Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 24.01.2018


BSG 24.01.2018 - B 6 KA 23/16 R

Kassenärztliche Vereinigung - Zuweisung von Regelleistungsvolumen auf Medizinische Versorgungszentren (MVZ) - Regelungen über Anfängerpraxen - angestellter Arzt im MVZ - Anfängerstatus


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
24.01.2018
Aktenzeichen:
B 6 KA 23/16 R
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2018:240118UB6KA2316R0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG München, 16. Mai 2014, Az: S 28 KA 1440/12, Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 16. Dezember 2015, Az: L 12 KA 121/14, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 und des Sozialgerichts München vom 16. Mai 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende GmbH begehrt für das Quartal III/2009 die Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) an das von ihr betriebene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ).

2

Dem MVZ mit Praxissitz in der K. Straße in C., das zum 1.7.2007 gegründet wurde, gehörten zunächst der Internist Dr. T. und zwei Fachärzte für Pathologie an. Dr. T. war als angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von 40 Stunden/Woche beschäftigt und zugleich ärztlicher Leiter des MVZ. Ab dem 1.7.2008 stellte die Klägerin Dr. L. (Internist mit Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie) mit einem Beschäftigungsumfang von 10 Stunden/Woche an. Dr. T. übte seine Tätigkeit vom 1.7.2008 bis zum 30.9.2010 in einem Umfang von 30 Stunden/Woche aus. Vor seiner Anstellung im MVZ war Dr. T. seit dem 1.7.1986 in C. in einer Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

3

Mit Bescheid vom 23.6.2009 wies die beklagte KÄV der Klägerin ein RLV für das Quartal III/2009 in Höhe von insgesamt 30 661,82 Euro zu. Das RLV wurde dabei für Dr. L. in Höhe von 12 936,03 Euro und für Dr. T. in Höhe von 17 725,79 Euro ermittelt. Bei Dr. L. legte die Beklagte eine RLV-relevante Fallzahl aus dem Quartal III/2008 von 177 zugrunde (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 499), bei Dr. T. eine RLV-relevante Fallzahl aus III/2008 von 419 (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 701). Die in Ansatz gebrachte RLV-relevante Fallzahl von Dr. T. betrug im Quartal III/2009 511. Der Honorarbescheid vom 21.4.2010 wies ein Gesamthonorar des MVZ, dem neben Dr. T. und Dr. L. mittlerweile drei Pathologen mit insgesamt einem vollen Versorgungsauftrag angehörten, von 237 600,72 Euro aus.

4

Mit Schreiben vom 8.7.2009 (eingegangen am 21.10.2009) stellte Dr. T. für die Quartale ab I/2009 einen Antrag auf Erhöhung der Fallzahl - Anpassung des RLV wegen Jungpraxis - und beantragte die Übernahme der Fallzahl der von ihm vor seiner Anstellung im MVZ betriebenen Praxis. Mit Bescheid vom 17.8.2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil der Zeitpunkt der Erstniederlassung von Dr. T., gerechnet ab dem Antragsquartal, länger als fünf Jahre zurückliege. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012 zurück. Der Arzt, der von einer Einzelpraxis zu einem MVZ wechsele, könne nicht als Praxisneugründer im Sinne einer Jungpraxis angesehen werden.

5

Das SG hat mit Urteil vom 16.5.2014 die Bescheide der Beklagten vom 23.6.2009 und 17.8.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.9.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Zuweisung des RLV der Klägerin im Quartal III/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Jungpraxisregelung finde grundsätzlich auch auf neu zugelassene MVZ Anwendung, nicht jedoch auf einzelne im MVZ tätige Ärzte. Abzustellen sei auf die Zulassung, nicht auch auf die Anstellung von Ärzten durch einen zugelassenen Leistungserbringer. Wettbewerber am Markt sei die Praxis und nicht der angestellte Arzt. Da seit der Gründung des hier maßgeblichen MVZ noch keine 20 Quartale vergangen seien und dieses im Vorjahresquartal auch noch nicht den Fachgruppendurchschnitt erreicht habe, sei es als Jungpraxis zu definieren.

