Entscheidungsdatum: 22.03.2018
Der Dreijahreszeitraum, für den sog arbeitnehmerähnliche Selbstständige in der Existenzgründungsphase von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können, beginnt unabhängig vom Eintritt der Versicherungspflicht mit der erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, in deren Zusammenhang regelmäßig kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt und die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber erbracht wird.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Beklagte den Kläger für die Zeiträume 1.6.2007 bis 31.12.2007 und 1.1.2009 bis 30.6.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien und der Kläger für diese Zeit Beiträge zahlen muss.
Der Kläger ist geboren am 30.11.1969 und seit dem 1.12.2003 als Versicherungsfachmann selbstständig tätig. Zunächst vermittelte der Kläger bis zum 31.12.2006 Versicherungen und Finanzdienstleistungen der A. AG. Der Kläger beschäftigte ab dem 1.12.2003 bis 30.6.2006 eine Büroleiterin gegen eine Vergütung von 1000 Euro im Monat. Ab dem 1.7.2006 war die Büroleiterin für ein monatliches Gehalt von 165 Euro tätig und erzielte auch zusammen mit Arbeitsverdiensten aus anderen Beschäftigungen kein Arbeitsentgelt in Höhe von mehr als 400 Euro monatlich.
Ab dem 1.1.2007 war der Kläger als Handelsvertreter in der Vermittlung von Versicherungen und Geldanlagen für die H. aG und deren Kooperationspartner tätig. Daneben arbeitete der Kläger ab Dezember 2008 auch als Handelsvertreter für die Firma s. Immobilien. In dieser Tätigkeit erzielte der Kläger keine positiven Einkünfte.
Am 14.5.2007 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbstständig Tätiger ein und gab an, seit dem 1.12.2003 Versicherungen zu vermitteln und keinen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 25.5.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es bestehe die Möglichkeit, dass er aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsfachmann ab dem 1.12.2003 versicherungspflichtig sei. Weitere Angaben für die Erteilung des Bescheides über die Versicherungspflicht würden benötigt. Es bestehe die Möglichkeit von einkommensgerechten Beitragszahlungen. Eine befristete Befreiung könne nicht erfolgen. In einem Telefonat mit der Beklagten am 1.6.2007 teilte der Kläger mit, er habe vom 1.12.2003 bis 31.12.2006 einen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Mit Bescheid vom 16.7.2007 stellte die Beklagte fest, dass vom 1.12.2003 bis 30.6.2006 keine Versicherungspflicht des Klägers bestand, da im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit mindestens ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt wurde. Ab dem 1.7.2006 bestehe Versicherungspflicht. In einem weiteren Bescheid vom 16.7.2007 setzte die Beklagte für die Zeit der versicherungspflichtigen Tätigkeit ab dem 1.7.2006 die monatlichen Beitragshöhen fest. Dagegen erhob der Kläger am 6.8.2007 Widerspruch und machte geltend, die Beitragspflicht dürfte erst drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit, dh erst am 1.12.2006 bestehen. Die Beklagte sah darin einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1.12.2003 und lehnte diesen mit Bescheid vom 1.11.2007 ab. Dagegen erhob der Kläger erneut Widerspruch am 20.11.2007. Mit Bescheid vom 25.1.2008 lehnte die Beklagte den "Antrag vom 06.06.2007 in Verbindung mit 20.11.2007" ab. Der Kläger habe bereits eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Zeitraum 1.12.2003 bis 31.12.2006 ausgeübt. Eine Befreiung für diesen Zeitraum sei wegen verspäteter Antragstellung abgelehnt worden. Für die Tätigkeit als Versicherungsvertreter als zweite Existenzgründung ab 01.1.2007 sei eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht möglich, da der Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen Tätigkeit nicht wesentlich verändert worden sei. Von der Aufnahme einer zweiten selbstständigen Tätigkeit könne nicht ausgegangen werden. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.3.2009 zurück. Der Widerspruchsbescheid erging auf den "Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.11.2007". Zur Begründung führte die Beklagte aus, mit dem Widerspruch werde die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 1.1.2007 begehrt. Dies sei nur während der Existenzgründerphase von drei Jahren möglich. Der Beginn des Dreijahreszeitraums richte sich nach der Aufnahme der Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht geführt habe. Dies gelte auch, wenn noch nicht alle Voraussetzungen der Versicherungspflicht vorgelegen haben. Eine befristete Befreiung sei nur für die erste und die zweite aufgenommene Tätigkeit möglich. Von einer zweiten Existenzgründung könne auch ausgegangen werden, wenn diese unmittelbar an die Aufgabe der ersten selbstständigen Tätigkeit anschließe, es sich jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise um eine neue Gründung handele. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.
