Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 21.09.2017


BSG 21.09.2017 - B 8 SO 4/16 R

Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - häusliche Pflege - Tod des Pflegebedürftigen - Anspruch des ambulanten Pflegedienstes auf Übernahme noch offener Kosten für erbrachte Pflegeleistungen - Abtretung des Freistellungsanspruchs gegen den Sozialhilfeträger - Abtretungsverbot


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
21.09.2017
Aktenzeichen:
B 8 SO 4/16 R
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2017:210917UB8SO416R0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Berlin, 19. Januar 2015, Az: S 184 SO 2424/12, Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 30. September 2015, Az: L 15 SO 54/15, Urteil
Zitierte Gesetze
§§ 61ff SGB 12
§§ 75ff SGB 12

Leitsätze

1. Die Abtretung eines an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs getretenen Freistellungsanspruchs gegen den Sozialhilfeträger ist nicht wegen des im Sozialhilferecht geltenden Abtretungsverbots ausgeschlossen, wenn der Anspruch bereits festgestellt ist.

2. Ein ambulanter Pflegedienst kann grundsätzlich Zessionar einer Forderung gegen den Sozialhilfeträger sein.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2881,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch eines vom Kläger getragenen ambulanten Pflegedienstes auf Zahlung von 2881,65 Euro für die H. P. (P) vor seinem Tod (am 12.7.2010) erbrachte ambulante Pflege.

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Der Beklagte bewilligte P erstmals für die Zeit vom 16.4.2009 bis 30.4.2010 Hilfe zur Pflege in Form der Hauspflege als Sachleistung, die der ambulante Pflegedienst auf Grundlage eines zwischen ihm und P mit Wirkung ab 16.4.2009 abgeschlossenen Pflegevertrags (vom 21.4.2009) erbrachte. Nachdem sich P vom 23.11.2009 bis 10.1.2010 in einer stationären Einrichtung befunden hatte, teilte dessen Betreuer dem Beklagten mit (Schreiben vom 18.1.2010), P lebe wieder in seiner Wohnung. Es werde die Kostenübernahme für häusliche Pflege ab 11.1.2010 beantragt, die wieder durch den ambulanten Pflegedienst des Klägers erbracht werde. Der Beklagte forderte diverse Unterlagen an, entschied aber, nachdem P verstorben war, nicht mehr über den Antrag.

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Nach dem Tod des P beantragte der Kläger zunächst erfolglos, an ihn offene Pflegekosten von 4373,67 Euro für die in der Zeit vom 1.5. bis 27.6.2010 erbrachten Pflegeleistungen zu zahlen (bestandskräftiger Bescheid vom 17.3.2011). Daraufhin machte er die Zahlung offener Hauspflegekosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 2881,65 Euro geltend (Antrag vom 19.7.2011). Er habe mit der für den Nachlass des Verstorbenen bestellten Nachlasspflegerin, die für dessen unbekannte Rechtsnachfolger handele, eine Abtretungsvereinbarung geschlossen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 5.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012).

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Das dagegen gerichtete Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 19.1.2015; Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30.9.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es sei im Wege der geltend gemachten gewillkürten Rechtsnachfolge mittels Abtretung kein Recht auf den Kläger übergegangen. Ansprüche des P seien auf Sachleistungsverschaffung ausgerichtet gewesen und wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nicht auf die noch unbekannten Erben übergangsfähig. Ein mittels der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machender Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus den §§ 75 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), wonach der Sozialhilfeträger zur zügigen Bescheidung verpflichtet sei, bestehe gleichermaßen nicht. Ein derartiger Anspruch könne allenfalls dem Hilfeempfänger selbst, nicht aber dem Leistungserbringer zustehen. Vor der Bewilligung der Leistung gegenüber dem Hilfeempfänger erlange der Leistungserbringer im Verhältnis zum Leistungsträger keine rechtlich verfestigte Stellung. Es sei seiner betriebswirtschaftlichen Einschätzung überlassen, ob er zuvor ein Kostenrisiko eingehe.

