurde. Die Beklagte lehnte die von A beantragten Leistungen ab, weil sein Einkommen nach den vorgelegten Unterlagen seinen Bedarf übersteige; weitere Unterlagen, aus denen sich eine Bedürftigkeit ergebe, seien nicht vorgelegt worden (Bescheid vom 6.9.2010; Widerspruchsbescheid vom 30.8.2012). Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4.6.2014). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 13.6.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der nachgewiesene monatliche Bedarf des Klägers (520,67 Euro) sei schon durch die Altersrente in Höhe von 786,07 Euro gedeckt gewesen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des A Verfahrensfehler sowie eine Divergenz. § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei verletzt, weil sich eine mündliche Verhandlung "aus dem Sozialstaatsprinzip und der '(richterlichen)' Fürsorgepflicht aufgedrängt" habe. A selbst habe zur mündlichen Verhandlung vor dem SG gesundheitsbedingt nicht erscheinen können. Das Verfahren habe aber für A eine ganz wesentliche Bedeutung gehabt; es stünden existenzsichernde Sozialleistungen von sieben Monaten in Frage. Die Entscheidung des LSG verletze zudem Art 103 Abs 1, Art 19 Abs 4 Satz 1 und Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG), weil im Verlaufe des Verfahrens nicht klar geworden sei, welche Mitwirkungshandlung das LSG von A erwartet habe und das Ergebnis deshalb überraschend gewesen sei. Eine Divergenz liege vor, weil das LSG im Ergebnis ausführe, es sei iS des § 82 SGB XII unerheblich, ob eine Vermögensposition vor Antragstellung verbraucht sei. Es stelle die Rechtssätze auf, eine einmalige Einnahme sei gemäß § 8 Abs 1 Satz 2 und 3 der Verordnung zu § 82 SGB XII von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfalle, und dann auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen; Wertzuwächse vor Antragstellung seien unabhängig vom Vorhandensein bei Antragstellung zu verteilen. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 19.5.2009 (B 8 SO 35/07 R), wonach Mittel, die der Hilfesuchende früher als Einkommen erhalten habe, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden seien, Vermögen seien. A habe die Betriebsrente viele Monate vor Beantragung von Leistungen erhalten. Die Klägerin beantragt zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt P.
II. Die Beschwerde, deren Begründung als fristgerecht behandelt wird, ist unzulässig, weil die gel-tend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Der Vorwurf, das LSG habe fehlerhaft durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschie-den, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Beschwerdebegründung. Die Ent-scheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13; SozR 4-1500 § 153 Nr 7). Zwar ist § 153 Abs 4 SGG unter Beachtung des nach Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention anerkannten Rechts auf (mindestens) eine mündliche Verhandlung eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden. Wenn allerdings - wie hier - erstinstanzlich schon eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist, muss ein Beschwerdeführer zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels im Einzelnen darlegen, weshalb auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 153 Abs 4 Satz 1 SGG eine erneute mündliche Verhandlung vor dem LSG zwingend durchzuführen ist (vgl BSG, Beschluss vom 14.4.2010 - B 8 SO 22/09 B). Hierzu hat die Klägerin nichts Näheres aufgezeigt. Weder genügt der nicht weiter erläuterte Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip oder eine richterliche Fürsorgepflicht noch der pauschale Verweis auf die Streitbefangenheit existenzsichernder Leistungen bzw der Vortrag, dass in erster Instanz nur ihr Prozessbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung habe erscheinen können.
Das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung (Verstoß gegen Art 103 Abs 1, Art 19 Abs 4 Satz 1 und Art 2 Abs 2 Satz 1 GG) legt die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dar. Ihre Ausfüh-rungen hierzu sind offensichtlich wahrheitswidrig. Ihr Vorbringen, auf die entscheidungserheb-lichen Aspekte durch das LSG nicht hingewiesen worden zu sein, widerspricht der eindeutigen Aktenlage (vgl hierzu die Verfügungen des LSG vom 15.2.2016 und 13.4.2016).
Soweit die Klägerin eine Divergenz im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer erhalte-nen Einmalzahlung bei der Bedürftigkeitsprüfung rügt (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), zeigt sie jeden-falls nicht auf, dass die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht. Sie setzt sich an keiner Stelle damit auseinander, dass das LSG schon wegen der laufenden Altersrentenzahlungen an A dessen Bedürftigkeit verneint und ausgeführt hat, auf den Verbrauch der Zahlung aus Januar 2010 komme es entscheidungserheblich nicht an. Es kann daher dahinstehen, ob es dem Vortrag der Klägerin nicht schon an der erforderlichen Strukturiertheit und Klarheit mangelt (vgl dazu nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26), weil die Beschwerdebegründungen zweier unterschiedlicher Beschwerdeführer in zwei unterschiedlichen Beschwerdeverfahren in einem gemeinsamen Text zusammengefasst worden sind. Ebenso kann offen bleiben, ob mit dem Vortrag der Klägerin die Vererbbarkeit des behaupteten Anspruchs (dazu BSGE 116, 210 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 28 Nr 9) überhaupt ausreichend dargestellt ist.
Ein Hinweis darauf, dass die Beschwerdebegründung den gesetzlichen Darlegungsanforderun-gen nicht genügt, war nicht erforderlich. Die Einhaltung der Darlegungserfordernisse obliegt dem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Im Übrigen wäre eine nachgeschobene Begründung ohnehin nicht innerhalb der Begründungsfrist beim BSG eingegangen (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 2 SGG), und eine Erweiterung der Begründung in der Nachholfrist des § 67 Abs 2 SGG müsste keinesfalls ermöglicht werden.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aus-sicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 SGG, § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung <ZPO>) bietet, ist der Klägerin auch keine PKH zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung des Rechtsanwalts (§ 121 ZPO).