Mit seiner zum SG Altenburg erhobenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt, "den Bescheid vom 01.11.2007" in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 aufzuheben. Mit Bescheid vom 11.4.2012 hat die Beklagte die Versicherungsfreiheit des Klägers in der Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2008 festgestellt, da die selbstständige Tätigkeit in geringfügigem Umfang ausgeübt wurde, und die seit 1.7.2006 rückständigen Beiträge sowie die laufenden Beitragshöhen festgesetzt und ausgeführt, der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens. Mit Bescheid vom 14.11.2013 hat die Beklagte neue Beitragshöhen ab 1.11.2007 und mit einem weiteren Bescheid vom 14.11.2013 erneut die Beiträge ab 1.7.2006 sowie eine Nachzahlung von insgesamt 14 327,06 Euro festgesetzt. In beiden Bescheiden hat die Beklagte ausgeführt, sie würden Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens. Mit Beschluss vom 12.3.2014 hat das SG Altenburg das Verfahren ausgesetzt. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.7.2007, soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 11.4.2012 und vom 14.11.2013 abgeholfen worden ist, zurückgewiesen. Zuletzt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2009 von der Versicherungspflicht zu befreien sowie den Bescheid vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014 aufzuheben, soweit darin für die Zeiträume vom 1.1.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 31.10.2012 Beiträge gefordert werden.
Das SG hat die Beklagte verurteilt, den Kläger für die Zeiträume 1.6.2007 bis 31.12.2007 und 1.1.2009 bis 30.6.2009 von der Versicherungspflicht zu befreien und den Bescheid vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Es hat zudem den Bescheid vom "14.11.2014" in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014 aufgehoben, soweit er eine Beitragserhebung für die Zeiträume 1.6.2007 bis 31.12.2007 und 1.1.2009 bis 30.6.2009 beinhaltet. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.10.2014). Das SG hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit, die die Voraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllte, am 1.7.2006 erfolgt sei. Hiernach bestimme sich der Beginn des Dreijahreszeitraums für die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Befreiung wirke vorliegend vom Eingang des Antrags an. Der Kläger habe zwar erstmals in seinem Widerspruch vom 6.8.2007 den Wunsch nach einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zum Ausdruck gebracht. Der Kläger werde im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch so gestellt, als hätte er den Befreiungsantrag bereits am 1.6.2007 gestellt. Aus der telefonischen Mitteilung des Klägers von diesem Tag sei für die Beklagte erkennbar gewesen, dass der Kläger seine Beitragsbelastung möglichst gering halten wollte und dass in Folge der zunächst gegebenen, dann aber weggefallenen Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers mit der Folge des Eintritts der Versicherungspflicht des Klägers diese Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht gekommen sei. Eine entsprechende Antragstellung sei eine erkennbare, naheliegende Gestaltungsmöglichkeit, die der Kläger aller Voraussicht nach wahrgenommen hätte.
Die Berufung der Beklagten hat das Thüringer LSG zurückgewiesen und auf die Begründung des SG Bezug genommen (Urteil vom 11.1.2017). Ergänzend hat das LSG ausgeführt, die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs 1a SGB VI setze systematisch voraus, dass der Selbstständige versicherungspflichtig sein müsse. Dies sei nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht der Fall, wenn der Selbstständige einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige.