6

Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 16.12.2015 zurückgewiesen und auf die Begründung des SG verwiesen. Soweit die Beklagte der Auffassung sei, die maßgeblichen Vorschriften seien für MVZ im Hinblick auf dessen Schutzbedürftigkeit zu modifizieren, gebe es hierfür keine Rechtsgrundlage. Schutzbedürftig als "Wenigabrechner", bezogen auf die Fallzahlen des Vorjahresquartals, könne ebenso ein MVZ wie ein in Einzelpraxis niedergelassener Arzt sein. Das Argument, die Klägerin rechne wegen der hohen Umsätze bei den freien Leistungen überdurchschnittlich ab und könne bereits deshalb nicht unter den Schutzbereich der Jungpraxisregelung fallen, trage ebenfalls nicht. Die hier maßgebliche Regelung im Honorarvertrag stelle nur auf die Leistungen ab, die im Rahmen des RLV abgerechnet werden könnten, indem sie den Jungpraxen die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe zubillige. Eine weitere Voraussetzung dergestalt, dass auch das Gesamthonorar unterdurchschnittlich sein müsse, sei der Regelung nicht zu entnehmen. Maßgeblich für den Beginn der Berechnung, bis wann eine Jungpraxis vorliege, sei der Gründungszeitpunkt des MVZ. Die arztbezogene Berechnung des RLV führe nicht dazu, dass für den Beginn der Jungpraxisregelung auf die Erstzulassung des in das MVZ eintretenden Arztes abzustellen sei. Seit der Gründung des MVZ zum 1.7.2007 seien bis zum Quartal III/2009 noch keine 20 Quartale vergangen. Das MVZ habe im Vorjahresquartal auch unstreitig noch nicht den Fachgruppendurchschnitt erreicht.

7

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, eine Aufbaupraxis liege nur dann vor, wenn der Honorarumsatz unterdurchschnittlich sei. Bei einem überdurchschnittlichen Umsatz sei eine unterdurchschnittliche Fallzahl unerheblich. Es könne für das Vorliegen einer Aufbaupraxis nicht allein auf den Zulassungszeitpunkt des MVZ abgestellt werden, wenn ein Arzt im MVZ tätig werde, der zuvor bereits längere Zeit im selben Planungsbereich wie das MVZ vertragsärztlich tätig gewesen sei. Ansonsten könne es zu einer Perpetuierung von Aufbauphasen kommen. Bei MVZ seien die Regelungen zur Aufbaupraxis hinsichtlich Fallzahl und Tätigkeitsdauer arztbezogen anzuwenden.

8

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16.12.2015 und des Sozialgerichts München vom 16.5.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Senat sei an die Auslegung des Landesrechts durch das LSG gebunden. Die Vergütung für die freien Leistungen dürfe nicht berücksichtigt werden.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. SG und LSG haben die Beklagte zu Unrecht zur Neubescheidung verurteilt. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr RLV nach der für Aufbaupraxen geltenden Regelung des Honorarvertrages (HV) bemessen wird.

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1. Es fehlt nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die gesonderte Anfechtung der RLV-Zuweisung und der Ablehnung des Antrags auf Erhöhung des RLV. Nach dem bisherigen Gang des Verfahrens ist zu erwarten, dass die Beklagte die Verpflichtung übernimmt, den von der Klägerin nicht angefochtenen Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen. Jedenfalls ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vom Erfordernis der Anfechtung des Honorarbescheides abzusehen. Die Rechtsprechung des Senats zum fehlenden rechtlich geschützten Interesse an einer gesonderten Anfechtung der Zuweisung eines RLV bei Bestandskraft des Honorarbescheides lag zum Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheides vom 21.4.2010 noch nicht vor (vgl BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 13 ff).

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2. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind die Regelungen, die der Bewertungsausschuss (BewA) auf der Grundlage des § 87b Abs 2 und 3 iVm Abs 4 S 1 und 2 SGB V (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378, im Folgenden: aF) getroffen hat, sowie die hierauf fußenden Regelungen des im streitbefangenen Quartal geltenden HV.

14

a) Gemäß § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV nach S 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Gemäß § 87b Abs 3 S 1 SGB V aF waren die Werte für die RLV nach Abs 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Nach § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF bestimmte der BewA erstmalig bis zum 31.8.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Abs 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten.

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b) Der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) hat in seiner 7. Sitzung am 27. und 28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss gemäß § 87b Abs 4 S 1 SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V gefasst (DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Ziffer 1.2.2 werden die RLV je Arzt ermittelt. Die Zuweisung der RLV erfolgt nach Ziffer 1.2.4 praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind. In Teil F Ziffer 3.5 ist bestimmt: "Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend Anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal." Mit Beschluss des BewA vom 20.4.2009 (DÄ 2009, A-942) erfolgte zum 1.7.2009 eine Neuformulierung in Teil A Nr 4: "Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge." Für die Ermittlung der für das RLV relevanten Fälle (RLV-Fälle) wurde in Teil F Ziffer 2.3 S 2 Buchst b des Beschlusses bestimmt, dass in Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis multipliziert mit seinem Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis entspricht.

