Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 19.07.2011


BSG 19.07.2011 - B 8 SO 19/11 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung - erneute Klärungsbedürftigkeit - Darlegung


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
19.07.2011
Aktenzeichen:
B 8 SO 19/11 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Hamburg, 14. März 2008, Az: S 58 SO 514/06, Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg, 9. März 2011, Az: L 5 SO 65/10 WA, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 9. März 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin als Betreiberin eines ambulanten Pflegedienstes auf Übernahme der Kosten für die ambulante Pflege des am 5.6.2006 verstorbenen Herrn B

2

Die Beklagte lehnte das auf § 19 Abs 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gestützte Begehren der Klägerin ab (Bescheid vom 31.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.11.2006). Während das Sozialgericht (SG) Hamburg der Klage stattgegeben hat (Urteil vom 14.3.2008), hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg unter Aufhebung des Urteils des SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung seiner Entscheidung auf die Entscheidung des Senats vom 13.7.2010 - B 8 SO 13/09 R - (BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) gestützt, wonach ambulante Pflegeleistungen nicht dem Begriff der Leistung für Einrichtungen iS des § 19 Abs 6 SGB XII unterfielen und ein ambulanter Pflegedienst daher nach dem Tod des pflegebedürftigen Hilfeempfängers keinen eigenen Anspruch als dessen Sonderrechtsnachfolger auf Übernahme noch nicht bezahlter Pflegekosten gegen den Sozialhilfeträger habe.

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 Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend. Dem Rechtsstreit liege folgende Rechtsfrage zugrunde:

"Unterfallen ambulante Pflegeleistungen dem Begriff der 'Leistungen für Einrichtungen' im Sinne des § 19 Abs 6 SGB XII, sodass ein ambulanter Pflegedienst daher nach dem Tod eines pflegebedürftigen Hilfeempfängers, dem gegenüber er Leistungen nach dem SGB XII erbracht hat, einen eigenen Anspruch als dessen Rechtsnachfolger auf Übernahme noch nicht bezahlter Pflegekosten gegen den Sozialhilfeträger hat?"

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Aus ihrer Sicht sei die aufgeworfene Rechtsfrage trotz der höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter klärungsbedürftig, da die Nichtanwendbarkeit des § 19 Abs 6 SGB XII auf ambulante Pflegedienste nach der von ihr vertretenen Auffassung nicht außer Zweifel stehe und gewichtige Stimmen in der Literatur sowie der Rechtsprechung von Instanzgerichten vorhanden seien, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstünden. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf das erstinstanzliche Urteil des SG, auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover aus dem Jahr 2003 und auf zwei Literaturstellen. Der Wortlaut der Norm sei nicht eindeutig. Sinn und Zweck und historische Entwicklung der Norm und ihrer Vorgängerregelung rechtfertigten die Auffassung, dass auch ambulante Pflegedienste einen Anspruch aus § 19 Abs 6 SGB XII geltend machen könnten. Anderenfalls läge eine Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vor.

5

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

6

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung der Fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

7

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin gibt selbst an, dass die von ihr aufgeworfene Frage durch den erkennenden Senat bereits in seinem Urteil vom 13.7.2010 verneint wurde. Ist die Rechtsfrage höchstrichterlich bereits geklärt, kann die Klärungsbedürftigkeit ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringem Umfang widersprochen wird und gegen sie Einwendungen vorgebracht werden, die nicht als abwegig anzusehen sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19; BSG, Beschluss vom 18.2.1988 - 5/5b BJ 274/86). Eine solche Ausnahme hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht dargetan. Sie behauptet zwar, dass gewichtige Stimmen in Literatur und der Rechtsprechung von Instanzgerichten vorhanden seien, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstünden; sie zitiert allerdings nur Literaturstellen und Entscheidungen von Instanzgerichten, die vor der Entscheidung des Senats verfasst bzw ergangen sind und sich somit naturgemäß nicht mit dieser Entscheidung auseinandersetzten, geschweige denn ihr widersprechen können. Um einen weiter bestehenden Klärungsbedarf aufzuzeigen, genügt es nicht, auf den Streitstand vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinzuweisen, der gerade Grund für die erfolgte Klärung gewesen ist. Ebenso wenig genügt es, die Entscheidung des Senats zu kritisieren und selbst eine andere Auffassung zu vertreten. Sonst würde es im Belieben eines Beteiligten stehen, eine von ihm nicht akzeptierte Rechtsprechung erneut vom Revisionsgericht überprüfen zu lassen (vgl BSG, Beschluss vom 18.2.1988 - 5/5b BJ 274/86).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl BSGE 106, 264 ff RdNr 18 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2).