Dagegen hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI. Der Wortlaut dieser Vorschrift spreche stärker dafür, dass für den Beginn des Dreijahreszeitraums auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit abzustellen sei. Anderenfalls hätte das Gesetz zum Ausdruck bringen müssen, dass der Dreijahreszeitraum mit dem erstmaligen Eintreten der Versicherungspflicht beginne. Langjährig Selbstständige würden sonst noch als Existenzgründer behandelt, sofern sie zB erst nach vielen Jahren einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer entlassen und erst dadurch versicherungspflichtig werden. Selbst für Tätigkeiten, die vor dem 1.1.1999 aufgenommen wurden, sei eine Befreiung bei Versicherungspflicht ab 1.1.1999 möglich gewesen, soweit der Dreijahreszeitraum nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch nicht überschritten gewesen sei. Die Befreiungsmöglichkeit bestehe nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/1855, S 9) nur für die Übergangsphase zu Beginn einer selbstständigen Tätigkeit (Existenzgründungsphase) und solle die Konzentration der finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes ermöglichen. Zudem beruhe die Einbeziehung der Selbstständigen mit einem Auftraggeber in die Versicherungspflicht darauf, dass diese nicht weniger sozial schutzbedürftig seien als die anderen von § 2 SGB VI erfassten Personen. Eine wie vom LSG angenommene Befreiungsmöglichkeit würde deshalb einem langjährig Schutzbedürftigen die Möglichkeit einräumen, sich selbst des sozialen Schutzes zu berauben. Die Beklagte sieht ihre Rechtsauffassung bestätigt in der Vorschrift des § 6 Abs 1a S 3 SGB VI. Trete nach Ende einer Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI eine Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI ein, werde die Zeit, in der die dort genannten Merkmale bereits vor dem Eintritt der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift vorgelegen haben, auf den Dreijahreszeitraum nicht angerechnet. Die Beklagte verweist auch auf die Regelung des § 165 Abs 1 S 2 SGB VI. Auch hier werde allein auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit abgestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. Januar 2017 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Oktober 2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/1855, S 9) werde ausdrücklich ausgeführt, der Beginn des Dreijahreszeitraums richte sich nach der erstmaligen Erfüllung der Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI. Es sei nicht einzusehen, weshalb der in der Krise befindliche Selbstständige, der versicherungspflichtige Arbeitnehmer entlassen muss und plötzlich versicherungspflichtig wird, vor zusätzlichen Beiträgen nicht geschützt werden soll.
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen LSG-Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI liegen zwar in der Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 dem Grunde nach vor. Der Senat kann auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen jedoch nicht abschließend beurteilen, wann ein Befreiungsantrag des Klägers bei der Beklagten eingegangen ist, dh ab welchem Zeitpunkt eine von der Beklagten zu erteilende Befreiung wirkt (§ 6 Abs 4 SGB VI) und der Kläger infolge dessen keine Beiträge zu zahlen hat. Deshalb ist das Urteil des LSG insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
A. Im Revisionsverfahren ist darüber zu entscheiden, ob die Beklagte mit Bescheid vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht vom 1.6.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 rechtswidrig abgelehnt und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt hat. Weiterer Prüfungsinhalt ist der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014, soweit darin für diese Zeiträume Rentenversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
I. Der Kläger hat mit seiner am 25.3.2009 beim SG Altenburg erhobenen Klage den Bescheid vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 fristgerecht angefochten. Zwar hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 24.3.2009 ausdrücklich Klage erhoben "gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2009". Während die Beklagte in ihrem Bescheid vom 1.11.2007 die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 1.12.2003 wegen einer verspäteten Antragstellung vom 6.8.2007 ablehnte, war Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 die Überprüfung der abgelehnten Befreiung erst für die Zeit ab dem 1.1.2007. Entgegen der Formulierung im Eingangssatz zum Widerspruchsbescheid vom 3.3.2009 "hat Ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 1.1.2007 geprüft und beschlossen" erging der Widerspruchsbescheid auf den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.1.2008. Nur dieser Bescheid enthält eine Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht in seiner Tätigkeit für die H. aG ab dem 1.1.2007. Der Widerspruchsbescheid vom 3.3.2009 nennt das falsche Datum des Ausgangsbescheides "01.11.2007" statt "25.1.2008". Diesen offensichtlichen Schreibfehler hat der Kläger in seiner Klage zum SG Altenburg übernommen. Wie auch die Klagebegründung im Schriftsatz vom 11.8.2009 zeigt, begehrte der Kläger eindeutig allein die Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 1.1.2007 und damit die Aufhebung des Bescheides vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009. Mit seinem erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Verpflichtungsantrag hat der Kläger den Klageantrag zulässig erweitert nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 99 RdNr 4).