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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 58, 59 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I). Es sei nicht vom Erlöschen der Ansprüche mit dem Tod des P nach § 59 SGB I auszugehen, weil dieser zu Lebzeiten seinen Bedarf durch einen Dritten gedeckt habe, der im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorgeleistet habe. Der Anspruch der Erben sei nicht auf Sachleistung (Primäranspruch), sondern auf Geldleistung (Sekundäranspruch) gerichtet. Dieser sei nach § 58 SGB I vererbbar und deshalb auch abtretbar. Da P verstorben sei, bestehe kein Anlass, die Abtretbarkeit auf bereits bewilligte Leistungen zu beschränken, um die persönliche Dispositionsfreiheit des Hilfebedürftigen über seine Sozialleistungsansprüche zu schützen. Der Klage sei auch ohne Erbenermittlung stattzugeben, weil der Beklagte nicht nur gegenüber P, sondern auch gegenüber ihm, dem Kläger, vertragliche Nebenpflichten aus den Verträgen nach den §§ 75 ff SGB XII verletzt habe. Deshalb sei der Beklagte nach § 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) iVm §§ 280, 278, 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Schadensersatz verpflichtet. Der Beklagte habe ihn, den Kläger, in die keinen Aufschub duldende Versorgung von Bedürftigen mit Hilfe zur Pflege eingebunden. Es gehöre daher zu den vertraglichen Nebenpflichten, die Anträge der Hilfebedürftigen zügig zu bearbeiten und, sobald dies möglich sei, den Schuldbeitritt zu erklären.

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Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. September 2015 und des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2015 sowie den Bescheid vom 5. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 2881,65 Euro zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

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Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 5.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.8.2012 (§ 95 SGG), mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die Forderung des Klägers zu bezahlen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG), mit der er Zahlung an sich selbst aus abgetretenem Recht geltend macht. Daneben sind Gegenstand des Verfahrens Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, die der Kläger zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgt. Die Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist. Der Kläger hat den behaupteten Anspruch auch konkret beziffert (vgl zur Notwendigkeit auch BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 10; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).

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Soweit der Kläger einen Sozialhilfeanspruch des P aus abgetretenem Recht geltend macht, hat der Beklagte zu Recht durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) entschieden (vgl aber zur fehlenden Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes bei einem im Gleichordnungsverhältnis geltend gemachten Zahlungsanspruch nach bereits erfolgtem Schuldbeitritt BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 6 RdNr 12 mwN). Denn der aus abgetretenem Recht geltend gemachte Anspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur und hat seine Grundlage nicht im zivilrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen P und dem Kläger. Der Anspruch leitet sich ausschließlich aus der bis zum Tod des P bestandenen Sozialrechtsbeziehung mit dem Beklagten ab, die nach § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII auch im Bereich ambulanter Dienste (vgl BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 6) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt ist. Dieses geht davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von ambulanten Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet.

12

Ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht besteht jedoch nicht. Eine Abtretung scheitert allerdings nicht schon daran, dass der Anspruch des P auf Leistungen nach dem SGB XII nicht vererbt und schon deshalb nicht abgetreten werden könnte. Grundsätzlich erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 Satz 1 SGB I idF des Gesetzes vom 11.12.1975, BGBl I 3015). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen dagegen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Nur soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des BGB vererbt (§ 58 Satz 1 SGB I).

13

Ein grundsätzlich vererbbarer Geldleistungsanspruch ist hier im Streit. Ein Sozialhilfeanspruch ist nach der Rechtsprechung des Senats nach Maßgabe der §§ 58, 59 SGB I grundsätzlich dann vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (BSGE 116, 210 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 9, RdNr 12; BVerwGE 96, 18 ff). Dabei steht der Fall, dass im Zeitpunkt des Todes wegen einer bereits vor dem Tod durch den Leistungserbringer gedeckten Bedarfslage - wie hier - noch Schulden gegenüber diesem bestehen, die aus dem Nachlass zu begleichen sind, dem vom Senat bereits entschiedenen Fall der Vorleistung in Geld durch einen Dritten gleich (dazu BSG vom 12.5.2017 - B 8 SO 14/16 R). Denn die (noch zu ermittelnden unbekannten) Erben haben die hierdurch entstandenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich substanziell nicht von der Fallgestaltung, in der der spätere Erbe schon vor dem Tod des Hilfebedürftigen die Verbindlichkeiten (im Vorgriff auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe) erfüllt oder der Leistungserbringer die Forderung im Vertrauen auf den Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers stundet (dazu BVerwGE 96, 18 ff juris RdNr 9). Der ursprüngliche Anspruch auf Sachleistungsverschaffung wandelt sich in einen Geldleistungsanspruch (Erstattungsanspruch), soweit die Erben bereits selbst vorgeleistet haben, oder in einen Anspruch auf Freistellung von der Schuld, wenn - wie hier - die Verbindlichkeit gegenüber dem vorleistenden Dritten (dem Kläger) noch besteht. Die Nähe des Regelungskonzepts der §§ 75 ff SGB XII zur gesetzlichen Krankenversicherung - (vgl BSGE 102, 1 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 17) rechtfertigt dieses Ergebnis (vgl zum sachleistungsersetzenden Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens, § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung , BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 8; BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18 RdNr 9), zumal der Gesetzgeber selbst im Fall des § 19 Abs 6 SGB XII (dazu später) von einer solcher Umwandlung ausgegangen sein muss (vgl zu § 19 Abs 6 SGB XII: BT-Drucks 13/3904 S 45; Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 19 SGB XII, RdNr 50.1). Nachdem der Kläger die Hilfe zur Pflege in dem hier streitigen Zeitraum erbracht hat und nur noch die Verbindlichkeit ihm gegenüber als vorleistendem Dritten zu erfüllen ist, reduziert sich das Interesse des Berechtigten - hier der unbekannten Erben - auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung, ist mithin auf eine Geldleistung gerichtet (vgl zum persönlichen Budget nach dem Tod des Berechtigten BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 22; zu den Kosten eines Krankentransports BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 9); dieser Anspruch ist, weil im Zeitpunkt des Todes ein Verwaltungsverfahren anhängig war (dazu später) auch nicht erloschen.