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c) Gemäß Abschnitt 2.1 Teil B Nr 4.1 Abs 4 des im Quartal III/2009 geltenden HV der Beklagten werden für Praxen, die sich noch im Aufbau befinden (Jungpraxen), bei denen seit der ersten Niederlassung nicht mehr als 20 Quartale vergangen sind und den Fachgruppendurchschnitt im Vorjahresquartal noch nicht erreicht haben, die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal angesetzt. Soweit die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal über dem Fachgruppendurchschnitt liegen, kommt der Fachgruppendurchschnitt zum Ansatz.

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d) Die dargestellten gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte bei der Festsetzung des RLV der Klägerin zutreffend umgesetzt. Sie hat für Dr. T. und für Dr. L.

jeweils RLV berechnet und deren Summe der Klägerin als RLV zugewiesen. Für eine Anknüpfung des RLV für Dr. T. an die Fallzahlen seiner vormaligen Einzelpraxis, wie dies im Antrag auf Erhöhung der Fallzahl begehrt wurde, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Allenfalls käme ein solches Vorgehen in Betracht, wenn Dr. T. im maßgeblichen Vorquartal noch nicht im MVZ tätig gewesen wäre (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 30: "Hinzurechnung der vom Eintretenden zuvor erbrachten Fallzahlen"). Im Quartal III/2008 war er jedoch bereits mit einer zum streitbefangenen Quartal unveränderten Stundenzahl im MVZ tätig.

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e) Die RLV-Zuweisung ist auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Sonderregelungen für Praxen in der Anfangsphase, nach der dem RLV die eigene Fallzahl bis zum Fachgruppendurchschnitt zugrunde zu legen war, nicht berücksichtigt hat. Zwar erfüllte das MVZ noch die Voraussetzungen für die Annahme einer Aufbaupraxis. Nach dem HV der Beklagten war eine Praxis in den ersten 20 Quartalen ab der Zulassung als Aufbaupraxis anzusehen. Auch bei einem MVZ ist zunächst auf den Zeitpunkt seiner Zulassung abzustellen. Nur solange sich das MVZ ab diesem Zeitpunkt noch in der Wachstumsphase befindet, können besondere Regelungen für Aufbaupraxen zur Anwendung kommen. Daneben muss aber auch der Arzt, für den ein RLV gegenüber dem MVZ festgesetzt wird, über einen entsprechenden "Anfängerstatus" verfügen. Daran fehlt es hier.

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aa) In der Rechtsprechung des Senats ist wiederholt klargestellt worden, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14 mit zahlreichen Nachweisen). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit, die auf Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG gründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17 sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R - MedR 2007, 560 = USK 2007-26), - die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (vgl zuletzt Urteile des Senats vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R ua mwN). Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (stRspr des Senats, ua BSGE 83, 52, 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14).

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Für neu gegründete Praxen gelten nach der Rechtsprechung insoweit Besonderheiten, als ihnen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren bemessen werden kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15), die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss, während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG jeweils aaO). Allerdings haben auch Aufbaupraxen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung, der über den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe hinausgeht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19). Soweit neu gegründete Praxen für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung freizustellen sind, bezieht sich dies in aller Regel nicht auf Umsatzsteigerungen, sondern allein auf eine Steigerung der Fallzahlen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35 auch zu einer denkbaren Ausnahme).

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Die genaue Bestimmung des Zeitraums des Aufbaus einer Praxis, bei der es sich um eine Erstzulassung oder um eine Neuzulassung nach vorheriger vertragsärztlicher Tätigkeit in einem anderen Planungsbereich handeln kann, ist der Regelung im Honorarverteilungsmaßstab der KÄV - bzw im HV zwischen der KÄV und den Krankenkassen - vorbehalten. Es kann festgelegt werden, ob der Anspruch auf sofortige Honorarsteigerung bis zum Durchschnittsumsatz der Arztgruppe für einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bestehen soll (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 18, 23).

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bb) Hier ist im HV ein Zeitraum von 20 Quartalen ab der Zulassung festgelegt. Danach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Aufbauphase zwar für das MVZ der Klägerin, nicht jedoch für Dr. T. vor.

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(1) Für den Fall des Eintritts eines weiteren Arztes in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) hat der Senat entschieden, dass dies keine Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit darstelle, wenn die BAG bereits mehr als fünf Jahre vertragsärztlich tätig war (SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 26 ff). In dem entschiedenen Fall war streitbefangen das Quartal III/2009, die klagende BAG nahm seit Ende Juni 2004 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die im Januar 2008 als weitere Partnerin in die BAG eingetretene Ärztin war von 2005 bis Ende 2007 in Einzelpraxis im Planungsbereich zugelassen. Eine solche Neuformierung einer BAG führt nach dieser Entscheidung des Senats nicht zu einer Neugründung im Sinne einer Aufbaupraxis. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass entsprechend der Rechtsprechung des BGH die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Partnerschaftsgesellschaft und gleichermaßen auch die BAG unverändert fortbestehen (SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27 mit zahlreichen Nachweisen). Dies gilt beim Eintritt eines neuen Partners unabhängig davon, wie lange dieser schon praktiziert hat. Eine BAG kann sich nicht durch Aufnahme eines Partners "verjüngen" und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als fünf Jahre - oder gar durch regelmäßige Neueintritte "junger" Partner fortwährend - behalten.

24

(2) Die vom Senat für die BAG entwickelten Grundsätze gelten entsprechend auch für ein MVZ. In der erstmaligen Zulassung des MVZ liegt grundsätzlich eine Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Dieser Zeitpunkt ist zunächst für die Frage des Vorliegens einer Aufbaupraxis maßgeblich. Ebenso wie die BAG ist das MVZ in seinem Bestand unabhängig vom Wechsel der bei ihm angestellten Personen. Im Beschluss des BewA vom 20.4.2009 wird in Teil A Nr 4 zwischen "Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform" differenziert. Dass in dem Beschluss, ebenso wie in § 87b Abs 5 S 1 SGB V aF, neben den einzelnen Vertragsärzten auch Praxen genannt werden, spricht dafür, dass bei Kooperationen auf deren Bestand abzustellen ist. Im früheren Beschluss vom 27./28.8.2008 war nur von "Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform" die Rede (vgl Teil F Nr 3.5). Da es sich bei der Neugründung eines MVZ nicht stets um eine "Umwandlung" handelt, mussten die MVZ in diesem Zusammenhang von dem Begriff "Vertragsarzt" mitumfasst sein (vgl die vom LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 21 zitierten Regelungen: "Als Vertragsarzt zählen … auch medizinische Versorgungszentren"). Für die Anknüpfung an den Zeitpunkt der erstmaligen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung spricht bei einem MVZ noch mehr als bei einer BAG, weil das MVZ einen eigenen Zulassungsstatus hat. Als zugelassener Leistungserbringer steht ihm der Honoraranspruch und damit der Wachstumsanspruch zu. Dieser Gedanke steht hinter der Formulierung des SG, dass das MVZ "Wettbewerber am Markt" sei (vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 5.10.2016 - L 5 KA 773/13 - MedR 2017, 418, 422). Dementsprechend wird das RLV dem MVZ zugewiesen und nicht dem einzelnen im MVZ tätigen Arzt.

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(3) Da aber die Berechnung des RLV an den einzelnen Arzt anknüpft und das dem MVZ zuzuweisende RLV sich aus der Addition der RLV für die einzelnen dort tätigen Ärzte ergibt (vgl Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008), ist weitere Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelungen zur "Jungpraxis", dass auch der einzelne Arzt noch einen Aufbaustatus beanspruchen kann. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn er, wie hier Dr. T., vor seiner Tätigkeit im MVZ bereits über einen den Anfängerstatus ausschließenden Zeitraum im selben Planungsbereich wie das MVZ vertragsärztlich tätig war. Ebenso wie eine Verlegung des Standortes einer Praxis innerhalb eines Planungsbereichs nicht dazu führen kann, dass eine Praxis erneut als Aufbaupraxis zu behandeln ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 31), fehlt es im Fall eines Zulassungsverzichts zugunsten einer Anstellung in einem MVZ an einer Rechtfertigung dafür, den Arzt bei der Berechnung des RLV unter dem Gesichtspunkt der nur für einen begrenzten Zeitraum zu eröffnenden sofortigen Wachstumsmöglichkeit bis zum Durchschnitt der Fachgruppe weiterhin zu begünstigen. Die Chance, "durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen" (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17), benötigt ein solcher Arzt nicht mehr. Es würde dem Sinn und Zweck der Sonderregelungen für Aufbaupraxen zuwiderlaufen, würde der langjährig zugelassene Arzt, der zugunsten einer Anstellung in einem in demselben Planungsbereich neu gegründeten MVZ auf seine Zulassung verzichtet, erneut einen Anfängerstatus erlangen. Im Fall von Dr. T., der vor seiner Anstellung im MVZ seit 1986 in derselben Stadt und in nur geringer Entfernung (ca 3 km) in eigener Praxis vertragsärztlich tätig war, ist dies besonders augenfällig. Ebenso wenig wie das MVZ sich durch die Aufnahme neuer Ärzte "verjüngen" kann, kann ein Vertragsarzt nach langjähriger Tätigkeit durch Eintritt in ein neu gegründetes MVZ wieder zum "Wachstumsarzt" werden. Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang das MVZ von der Vortätigkeit des Vertragsarztes in eigener Praxis tatsächlich profitiert. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Praktikabilität der Honorarverteilung ist typisierend auf die vorherige Tätigkeit in demselben Planungsbereich abzustellen.

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Den Gesamtvertragspartnern bzw der KÄV steht es frei, in dem durch das Gleichbehandlungsgebot vorgegebenen Rahmen spezielle Regelungen zur Förderung von Kooperationen in der Wachstumsphase zu treffen. Dabei könnten etwa im Hinblick auf die Größe der Planungsbereiche oder regionale Besonderheiten auch Bestimmungen vorgesehen werden, die auf kleinere räumliche Einheiten abstellen. Das ist hier aber nicht geschehen.

27

cc) Die Betrachtung hat zur Folge, dass - wie der Senat dies bereits für die BAG herausgestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27) - der neu in ein MVZ eintretende Arzt sich darüber im Klaren sein muss, dass er durch den Eintritt in das MVZ in dieses eingebunden wird. Damit kann auch der Verlust von Vorteilen verbunden sein, wenn etwa die aufgegebene Einzelpraxis noch eine Aufbaupraxis wäre, das MVZ aber nicht mehr. Umgekehrt kann - wie hier - der "Status" der Aufbaupraxis für das MVZ nach dem HV bestehen, die Zuweisung eines entsprechenden RLV für einen angestellten Arzt aber daran scheitern, dass dieser zuvor bereits eine Praxis betrieben hat, der kein Aufbaustatus mehr zukommt. Von der Qualifizierung als Aufbaupraxis profitiert das MVZ nur dann, wenn und solange auch der Arzt, für den ein RLV zuzuweisen ist, die Voraussetzungen für die besondere Wachstumsregelung erfüllt. Nach dem Verlust der Eigenschaft einer Aufbaupraxis kann sich das MVZ ebenso wenig wie die BAG dadurch "verjüngen", dass es weitere Ärzte als Anfänger aufnimmt. Es ist lediglich, wie der Senat schon für die BAG ausgeführt hat, eine zusätzliche Fallzahl für den neu hinzutretenden Arzt zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 30).

28

f) Ob die Anwendung der Regelung zu den "Jungpraxen" hier auch deshalb ausgeschlossen war, weil die Klägerin im streitbefangenen Quartal insgesamt ein überdurchschnittliches Honorar erwirtschaftete, kann offenbleiben. Es spricht allerdings viel dafür, dass eine Praxis mit überdurchschnittlichem Honorar keiner besonderen Förderung mehr bedarf. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt der Wachstumsanspruch von Aufbaupraxen aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 21). Es geht darum, dass diesen Praxen die Möglichkeit eingeräumt werden muss, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14 mwN). Dabei ist unerheblich, ob der Umsatz im RLV-Bereich oder im Bereich der freien Leistungen generiert wird. Das folgt bereits daraus, dass die Leistungen der einzelnen Arztgruppen in unterschiedlichem Umfang den RLV unterliegen. Soweit das LSG darauf abgestellt hat, dass sich die Regelung für Neupraxen im HV nur zu RLV verhalten, hält die Beklagte dem zu Recht entgegen, dass dort von "Praxen, die sich noch im Aufbau befinden", die Rede ist. Nach Sinn und Zweck kann es sich dabei nur um solche Praxen handeln, die noch unterhalb des durchschnittlichen Umsatzes liegen. Es wäre mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit schwerlich vereinbar, Praxen mit überdurchschnittlichem Honorarumsatz allein deshalb zu fördern, weil sie noch keine 20 Quartale zugelassen sind und in einem Teilbereich noch keine durchschnittliche Fallzahl erreicht haben. Das gilt umso mehr, wenn dieser Teilbereich - wie hier - nur einen geringen Teil des Gesamthonorars (ca 34 000 Euro von 236 000 Euro) ausmacht.

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3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu tragen.