Der Kläger begehrt nur noch eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 30.6.2009. Nach der Feststellung der Versicherungsfreiheit des Klägers in der Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2008 mit Bescheid der Beklagten vom 11.4.2012 hat sich der Bescheid vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 für diesen Zeitraum erledigt.
II. Weiterer Prüfungsinhalt ist der alle früheren Bescheide über die Festsetzung von Rentenversicherungsbeiträgen für die streitigen Zeiträume ersetzende Bescheid der Beklagten vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014. Entgegen dem Hinweis der Beklagten, der Bescheid würde nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens, ist der Regelungsgegenstand nicht identisch mit dem Inhalt des zunächst allein mit der Klage angegriffenen Bescheides vom 25.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2009 über die Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es aber nicht aus, dass diese Bescheide im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand eines anhängigen Prozesses gemacht werden, wenn sich die übrigen Beteiligten - wie hier - in der mündlichen Verhandlung darauf eingelassen haben (vgl BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5, RdNr 35 und vom 20.3.1996 - 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f).
Nach Aussetzung des Verfahrens vor dem SG wurde das noch fehlende Widerspruchsverfahren nachgeholt. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.7.2007, soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 11.4.2012 und vom 14.11.2013 abgeholfen worden ist, zurückgewiesen. Damit liegen alle, auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen vor.
B. Für die von den Vorinstanzen ausgeurteilten Zeiten vom 1.6.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 kommt ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als sog arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI (idF von Art 2 Nr 2 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl I 2) grundsätzlich in Betracht. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Personen, die nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllen. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 6 Abs 4 SGB VI idF von Art 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261).
I. Als einzige tatbestandsmäßige Voraussetzung von § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI ist die Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI durch die entsprechenden Regelungen in den Bescheiden vom 16.7.2007 aufgrund ihrer Tatbestandswirkungen im Verhältnis der Beteiligten und für die Gerichte verbindlich geklärt. Eine weitere Prüfung ist damit weder zulässig noch erforderlich. Der Streit der Beteiligten betrifft folgerichtig allein die Rechtsfolge des § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI und dort die Frage nach dem Beginn des für eine Befreiung äußerstenfalls in Betracht kommenden Zeitraums. Der Normwortlaut der Nr 1 "für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt", gibt entgegen der Auffassung des LSG weder Anlass, auch insofern den Eintritt von Versicherungspflicht zu verlangen, noch rechtfertigt er entgegen der Revision ein Verständnis, demzufolge bereits die bloße Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit genügen könnte.
1. Generell ergibt sich Versicherungspflicht erst aus der Zusammenschau einer Mehrheit normativer Anordnungen und kann erst dann bejaht werden, wenn neben den Voraussetzungen eines die Versicherungspflicht anordnenden Grundtatbestandes nicht gleichzeitig gesetzliche Tatbestands- oder Rechtsfolgenreduktionen eingreifen, Regelungen zur Versicherungsfreiheit einschlägig sind, oder eine im Einzelfall vorrangige Befreiung zu beachten ist. Eine derartige vom Grundtatbestand des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI ausgehende - hiermit aber nicht endende - umfassende Prüfung der Versicherungspflicht erfordert § 6 Abs 1a S 1 SGB VI lediglich als tatbestandsmäßige Voraussetzung eines Befreiungsanspruchs ("Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind …"). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm (vgl bereits BSGE 95, 238, 243 = SozR 4-2600 § 2 Nr 5, RdNr 22) und daraus, dass rechtlich und sprachlogisch eine "Befreiung" nur beim Bestehen von Versicherungspflicht in Betracht kommen kann (so auch die stRspr des BSG, etwa Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 5 RdNr 16 und BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 12/90 - Juris RdNr 16). Dagegen nimmt das Gesetz für den Beginn des Dreijahreszeitraums auf der Rechtsfolgenseite lediglich die "Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9" in Bezug, verweist also auf die tatbestandlichen Voraussetzungen allein dieser Norm und fordert weder eine darüber hinausgehende "Versicherungspflicht" noch lässt es bereits die bloße Aufnahme einer von dieser Norm nicht erfassten selbstständigen Tätigkeit genügen.
2. Dass der Kläger versicherungspflichtig nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI ist, ist durch die entsprechenden Regelungen in den Bescheiden vom 16.7.2007 aufgrund ihrer Tatbestandswirkungen im Verhältnis der Beteiligten und für die Gerichte verbindlich geklärt. Der Kläger hat gegen die Feststellung der Versicherungspflicht ab dem 1.7.2006 keinen Widerspruch erhoben. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers in seinem Widerspruch vom 6.8.2007. Für den Inhalt eines Antrages ist maßgebend, wie ihn die Behörde unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat (vgl BSG Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7 RdNr 34). Der Kläger führte in seinem Schreiben aus, er widerspreche dem "Bescheid zur Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge" und bitte "um nochmalige Prüfung des Zeitpunktes der Zahlungspflicht". Über diesen Widerspruch, gerichtet gegen die Beitragsfestsetzung, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 entschieden. Der im Widerspruch vom 6.8.2007 enthaltene weitere Vortrag enthält kein Rechtsschutzgesuch in Form eines Widerspruchs, sondern einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Deren weitere Prüfung ist damit weder zulässig noch erforderlich.
II. Die Zeiträume für eine Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht vom 1.6.2007 bis 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 lagen noch innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllt (dazu 1.). Aufgrund der Feststellungen des LSG vermag der Senat jedoch nicht abschließend zu beurteilen, ob - wie vom LSG entschieden - im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Befreiungsantrag des Klägers bereits mit Datum vom 1.6.2007 anzunehmen oder ein solcher erst später gestellt worden ist (dazu 2.).
1. Der Dreijahreszeitraum einer möglichen Befreiung beginnt vorliegend mit der Erfüllung auch der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 2 S 1 Nr 9a SGB VI "… im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen …" am 1.7.2006 und endet am 30.6.2009 (§ 187 Abs 2 S 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB iVm § 26 Abs 1 SGB X). Innerhalb dieses Zeitraums kann der Kläger für Zeiten einer gleichzeitigen Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI und damit für die beiden vorliegend streitigen Zeiträume ungeachtet des Umstandes befreit werden, dass beide einen mehrjährigen Abstand zur erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter aufweisen. Der Begriff der "Existenzgründungsphase", auf den sich die Beklagte unter Bezugnahme auf die Materialien beruft, ist vorliegend nur insofern einschlägig, als er in § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI eine normative Ausgestaltung gefunden hat und bestimmt nicht etwa umgekehrt den Regelungsgehalt dieser Norm. Ein weiterer Befreiungszeitraum nach § 6 Abs 1a S 2 SGB VI kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die selbstständige Tätigkeit des Klägers ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG mit dem bloßen Wechsel zu einem anderen Auftraggeber am 1.1.2007 keine relevante Änderung des Geschäftszwecks erfahren hat und es sich damit nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in S 4 aaO nicht um eine "2. selbständige Tätigkeit" handelt.
a) Schon die Gesetzesbindung der Verwaltung und der Gerichte verbietet es, den Befreiungszeitraum statt "mit der erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt," bereits mit der erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beginnen und den erläuternden Relativsatz unberücksichtigt zu lassen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit Personen, die nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, für einen Zeitraum von drei Jahren "nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllt".
Wäre der maßgebliche Beginn des Befreiungszeitraums von drei Jahren die erstmalige Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als solcher, dh hier der Beginn der Tätigkeit des Klägers zur Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen der A. AG am 1.12.2003, hätte als Gesetzeswortlaut "nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit" als abschließende Formulierung genügt. Der Gesetzgeber hat jedoch einen Relativsatz angefügt und an die erstmalige Aufnahme nur einer solchen selbstständigen Tätigkeit angeknüpft, "die die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllt". Damit wird - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - im Wortlaut unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der mögliche Befreiungszeitraum erst beginnt, wenn der (Grund-)Tatbestand der Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI vollständig erfüllt ist.
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass auch der Zeitraum "von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit," für den nach § 165 Abs 1 S 2 SGB VI grundsätzlich ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vH der Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen anzusetzen sind, nicht den Eintritt von Versicherungspflicht aufgrund der in Frage stehenden selbstständigen Tätigkeit voraussetzt (BSG Urteil vom 10.12.1998 - B 12 RJ 2/98 R - SozR 3-2600 § 165 Nr 1 RdNr 15). Indessen ergibt sich auch aus dieser Entscheidung nicht etwa, dass der Drei-Jahres-Zeitraum des § 165 Abs 1 S 2 SGB VI ausgehend von einer Tätigkeit hätte bestimmt werden können, die nicht den Grundtatbestand der Versicherungspflicht (dort: § 1 Abs 1 S 1 des Handwerkerversicherungsgesetzes in der bis 31.12.1991 geltenden Fassung) erfüllte. Insofern ergibt sich kein Unterschied zur vorliegenden Fragestellung.
b) Die Gesetzesmaterialien geben keinen durchgreifenden Hinweis auf ein anderes Verständnis der hier in Frage stehenden Regelung. Nach dem Gesetzentwurf soll § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI eine vorübergehende Befreiung in der "Existenzgründungsphase" ermöglichen und es dem Selbstständigen ermöglichen, seine finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/1855, S 9). Die Materialien gehen dabei von der Annahme aus, dass der Existenzgründer bereits mit der Aufnahme seiner Tätigkeit versicherungspflichtig nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI ist. Dies ist - wie der Sachverhalt vorliegend zeigt - jedoch nicht zwingend der Fall. Deshalb ist auch in dem Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeführt, der Beginn des Dreijahreszeitraums richte sich nach der erstmaligen Erfüllung der Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/1855, S 9).
Der Beklagten ist ebenfalls zuzugestehen, dass auch die weitere Gesetzesbegründung, wonach das Befreiungsrecht für die Übergangszeit auch Personen zustehen sollte, die sich bereits vor dem 1.1.1999, dh vor Inkrafttreten der Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, selbstständig gemacht haben, dies allerdings nur "soweit der Dreijahreszeitraum nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht überschritten ist" (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/1855, S 9), mit dem Erfordernis einer Versicherungspflicht am Beginn des Befreiungszeitraums kaum vereinbar wäre. Auch wenn eine Versicherungspflicht vor dem (rückwirkenden) Inkrafttreten von § 2 S 1 Nr 9 SGB VI (idF von Art 2 Nr 1 Buchst a des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl I 2) nicht begründet werden konnte, lässt sich jedoch auch eine vor dem 1.1.1999 ausgeübte Tätigkeit ohne Weiteres unter das Tatbestandsmerkmal "Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt" subsumieren.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs 1a S 3 SGB VI (idF von Art 4 Nr 4 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621).