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Die Abtretung eines auf die noch unbekannten Erben übergegangenen Sozialhilfeanspruchs scheitert jedoch an § 17 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Danach kann der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Die Regelung trägt der höchstpersönlichen Natur (vgl auch § 399 BGB) von Sozialhilfeansprüchen Rechnung und sieht grundsätzlich keine Ausnahmen vor (zur Unzulässigkeit der Abtretung von Ansprüchen, die höchstpersönlicher Natur sind, vgl auch BVerwG vom 10.4.1997 - 2 C 7/96; Häusler in Hauck/Noftz, SGB I, K § 53 RdNr 21, Stand Dezember 2005; Pflüger in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 53 SGB I RdNr 19). Unter das Abtretungsverbot fallen nicht nur die Sachleistungen selbst, sondern grundsätzlich auch ihre Surrogate, insbesondere Geldleistungen, wenn sie zweckgebunden für eine konkrete Dienst- oder Sachleistung gezahlt werden (vgl nur: Häusler in Hauck/Noftz, aaO, RdNr 22, Stand Dezember 2005; Pflüger, aaO, RdNr 20).

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Anders liegt es zum einen, wenn der Berechtigte die Leistung selbst vorfinanziert hat. Der dann ggf bestehende Erstattungsanspruch ist ein Geldleistungsanspruch, über den der Berechtigte verfügen kann. Gleiches gilt zum anderen, wenn der Hilfebedürftige bzw seine Erben - wie hier - die selbst beschaffte Leistung zwar nicht vorfinanziert haben, nach dem Tod des Berechtigten aber gegenüber dem zuständigen Leistungsträger zur Vermeidung eines Rückgriffs einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten des Pflegedienstes haben (vgl dazu im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 52, 134, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 76 S 143; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 29 mwN), den sie an den Gläubiger abtreten und der sich dadurch in der Person des Gläubigers der zur tilgenden Leistung in einen Zahlungsanspruch umwandelt (BGHZ 189, 45 ff; vgl auch BSGE 97, 6 ff = SozR 4-2500 § 13 Nr 9). Wegen des höchstpersönlichen Charakters des zugrundliegenden (Primär-)Anspruchs setzt eine Abtretung dann aber voraus, dass der Anspruch bereits festgestellt ist. Das Abtretungsverbot, resultierend aus der höchstpersönlichen Natur des Sozialhilfeanspruchs, schützt den Anspruchsinhaber nicht nur davor, durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung seine Rechte auf die existenzsichernden Leistungen zu verlieren, sondern darüber hinaus davor, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus der Hand zu geben (vgl in anderem Zusammenhang: BSGE 97, 6 ff = SozR 4-2500 § 13 Nr 9; vgl generell dazu: BVerfGE 65, 1, 41 ff; BVerfG SozR 3-2500 § 295 Nr 2 S 12 mwN; zur Abtretung von Ansprüchen nach dem AsylbLG BSGE 114, 292 = SozR 4-3500 § 25 Nr 3, RdNr 28). Hieran ändert auch der Tod des P nichts. Denn die in Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enden nicht mit dem Tod (BVerfG, Beschluss vom 22.8.2006 - 1 BvR 1637/05; BGH vom 26.2.2013 - VI ZR 359/11). Die Abtretung eines möglichen Freistellungsanspruchs führt mithin nicht zu einer umfassenden Neubestimmung der Gläubigerstellung oder dem vollständigen Eintritt des neuen Gläubigers in das gesamte Sozialrechtsverhältnis einschließlich seines Pflichtengefüges (zur Abtretung von Ansprüchen nach dem AsylbLG BSGE 114, 292 = SozR 4-3500 § 25 Nr 3, RdNr 28) mit der Konsequenz, dass der Zessionar die Feststellung des Anspruchs selbst betreiben könnte. Vielmehr ist das abtretbare Recht von vornherein auf den festgestellten Anspruch begrenzt.

