Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 15.12.2016


BSG 15.12.2016 - B 8 SO 48/16 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Prozesskostenhilfe - hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung - Nichtzulassungsbeschwerde - Ablauf der Beschwerdefrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Einreichung des PKH-Antrags und der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Beschwerdefrist


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
15.12.2016
Aktenzeichen:
B 8 SO 48/16 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Köln, 12. Februar 2014, Az: S 10 SO 243/13, Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 30. Mai 2016, Az: L 9 SO 102/14, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin E., M., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.2.2014 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Beschluss vom 30.5.2016). Gegen diese, ihm am 3.6.2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger selbst mit einem am 4.7.2016 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin E. beantragt. Dabei hat er auf die zu dem Verfahren B 8 SO 21/16 B vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Ergänzend hat er mitgeteilt, dem in diesem Verfahren für ihn tätigen Rechtsanwalt H. liege eine von ihm, dem Kläger, am 21.4.2016 unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, die der Anwalt habe überreichen sollen (Schreiben vom 23.7.2016).

2

II. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl § 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung <ZPO>). Die Monatsfrist für eine formgerechte Einlegung der Beschwerde, die am 4.7.2016 endete, ist abgelaufen (§ 160a Abs 1, § 64 Abs 2 und 3, § 63 Abs 2 SGG, §§ 177, 180 ZPO). Zwar kann eine spätere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl § 67 SGG) in Betracht kommen, wenn ein Beteiligter infolge seiner Mittellosigkeit gehindert war, eine Beschwerde fristgerecht durch einen beim BSG zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen, und die Beschwerde dann von einem beim BSG zugelassenen Bevollmächtigten nachgeholt wird. Dieses gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Beschwerdefrist sowohl ein PKH-Antrag als auch eine Erklärung iS des § 117 Abs 2 ZPO über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem gemäß § 117 Abs 4 ZPO vorgeschriebenen Vordruck eingereicht werden, es sei denn, er war auch hieran ohne Verschulden verhindert (BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BSG, Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 AL 14/01 B; BGH, Beschluss vom 9.7.1981 - VII ZR 127/81 - VersR 1981, 884; vgl auch BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6 sowie BVerfG, Beschluss vom 7.2.2000 - 2 BvR 106/00 - NJW 2000, 3344); innerhalb der Beschwerdefrist muss der Beschwerdeführer insoweit alles ihm Zumutbare getan haben.

3

Das ist hier nicht geschehen; insbesondere hat der Kläger das Formular über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der Beschwerdefrist, sondern erst am 26.7.2016 vorlegt. Er ist vom LSG in der Rechtsmittelbelehrung aber auf die genannten Erfordernisse hingewiesen worden; es ist dabei nicht erkennbar, dass er an der rechtzeitigen Vorlage des Formulars ohne Verschulden gehindert war. Zwar ist eine Bezugnahme auf Unterlagen in anderen beim Senat geführten Verfahren unter Umständen möglich (dazu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2003 - 1 BvR 901/03 - NVwZ 2004, 334, 335); auch in dem Verfahren B 8 SO 21/16 B sind aber vor Ablauf der Beschwerdefrist lediglich die Bewilligungsbescheide über Sozialhilfe (am 30.6.2016), nicht dagegen die Erklärung auf dem gemäß § 117 Abs 4 ZPO vorgeschriebenen Formular eingegangen. Die Vorlage des Formulars war auch nicht im Hinblick darauf entbehrlich, dass der Kläger seit Juli 2016 (wieder) laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bezieht. § 117 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 2 der Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (vom 6.1.2014 - BGBl I 34) entbindet einen Antragsteller, der laufend Sozialhilfe bezieht, nur von der Pflicht zur Ausfüllung der Abschnitte E bis J des Formulars. Die in den Abschnitten A bis D verlangten Angaben sind jedoch auch bei Vorlage eines Bescheids über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen notwendig. Dies betrifft insbesondere Abschnitt B, in dem nach einer bestehenden Rechtsschutzversicherung gefragt wird (vgl BGH, Beschluss vom 29.11.2012 - III ZA 32/12). Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, dass ein aktuelles Formular bereits seit April 2016 bei Rechtsanwalt H. vorgelegen habe, der das Formular aber erst am 26.7.2016 eingereicht hat, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat er Rechtsanwalt H. für das vorliegende Verfahren keine Prozessvollmacht erteilt, sodass die Regelungen über die Zurechnung von Verschulden des Prozessbevollmächtigten (vgl § 85 Abs 2 ZPO) keine Anwendung finden; es obliegt indes dem Kläger auch in Fällen, in denen er sich Dritter bedient, sicherzustellen, dass insoweit die notwendigen Fristen eingehalten werden. Mit der Ablehnung der Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelas-senen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Auch hierauf ist der Kläger ausdrücklich hingewiesen worden. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.