Entscheidungsdatum: 11.02.2015
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 Euro festgesetzt.
I. Im Streit steht die Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V.
Die Kläger nehmen im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft als Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe an der vertragsärztlichen Versorgung in N teil. Ihren auf Erteilung der Genehmigung nach § 121a SGB V gerichteten Antrag lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, nach den in den Grundsätzen des Staatsministeriums für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen aufgestellten Bedarfskriterien sei der Standort N überversorgt. Nach diesen Grundsätzen würden um entsprechende Behandlungseinrichtungen ("IVF-Zentren") Kreise mit einem Radius von jeweils 80 km gezogen; in diesen Planungsräumen würden keine neuen Zentren mehr zugelassen, falls dort eine ausreichende Versorgung sichergestellt sei. Für die Ermittlung des Bedarfs werde eine allgemeine Verhältniszahl aus der Bevölkerungszahl und der Anzahl der IVF-Zentren im gesamten Bundesgebiet sowie eine örtliche Verhältniszahl ermittelt. Ein Gebiet gelte als überversorgt, wenn die örtliche Verhältniszahl um 15 % kleiner sei als die allgemeine Verhältniszahl; dies sei am Standort N aufgrund der drei in E bestehenden IVF-Zentren der Fall.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 12.4.2011, Urteil des LSG vom 25.6.2014). Das LSG hat ausgeführt, dem Antrag der Kläger stehe das in § 121a Abs 2 Nr 2 SGB V genannte Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit der Maßnahmen entgegen. Dieses Merkmal schließe die Prüfung mit ein, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die in Frage stehenden Leistungen erbringen; insoweit stehe der Verwaltung ein der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu. Die Forderung einer Bedarfsgerechtigkeit im Sinne des Vorliegens einer quantitativen oder qualitativen Versorgungslücke sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da die zur Sicherung des Qualitätsstandards für reproduktionsmedizinische Leistungen erforderliche Konzentration auf wenige Ärzte ein anzuerkennender Gemeinwohlgrund sei. Es sei schließlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die den unbestimmten Rechtsbegriff der "Bedarfsgerechtigkeit" auslegten bzw interpretierten. Diese Vorschriften habe er auch ordnungsgemäß angewandt.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
II. Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg; die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Dabei kann offenbleiben, ob die Beschwerde nicht bereits teilweise unzulässig ist, weil ihre Begründung nicht in vollem Umfang den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen entspricht, da die Kläger in weiten Teilen der Beschwerdebegründung die Entscheidung des Beklagten bzw die ihr zugrunde liegenden "Grundsätze" inhaltlich beanstanden. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet. Die Revisionszulassung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG
Diese Anforderungen werden nicht erfüllt, weil die Rechtsfrage, ob |
|
"die Genehmigungsbehörde bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs 'bedarfsgerecht' i.S.d. § 121a SGB V auch an bedarfsplanerische Kriterien (insb. konkrete Bestimmung des Bedarfs anhand regionaler Besonderheiten) und an das Willkürverbot und das Bestimmtheitsgebot gebunden oder bei der Wahl der Parameter diesbezüglich frei" ist, |
|
nicht klärungsbedürftig ist. |
1. Nach § 121a Abs 2 Nr 2 SGB V darf eine Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft Ärzten oder Einrichtungen nur dann erteilt werden, wenn diese - neben der nach Nr 1 aaO geforderten Qualifikation - die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung dieser Maßnahmen bieten. Welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal "bedarfsgerecht" zu stellen sind, ergibt sich zum einen aus dem Gesetz selbst, zum anderen aus der Rechtsprechung des Senats.
a. Schon die Verwendung des Begriffes "bedarfsgerecht" im SGB V lässt erkennen, dass die Genehmigungsbehörde bei der gemäß § 121a Abs 2 SGB V durchzuführenden Bedarfsermittlung nicht an "hergebrachte Maßstäbe des Bedarfsplanungsrechts" nach den §§ 99 bis 105 SGB V gebunden ist. Denn auch wenn das Gesetz den Begriff der "bedarfsgerechten Versorgung" bzw des "bedarfsgerechten Versorgungsgrades" im Zusammenhang mit der Bedarfsplanung wiederholt gebraucht (etwa in § 99 Abs 1 Satz 3, § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und § 104 Abs 1 Satz 1 SGB V), wird der Begriff "bedarfsgerecht" im SGB V - unabhängig von einer Bedarfsplanung im engeren Sinne - als Obergriff verwendet und immer dann benutzt, wenn der Gesetzgeber eine Steuerung der Leistungserbringung für erforderlich hält (siehe § 25 Abs 5 Satz 2, § 70 Abs 1 Satz 1, § 73 Abs 1a Satz 3, § 109 Abs 2 Satz 2, Abs 3 Satz 1 Nr 2, § 111 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 111c Abs 1 Nr 2, § 132b, § 132c Abs 1, § 132d Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 3, § 132e Abs 2 Satz 3 SGB V).
b. Zum anderen hat der Senat den Begriff "bedarfsgerecht" iS des § 121a Abs 2 SGB V bereits mit Urteilen vom 5.6.2013 (B 6 KA 28/12 R - BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3) sowie vom 30.10.2013 (B 6 KA 5/13 R - BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4) hinreichend konkretisiert. Danach schließt das Merkmal "bedarfsgerecht" die Prüfung ein, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die in Frage stehenden Leistungen erbringen (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28, 33; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 20). Bei der Bedarfsbeurteilung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 121a SGB V ua das Ziel verfolgt hat, die Zahl der Leistungserbringer zu begrenzen und so ein Absinken der Indikationsschwelle für Maßnahmen der Reproduktionsmedizin zu verhindern (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28 mwN; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 20). Der Senat hat es entsprechend gebilligt, dass eine Genehmigung unter Hinweis darauf, dass bereits andere Leistungserbringer mit entsprechender Qualifikation und Genehmigung gemäß § 121a SGB V und mit ausreichendem Leistungsangebot tätig sind, versagt werden darf (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 34). Die Frage der Bedarfsgerechtigkeit ist nicht für eine spezielle Patientenschaft einer Praxis zu beurteilen, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsbereich lebenden Versicherten als solche (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 35). In Bezug auf das Merkmal "bedarfsgerecht" steht der Genehmigungsbehörde ein der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 20).
Es hält sich im Rahmen dieser Maßstäbe, wenn die Genehmigungsbehörde generelle Prüfkriterien bestimmt, welche sie ihrer nach § 121a SGB V zu treffenden Entscheidung zugrunde legt. Die Festlegung abstrakter Vorgaben kann im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsanwendung und Entscheidungsfindung durchaus vorzugswürdig sein. Ebenfalls ist es generell nicht zu beanstanden, wenn die Genehmigungsbehörde zur Bestimmung der Bedarfsgerechtigkeit Planungsbereiche festlegt, weil auf der Hand liegt, dass sich eine Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit auf einen bestimmten Einzugsbereich beziehen muss (siehe hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 19). Ebenso hält es sich im Rahmen der für die Bedarfsermittlung maßgeblichen Grundsätze, dass der Beklagte allgemeine und örtliche Verhältniszahlen bestimmt und diese in ein Verhältnis zueinander gesetzt hat. Ob die Genehmigungsbehörde die Verwaltungsvorschriften im konkreten Einzelfall zutreffend angewandt hat, ist keine Frage, die einer abstrakten Klärung zugänglich ist.
Soweit die Kläger darauf verweisen, der Senat habe ausgeführt, die Entscheidung nach § 121a SGB V könne auf dieselben oder vergleichbare Erwägungen gestützt werden wie die Entscheidung über die Zweigpraxisermächtigung (BSGE 113, 291 = SozR 4-5520 § 24 Nr 9, RdNr 24), und hieraus den Schluss zieht, dass dies keinen Sinn machen würde, wenn die den jeweiligen Erlaubnis- bzw Genehmigungsverfahren zugrundeliegenden Beurteilungskriterien völlig anderer Art wären, führt dies nicht weiter. Zum einen lässt sich hieraus kein Beleg für die Auffassung der Kläger entnehmen, dass auf Genehmigungen nach § 121a SGB V die Grundsätze des Bedarfsplanungsrechts Anwendung finden müssen. Vielmehr hat der Senat ausdrücklich betont, dass Gesichtspunkte der Bedarfsplanung im Sinne des Bedarfsplanungsrechts bei den nach § 24 Abs 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte zu treffenden Entscheidungen keine Rolle spielen (BSGE 113, 291 = SozR 4-5520 § 24 Nr 9, RdNr 26; siehe schon BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 36 ff).
Zum anderen geht die Annahme fehl, dass insoweit Beurteilungskriterien "völlig anderer Art" bestünden. Vielmehr hat der Senat bereits entschieden, dass bei den nach § 121a SGB V zu treffenden Entscheidungen auf die für die Bedarfsbeurteilung bei der Erteilung einer Ermächtigung oder der Genehmigung einer Zweigpraxis entwickelten Prüfungsgesichtspunkte zurückgegriffen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 21). Dies bedeutet zwar nicht, dass die Prüfungsgesichtspunkte deckungsgleich zur Anwendung gelangen müssten - dies verböte sich bereits in Anbetracht unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen -, schließt aber die Zugrundelegung völlig abweichender Beurteilungskriterien aus. Dies ist in Bezug auf die vorliegend der Entscheidung zugrundeliegenden "Grundsätze" nicht der Fall; diese berücksichtigen die maßgeblichen Gesichtspunkte, nämlich den bestehenden Bedarf einerseits sowie die Deckung dieses Bedarfs durch andere, zumutbar erreichbare und zur Verfügung stehende Leistungserbringer.
Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich ein Klärungsbedarf schließlich auch nicht aus den Ausführungen des Senats, es könne offenbleiben, "ob die Größe des Einzugsbereichs für die reproduktionsmedizinischen Leistungen allgemein oder jeweils nur konkret anhand der regionalen Besonderheiten" bestimmt werden kann (BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 21). Selbst wenn diese Frage im Sinne einer Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu beantworten wäre, wäre dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil derartige regionale Besonderheiten vorliegend nicht festgestellt und in Bezug auf den Standort N sowie die bereits bestehenden IVF-Zentren im 22 km entfernten E auch nicht erkennbar sind.
2. Zu der von den Klägern aufgeworfenen (Teil-)Frage nach einer Bindung der Genehmigungsbehörde nach § 121a Abs 4 SGB V an das Willkürverbot steht außer Zweifel, dass die Behörde diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu beachten hat; einer revisionsgerichtlichen Klärung bedarf es daher nicht. Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob die Genehmigungsbehörde "bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes" an das Bestimmtheitsgebot gebunden ist, wird damit schon keine klärungsfähige Rechtsfrage aufgezeigt. Soweit die Kläger im Übrigen rügen, dass die vom Beklagten aufgestellten Kriterien "teilweise willkürlich und unbestimmt" seien, wird damit eine fehlerhafte Rechtsanwendung geltend gemacht, aber kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Kläger auch die Kosten des von ihnen ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).