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An einem solchen fehlt es hier. Im Zeitpunkt des Todes des P war das Verwaltungsverfahren über seinen Antrag auf "Übernahme" von Kosten der ambulanten Pflege noch nicht abgeschlossen. Darüber, ob und in welchem Umfang ihm tatsächlich ein Anspruch auf diese Leistungen zustand, hatte und hat der Beklagte noch nicht entschieden.

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Eine Entscheidung hatte und hat der Beklagte trotz des Todes des P noch zu treffen. Das Verwaltungsverfahren, das - wie ausgeführt - nach dem Tod des P nicht mehr auf die Bescheidung eines höchstpersönlichen Anspruchs (Schuldbeitritt), sondern auf Freistellung von den Kosten gerichtet ist, erledigte sich durch dessen Tod nicht (sog Akzessorietät des Verfahrensrechts zum materiellen Recht, dazu Ramsauer in Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Aufl 2017, § 13 RdNr 58 ff). Die noch unbekannten Rechtsnachfolger, vertreten durch die Nachlasspflegerin, sind in die Beteiligtenstellung des P im laufenden Verwaltungsverfahren eingetreten (Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 12 RdNr 14 mwN) und deshalb berechtigt, den auf sie übergegangenen Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Eine Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger bzw die Nachlasspflegerin, vergleichbar der Situation im Prozessrecht (§ 202 SGG iVm § 239 Zivilprozessordnung <ZPO>) sieht das Verwaltungsverfahrensrecht für das nicht förmliche Verwaltungsverfahren (§ 9 SGB X) grundsätzlich nicht vor. Deshalb ist der Beklagte auch nicht berechtigt, eine Entscheidung über den Anspruch davon abhängig zu machen, ob Erben des P tatsächlich ermittelt werden können oder der Fiskus als Erbe ggf bestehende Ansprüche (nicht) geltend machen kann (§ 58 Satz 2 SGB I).

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Die Vererbbarkeit des Kostenfreistellungsanspruchs sowie die Abtretung festgestellter Ansprüche der Erben steht systematisch nicht in Widerspruch zur privilegierten Stellung der Einrichtungen beim Tod des Hilfebedürftigen, wie sie in § 19 Abs 6 SGB XII als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur prinzipiellen Unvererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen ihren Ausdruck gefunden hat (zum Ganzen ausführlich zuletzt BSG SozR 4-5910 § 28 Nr 1). Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Die Vorschrift regelt einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis; die in § 19 Abs 6 SGB XII genannten Personen treten bei Vorliegen der in der Vorschrift geregelten Voraussetzungen in die Rechtsstellung des verstorbenen Hilfeempfängers ein. Diese, vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Sonderstellung von Einrichtungen im Verhältnis zu ambulanten Diensten (dazu BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) bleibt unberührt. Denn anders als im Fall des § 19 Abs 6 SGB XII geht auf den Kläger gerade kein Anspruch kraft Gesetzes über. Zugleich kann § 19 Abs 6 SGB XII aber auch nicht so verstanden werden, dass er jede Form der Anspruchsrealisierung durch einen ambulanten Dienst nach dem Tod des Hilfebedürftigen ausschließen will. Es liegt aber allein in der Hand der Nachlasspflegerin (also der unbekannten Erben) die Feststellung des Anspruchs weiter zu betreiben. Besteht ein solcher und stehen auch die Rechtsnachfolger fest, hat der Sozialhilfeträger ihn durch Zahlung an den ambulanten Dienst zu befriedigen; denn auch der Hilfebedürftige selbst hätte im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nur Zahlung an den Dienst und nicht an sich selbst verlangen können.

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Infolgedessen scheidet der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aus Verletzung von Nebenpflichten aus den Verträgen nach den §§ 75 ff SGB XII bereits mangels eines möglichen Schadens aus. Denn besteht ein Anspruch der Rechtsnachfolger auf Kostenfreistellung, hat der Beklagte die ungedeckten Kosten unmittelbar an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen schützt, wie es das LSG zutreffend ausgeführt hat, die vom Kläger zur Begründung seiner Forderung herangezogene Vertragsklausel allenfalls den Pflegebedürftigen selbst, nicht aber den ambulanten Dienst. Insoweit hat auch die Leistungsklage keinen Erfolg.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz.