Entscheidungsdatum: 19.10.2011
Die erforderliche Kausalität eines Widerspruchs für eine begünstigende Entscheidung im Widerspruchsverfahren fehlt nicht, wenn der Widerspruch sich gegen eine Rückforderung in einem vorläufigen Bescheid richtete und im Widerspruchsbescheid eine endgültige Regelung zugunsten des Widerspruchsführers erfolgt.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2010 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt 1542 Euro.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der hälftigen Kosten eines isolierten Vorverfahrens.
Der Kläger war in den Quartalen II/1999 bis IV/2002 als Zahnarzt in D zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er stand in ständigen Geschäftsbeziehungen zur Firma G, von der er zahntechnisch Leistungen bezog. Im Jahr 2003 wurde in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren dem Anfangsverdacht nachgegangen, er habe von diesem Unternehmen Rückzahlungen (sog "Kick-back"-Zahlungen) erhalten, die er nicht an die gesetzlichen Krankenkassen weitergeleitet habe. Die Beklagte hob mit zwei Bescheiden vom 23.9.2003 unter Hinweis auf dieses Ermittlungsverfahren die dem Kläger für die Quartale II/1999 bis einschließlich IV/2002 erteilten Honorarbescheide in Höhe von vorläufig insgesamt 269 807,60 Euro auf und forderte die zu Unrecht gezahlte Vergütung bzw die zu Unrecht erstatteten Kosten zurück.
Dem Widerspruch des Klägers hiergegen gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.11.2006 in Höhe von 137 046,50 Euro statt und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten seien nicht zu erstatten. Die Honorarbescheide seien nur vorläufig aufgehoben worden, weil nach den Erfahrungswerten noch privatärztliche Leistungen in der zurückgeforderten Summe hätten enthalten sein können. Unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses, der beschlagnahmten Abrechnungsunterlagen des Klägers und nach den Auskünften der betroffenen Krankenkassen sei ein Schaden in Höhe von 132 761,10 Euro entstanden. Dieser Betrag sei an die Krankenkassen und die Patienten zurückzuzahlen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes werde zwar für notwendig gehalten, Kosten könnten aber dennoch nicht erstattet werden. Es liege zwar rein formal eine teilweise Abhilfe vor. Hierfür sei der Widerspruch jedoch nicht kausal gewesen. Die Beklagte habe zunächst nur den in der Ermittlungsakte als Höchstschaden benannten Betrag zurückgefordert. Sie hafte gegenüber den Krankenkassen, wenn ein Vertragszahnarzt bei Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse und ihr ein Rückgriff gegen den Zahnarzt durch Aufrechnung gegen die Honorarforderungen möglich sei. Daher habe sie den vorläufigen Schadensbetrag bei dem Kläger sicherstellen müssen. Nach der nachvollziehbaren Darlegung der Kassen- und Patientenanteile werde der übersicherte Betrag für die Privatpatienten an den Kläger freigegeben, weil die Beklagte insoweit nicht für die Schadensrückabwicklung zuständig sei. Nach dem Abgleich mit dem Zahnarzt und den Krankenkassen werde der vorläufige Ausgangsbescheid endgültig auf den ermittelten Gesamtschaden festgesetzt. Dies geschehe unabhängig davon, ob der Zahnarzt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt habe oder nicht. Deshalb seien nicht der Widerspruch, sondern die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren ursächlich für die teilweise Aufhebung des Widerspruchs. Hätte der Widerspruchsausschuss zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs am 27.10.2003 über den Widerspruch entschieden, hätte er den Widerspruch zurückweisen müssen.
Das SG Düsseldorf hat die Beklagte verurteilt, die Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens des Bevollmächtigten in hälftiger Höhe zu erstatten, weil der Widerspruch des Klägers teilweise erfolgreich gewesen sei. Es sei hier allein auf das Ergebnis abzustellen. Umstände, die eine ursächliche Verknüpfung zwischen der begünstigenden Entscheidung der Behörde und dem Widerspruch ausschlössen, lägen nicht vor. Zwar hätte die Beklagte möglicherweise auch ohne den Widerspruch von Amts wegen ihre Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide nach Konkretisierung der strafrechtlichen Vorwürfe angepasst. Es entspreche jedoch dem typischen Risiko einer Behörde, dass von ihr getroffene Maßnahmen mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen würden. Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts könne nicht darauf verwiesen werden, dass die Behörde der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht im Laufe des Verfahrens von sich aus fehlerfrei nachkommen werde.
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.2.2010). Die Änderung des Rückforderungsbescheides durch Reduzierung auf etwa die Hälfte des Rückforderungsbetrages beruhe nicht auf dem Widerspruch des Klägers. Die Beklagte, die zunächst keine exakte Berechnung des rechtswidrig erhaltenen Honorars habe durchführen können, habe lediglich einen vorläufigen, auf einer Schätzung beruhenden Bescheid erlassen. Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt werde eine Regelung unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung getroffen. Die Beklagte hätte auch die Möglichkeit gehabt, nach Erlass eines neuen Rückforderungsbescheides den Widerspruch für erledigt zu erklären und mit der entsprechenden Kostenfolge in vollem Umfang abzuweisen.
Dagegen richtet sich Revision des Klägers. Er trägt zur Begründung vor, allein entscheidend sei der Ausgang des Widerspruchsverfahrens. Nur so sei für den Betroffenen auch das Kostenrisiko eines Widerspruchsverfahrens absehbar. Die Einlegung eines Widerspruchs sei stets kausal für die sodann ergehende Widerspruchsentscheidung. Durch nicht ausreichend konkretisierbare Anforderungen an die Kausalität werde die Kostenerstattungsentscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X entgegen ihrem Wortlaut schleichend zu einer Ermessensentscheidung. Das LSG habe der Beklagten auch zu Unrecht die Möglichkeit zugestanden, einen vorläufigen Rückforderungsbescheid zu erlassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Sentas durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG geändert. Die Beklagte ist verpflichtet, eine Kostengrundentscheidung zugunsten des Klägers zu treffen.
1. Die Klage unmittelbar gegen die Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens war zulässig (zur Trennung von Sach- und Kostenentscheidung vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 13). Eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 SGG hinsichtlich der Kostengrundentscheidung bedurfte es nicht (vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: August 2011, K § 63 RdNr 25). Die Beklagte war als Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, auch für die Kostenentscheidung zuständig (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 9, RdNr 16 zur Kostenfestsetzungsentscheidung des Berufungsausschusses).
2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Widerspruch des Klägers war erfolgreich iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Beklagte die Rückforderungssumme auf etwa die Hälfte reduziert hat.
3. Dem Erfolg des Widerspruchs iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X steht eine mangelnde Ursächlichkeit zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung nicht entgegen. Der Senat hält grundsätzlich daran fest, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich ist, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern auch erforderlich ist, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl zuletzt Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 16 unter Bezugnahme auf BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 4 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34; BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 13).
Ausgangspunkt für die Rechtsprechung des BSG zum Erfordernis einer kausalen Verknüpfung zwischen Widerspruch und begünstigender Widerspruchsentscheidung ist eine Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 21.7.1992 (SozR 3-1300 § 63 Nr 3). Dort wurde eine solche Verknüpfung für einen Fall verneint, in dem durch eine nachträgliche Vorlage des Antragsvordrucks und einer Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit im Widerspruchsverfahren die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nachgewiesen wurden. Der Forderung nach einer ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne hat der 12. Senat sich in einem zurückverweisenden Urteil vom 29.1.1998 angeschlossen (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34). In seiner abschließenden Entscheidung in dieser Sache hat der 12. Senat des BSG (Urteil vom 18.12.2001 - USK 2001-61 S 377) einen ursächlichen Zusammenhang abgelehnt, weil dem Widerspruch im Hinblick darauf stattgegeben worden war, dass der Widerspruchsführer ausstehende Beitragszahlungen geleistet hatte, nachdem die Krankenkasse wegen eines Beitragsrückstandes das Ende der Mitgliedschaft festgestellt hatte. In den entschiedenen Fällen beruhte die Stattgabe mithin allein darauf, dass der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachgeholt hatte, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte. Das Verhalten der Widerspruchsführer, die erst im Widerspruchsverfahren die gebotene Handlung nachgeholt und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangt hatten, ist als widersprüchlich angesehen worden (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 10). Der 5. Senat hat in einem Urteil vom 17.10.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 5) die Kausalität für den Fall verneint, dass bei einem unzulässigen Widerspruch wegen der fehlenden Kostenentscheidung in einem Abhilfebescheid aufgrund einer Kostennote die geltend gemachten Beträge überwiesen worden waren. Als mangels Kausalität nicht erfolgreich hat der 13. Senat am 20.10.2010 in einem obiter dictum den Widerspruch gegen einen Bescheid angesehen, der nach § 96 SGG Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens geworden war (SozR 4-1500 § 193 Nr 6). Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - (SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 18 ff) entschieden, dass auch dann, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt, die erforderliche Ursächlichkeit im Rechtssinne grundsätzlich nicht entfällt (vgl hierzu bereits BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 11, wo die Frage aber nicht zu entscheiden war; Becker aaO, K § 63 RdNr 27; Diering in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 63 RdNr 5 f).
Ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die Literatur zu § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die Prüfung der Kausalität des Widerspruchs als Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch für entbehrlich halten (hierfür sprechen etwa BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 12 und 25; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl 2010, § 80 RdNr 25 unter Hinweis auf zT widersprüchliche Entscheidungen; dagegen etwa Hamburgisches OVG, NVwZ-RR 1999, 706; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 80 RdNr 31) oder ob sie nur die Unmaßgeblichkeit der Widerspruchsbegründung betonen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Das BVerwG verfolgt immerhin auch einen kausalitätsbezogenen Ansatz, wenn es in einer neueren Entscheidung bei der Prüfung, ob die Behörde treuwidrig statt einer Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 VwVfG getroffen hat, darauf abstellt, ob das die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auslösende Ereignis im Verantwortungsbereich des Widerspruchsführers lag (BVerwGE 118, 84: Kriegsdienstverweigerungsantrag, der zwischen Absendung und Zugang des Einberufungsbescheides gestellt worden war). Eine Konstellation, in der der Widerspruch nicht kausal für die begünstigende Entscheidung ist, ist hier jedenfalls nicht gegeben.
4. Der Kläger hat sich als Widerspruchsführer im Ergebnis teilweise durchgesetzt, weil die Beklagte den vom Kläger angegriffenen Honorareinbehalt im Widerspruchsverfahren deutlich reduziert hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte in den Bescheiden vom 23.9.2003 die Höhe der Rückforderungssummen lediglich vorläufig festgesetzt hatte. Es ist dem Adressaten eines Verwaltungsaktes nicht verwehrt, auch gegen eine vorläufige Festsetzung Widerspruch einzulegen. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sie den Widerspruch hätte zurückweisen müssen, wenn sie früher über ihn entschieden hätte. Es kann offenbleiben, ob dies zutrifft, hat sich doch ihre Schätzung als deutlich überzogen erwiesen. Auf hypothetische Entscheidungsalternativen kommt es nicht an. Tatsächlich hat die Beklagte jedenfalls nicht in angemessener Zeit über den Widerspruch entschieden, sondern abgewartet, bis sie eine endgültige Entscheidung über die Höhe der Rückforderung hat treffen können. Wenn die Beklagte dann - unter Vermengung der Entscheidungen über den Widerspruch hinsichtlich der vorläufigen Festsetzung einerseits und über die endgültige Festsetzung andererseits - dem Widerspruch teilweise abhilft, ist dieser als erfolgreich im Rechtssinne anzusehen.
Dass die Beklagte möglicherweise auch ohne den Widerspruch eine endgültige Festsetzung in Höhe von 132 761,10 Euro vorgenommen hätte, lässt die Kausalität des Widerspruchs nicht entfallen. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass dem Kläger nicht zuzumuten war, auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Festsetzung zu verzichten. Er war auch durch die vorläufige Regelung beschwert und nicht gehindert, auf deren Änderung mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln hinzuwirken. Gerade wenn die Feststellung der Schadenssumme einige Zeit in Anspruch nimmt, kann ein Interesse an der Reduzierung des vorläufig festgestellten Betrages oder gar der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides insgesamt bestehen. Wenn die Beklagte zeitnah, also zumindest innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 88 Abs 2 SGG, entschieden hätte, hätte sie ihrer Widerspruchsentscheidung den im Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Kenntnisstand zu Grunde legen müssen und dürfen. Nach damaligem Sachstand hätte die Beurteilung, ob ihr Rückzahlungsansprüche in der ursprünglich angenommenen Höhe von ca 270 000 Euro zustanden, möglicherweise noch anders ausfallen können (zur Schätzungsbefugnis vgl BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6). Allein der Umstand, dass die Beklagte den Widerspruch nicht zeitnah beschieden und die Entscheidung sodann mit der endgültigen Festsetzung verknüpft hat, ändert nichts daran, dass auf den Widerspruch hin eine teilweise Stattgabe erfolgte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht hier auch wertungsmäßig keine Parallele zu dem Fall, in dem der Widerspruchsführer sich widersprüchlich verhält, weil er erst im Widerspruchsverfahren eine gebotene Handlung nachholt und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangt (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 10). Zwar war der Kläger, nachdem feststand, dass er Kick-Back-Zahlungen erhalten hatte, zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Schadenshöhe verpflichtet. Die Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid selbst ausgeführt, der Kläger habe mit Schreiben vom 3.11.2003 an das Amtsgericht den Schaden auf ca 130 000 Euro beziffert, was der letztlich festgesetzten Summe nahekommt. Die Höhe der vorläufigen Festsetzung resultierte außerdem nach den Angaben der Beklagten auch daraus, dass zunächst der maximale Schadensbetrag sichergestellt werden sollte ohne Differenzierung zwischen Kassen- und Privatpatienten. Zur Neuberechnung der Rückforderung reichte damit nicht allein eine einfache Mitwirkungshandlung des Widerspruchsführers aus. Es bedurfte vielmehr einer Auswertung der Abrechnungsunterlagen sowie der strafrechtlichen Ermittlungen, um die Schadenssumme zu konkretisieren. Dem Kläger ist ein widersprüchliches Verhalten im Widerspruchsverfahren nicht vorzuwerfen. Dass letztlich das gesamte Verfahren auf sein Fehlverhalten zurückgeht, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, weil die Kostengrundentscheidung - außerhalb des engen Rahmens eines venire contra factum proprium im Verwaltungsverfahren selbst - grundsätzlich keinen Raum für die Berücksichtigung von Verschuldensgesichtspunkten bietet. Die Vorschrift des Satz 3 in § 63 Abs 1 SGB X betrifft nicht die hier streitige Grundentscheidung, sondern kann allenfalls die Erstattung dem Umfang nach beschränken (vgl BSG Urteil vom 8.10.1987, 9a RVs 10/87, juris RdNr 12, 13; Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 25).
Schließlich berührt die Kausalität hier auch nicht, dass der Kläger seinen Widerspruch nicht ausdrücklich gesondert begründet hat. Der Sachverhalt, um den gestritten wurde, und das Vorbringen des Klägers hierzu war der Beklagten hinreichend bekannt, wie sich nicht zuletzt aus den Bezugnahmen im Widerspruchsbescheid auf das Strafverfahren sowie auf das Verfahren der Zulassungsentziehung ergibt. Welche rechtlichen Erwägungen letztlich zur (teil)stattgebenden Entscheidung im Widerspruchsverfahren geführt haben (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 19; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34), ist grundsätzlich ohne Belang. Der Erfolg eines Widerspruchs bemisst sich nicht daran, ob der Argumentation des Widerspruchsführers gefolgt wurde. Einer Kausalität zwischen Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht. Auch wenn dem Widerspruch aus vom Widerspruchsführer nicht vorgetragenen Gründen stattgegeben wird, ist er erfolgreich gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt (vgl Krasney in Kasseler Komm, Stand: Januar 2009, § 63 SGB X RdNr 5).
Der Verwaltungsträger wird dadurch auch nicht in unbilliger Weise mit Kosten belastet. Der Widerspruchsführer hat von einem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch gemacht. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich für die Beklagte als Behörde das typische Risiko realisierte, dass eine von ihr getroffene Maßnahme mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen wurde. Auch der Umstand, dass sie über diesen Rechtsbehelf nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist des § 88 Abs 2 SGG entschieden hat und damit auch nicht mehr allein aufgrund einer Schätzung, ist der Beklagten zuzurechnen.
Es kann offenbleiben, ob die Beklagte die Kostenfolge hätte vermeiden können, wenn sie bezogen auf den vorläufigen Bescheid einen negativen Widerspruchsbescheid und einen gesonderten Bescheid über die endgültige Festsetzung der Rückforderung erlassen hätte. Eine hypothetische Gestaltungsmöglichkeit stellt die Rechtsfolgen der tatsächlichen Gestaltung nicht in Frage. Soweit die Beklagte noch zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung im Jahr 2006 so vorgegangen wäre, hätten erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen allein zur Vermeidung von Kosten gewählten Vorgehens bestanden (vgl insoweit auch BVerwG, NJW 2009, 2968, 2969).
5. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbehelfsverfahren, § 63 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 2 SGB X, hat die Beklagte zu Recht nicht in Frage gestellt (anders gelagert BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 4 RdNr 22, zum formalen Akt der Widerspruchserhebung in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren).