Entscheidungsdatum: 31.01.2012
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit ist ein Anspruch auf Sozialhilfe im Ausland nach § 24 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Der Beklagte lehnte im Ausland (Philippinen) zu erbringende Sozialhilfe ab (Bescheid vom 17.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 28.6.2006). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil des SG Münster vom 28.10.2008; zugestellt am 11.12.2008). Ein per E-Mail im Februar 2009 gestellter Antrag auf Zulassung der Sprungrevision wurde abgelehnt (Beschluss vom 27.2.2009; zugestellt am 24.3.2009). Das Landessozialgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nicht eingehalten sei. Sie sei am 11.3.2009 abgelaufen; am 17.3.2009 habe sich der Kläger mit der Mitteilung an das SG gewandt, er "gehe in Revision". Selbst wenn dies als Berufungseinlegung zu werten sei, sei die Frist verstrichen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zu klären sei die Frage, ob die regelmäßige Rechtsmittelfrist (hier: Berufungsfrist) auch in dem Fall gelte, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unvollständig erteilt worden sei bzw - wie hier - lediglich auf die Rechtsmittelbelehrung einer anderen Entscheidung verweise. Zwar habe er nicht innerhalb von drei Monaten Berufung eingelegt; es gelte aber die Jahresfrist, weil das SG in dem die beantragte Sprungrevision ablehnenden Beschluss vom 27.2.2009 lediglich auf die Rechtsmittelbelehrung des Urteils vom 28.10.2008 verwiesen habe, was hier nicht ausreiche. Insoweit sei das Grundrecht auf Rechtsschutzgewährung verletzt. Daneben stelle sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 24 SGB XII, insbesondere ihrer abschließenden Ausnahmeregelungen. Es werde zu prüfen sein, ob ein Verstoß gegen die Menschenwürde bzw die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 1 und 2 Abs 2 Grundgesetz <GG>) sowie ein Verstoß gegen das Grundrecht des Schutzes von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) vorliege.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies hat der Beschwerdeführer darzulegen. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss er eine Rechtsfrage aufzeigen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit es die Rechtsfrage zur Rechtsmittelfrist betrifft, ist deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ausreichend dargelegt, weil keinerlei Ausführungen dazu gemacht werden, ob der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt worden ist. Ohne entsprechenden Vortrag kann der Senat schon nicht prüfen, ob die Voraussetzungen des § 161 Abs 3 Satz 1 SGG vorliegen. Danach beginnt bei Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Sprungrevision der Lauf der Berufungsfrist (nur) dann von Neuem, wenn diese Förmlichkeiten eingehalten worden sind. Wurden die Förmlichkeiten eingehalten, wäre die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich, weil die Berufung bereits am 17.3.2009, also sogar vor Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Sprungrevision, eingelegt wurde. Wurden die Förmlichkeiten für die Einlegung der Sprungrevision nicht eingehalten, wäre zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung über die Sprungrevision am 24.3.2009 die Berufungsfrist von drei Monaten bereits abgelaufen. Dann hätte dargelegt werden müssen, wie sich eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 27.2.2009 auf den Lauf der Berufungsfrist überhaupt auswirken kann. Wenn mit der aufgeworfenen Rechtsfrage tatsächlich ein Verfahrensfehler geltend gemacht werden sollte, gilt nichts anderes, weil nach oben Gesagtem nicht geprüft werden kann, ob die Entscheidung auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Es fehlt auch insoweit ein schlüssiger Vortrag.
Soweit schließlich die grundsätzliche Bedeutung mit einem Verstoß gegen die Verfassung begründet wird, fehlt es - selbst bei unterstellter Zulässigkeit der Berufung - an einer ausreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung auf Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung und Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG, Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - mwN). Der Vortrag des Klägers erschöpft sich hier allerdings in der Behauptung eines Verfassungsverstoßes. Neben rudimentären Ausführungen zum zugrundeliegenden Sachverhalt, die auch nicht für die Darlegung der Klärungsfähigkeit reichen könnten, mangelt es an einer auch nur ansatzweisen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung von BVerfG und BSG.