Hiernach gilt Folgendes: Tritt nach Ende einer Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI eine Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI ein, wird die Zeit, in der die dort genannten Merkmale bereits vor dem Eintritt der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift vorgelegen haben, auf den in S 1 Nr 1 genannten Zeitraum nicht angerechnet. Nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI (idF von Art 4 Nr 1 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4622, aufgehoben mWv 1.4.2012 durch Art 9 Nr 1 Buchst a Doppelbuchst bb Gesetz vom 20.12.2011, BGBl I 2854) waren Personen für die Dauer des Bezugs eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III versicherungspflichtig. Nach § 2 S 1 Nr 1 bis 9 SGB VI war nicht versicherungspflichtig, wer in dieser Tätigkeit nach S 1 Nr 10 versicherungspflichtig war (§ 2 S 2 SGB VI idF von Art 4 Nr 1 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4622). Die frühere Regelung in § 2 S 2 SGB VI, wonach die Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI der Versicherungspflicht nach den Tatbeständen des § 2 S 1 Nr 1 bis 9 SGB VI vorging, war deshalb erforderlich, weil eine Tätigkeit zugleich sowohl die Merkmale von § 2 S 1 Nr 10 SGB VI als auch die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllen konnte. § 6 Abs 1a S 3 SGB VI sollte deshalb Existenzgründern einer "Ich-AG", die aufgrund des Bezugs des Existenzgründungszuschusses versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung waren, nach Fortfall dieser Versicherungspflicht das Befreiungsrecht nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI auch dann in vollem Umfang erhalten, wenn der Existenzgründer schon während der Zeit, in der für ihn Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI bestanden hat, "die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllt hat" (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/26, S 27). Dass auch in derartigen Fällen Versicherungspflicht auf der Grundlage von § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bereits am Beginn des Befreiungszeitraums bestanden haben kann, ergibt sich bei dieser Sachlage ohne Weiteres schon deshalb, weil S 3 tatbestandsmäßig gerade eine zeitliche Aufeinanderfolge der in Frage stehenden Versicherungspflichten voraussetzt. Wohl aber begegnet eine zeitliche Parallelität von Umständen, die die Voraussetzungen von § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllen und einer Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI aF keinen rechtlichen Hindernissen. Auch die Sonderregelung in § 6 Abs 1a S 3 SGB VI bildet damit die unterschiedlichen Anknüpfungssachverhalte des § 6 Abs 1a S 1 SGB VI - Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI einerseits und Erfüllung der Voraussetzungen dieser Norm andererseits - gerade exakt ab und konfundiert sie nicht etwa.
d) Ein anderes Ergebnis folgt schließlich entgegen der Argumentation der Beklagten auch nicht daraus, dass selbstständig Tätige, die - wie der Kläger - erst Jahre nach Beginn ihrer Selbstständigkeit versicherungspflichtig nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI werden, die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI für diesen späten Zeitraum beanspruchen können, obwohl sie sich nicht mehr in der besonderen Situation der "eigentlichen Existenzgründungsphase" befinden, sodass weder Mehrfachversicherungen (neben einer daneben noch bestehenden Versicherungspflicht wegen Beschäftigung) noch wirtschaftliche Schwierigkeiten während der Existenzgründungsphase bestehen können.
Der Gesetzgeber hat jedoch darauf verzichtet, für den konkreten Zusammenhang einen Rechtsbegriff der Existenzgründungsphase in einem von der Beklagten bevorzugten weiten Sinn auszugestalten. Ebenso fehlt es an einem allgemeinen Rechtsbegriff der Existenzgründungsphase. Soweit die sog Materialien das Befreiungsrecht der nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI Versicherungspflichtigen dennoch hiermit in Zusammenhang bringen, kann es folglich nicht um eine Existenzgründungsphase in Bezug auf die Aufnahme einer beliebigen, rechtlich irrelevanten, selbstständigen Tätigkeit, sondern einzig um die Anfangsphase einer tatbestandlich gerade § 2 S 1 Nr 9 SGB VI unterfallenden Tätigkeit gehen. Allein ein derartiges Verständnis trägt - wie dargelegt - dem Wortlaut von § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB VI wie dessen Funktion gerade im Blick auf eine auf § 2 S 1 Nr 9 SGB VI gründende Versicherungspflicht Rechnung. Im Ergebnis muss folglich genügen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht in Fällen der vorliegenden Art den von dieser Norm Erfassten vorübergehend gerade in Bezug auf diese Tätigkeit Gestaltungs- und Vorsorgefreiheit belässt und ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gleichzeitig erforderlich, dass - zumindest typisierend - Probleme des Übergangs von einer abhängigen Beschäftigung zu einer selbstständigen Tätigkeit behoben werden. Erst recht kommt es nicht auf eine individuelle Schutzbedürftigkeit der Betroffenen an. Wird diese schon von § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht vorausgesetzt, weil sie allein auf der Erfüllung des formalen gesetzlichen Tatbestandes beruht, in dem nach Auffassung des Gesetzgebers die soziale Schutzbedürftigkeit typisierend verkörpert ist (BSG Urteil vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 23), kann es auf die konkrete Situation auch nicht zur Begründung des Befreiungstatbestandes ankommen.
2. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, wann der Kläger den für den konkreten Beginn der Befreiung maßgeblichen Antrag (§ 6 Abs 4 S 1 SGB VI) gestellt hat bzw rechtlich so zu behandeln ist, als habe er einen wirksamen Antrag gestellt. Insbesondere fehlt es im Zusammenhang eines grundsätzlich auch hier in Betracht kommenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs an weiteren Feststellungen zum Inhalt des Telefonats vom 1.6.2007 und dessen näheren Umständen. Abhängig vom Ergebnis der weiteren Sachaufklärung kämen mehrere weitere Zeitpunkte einer - von der Beklagten offen gelassenen - Antragstellung in Betracht.
a) Der Senat kann anhand der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hier erfüllt sind. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert zunächst das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1, RdNr 37 mwN; BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, RdNr 25; BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2 RdNr 28).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (stRspr vgl Senatsurteil vom 5.4.2000 - B 5 RJ 50/98 R - SozR 3-1200 § 14 Nr 29, S 95 mwN; BSG Urteil vom 17.8.2000 - B 13 RJ 87/98 R). Demgemäß ist ein Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung des BSG bejaht worden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Vorliegen einer Pflichtverletzung, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen muss, (2) Eintritt eines rechtlichen Schadens beim Berechtigten, (3) Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt und (4) Möglichkeit der Herstellung des Zustands, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (stRspr - vgl mwN BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2, RdNr 21).
Zwar ist es zur Annahme einer fehlerhaften Verletzung der Auskunfts- und Beratungspflicht ausreichend, dass überhaupt nicht auf einen erkennbaren Beratungsbedarf eingegangen und der Hinweis unterlassen wurde, dass auch etwas unternommen werden müsse (vgl BSG aaO RdNr 26). Entsprechende Feststellungen des LSG dazu jedoch fehlen. Zum Inhalt des Telefonats am 1.6.2007 stellte das LSG lediglich fest, der Kläger habe mitgeteilt, er habe vom 1.12.2003 bis 31.12.2006 einen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Weitere Feststellungen zum Inhalt dieses Telefonats fehlen. Diese wären aber insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass der Kläger mit dem Hinweis auf die Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers Umstände vortrug, die die Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI bereits ausschlossen. Auch wurde das Telefonat zu einem Zeitpunkt geführt, zu dem die Prüfung einer Versicherungspflicht ab 1.12.2003 durch die Beklagte noch nicht abgeschlossen war. Nur kurz zuvor hatte diese mit Schreiben an den Kläger vom 25.5.2007 um weitere Angaben für die Erteilung des Bescheides über die Versicherungspflicht gebeten. Ob auch vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt des Telefongesprächs am 1.6.2007 bereits ein Beratungsbedürfnis des Klägers bestand, lässt sich ohne entsprechende weitere Feststellungen des LSG nicht bestimmen.
b) Sollte das LSG nach näheren Feststellungen zum Inhalt des Telefonats am 1.6.2007 zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht gegeben sind, wird es im weiteren zu prüfen haben, ob ggf ein entsprechender Befreiungsantrag erstmals im Widerspruch vom 6.8.2007 oder erst im Widerspruch vom 20.11.2007 formuliert wurde. Die Beklagte selbst hat den maßgeblichen Zeitpunkt des Befreiungsantrags im Übrigen offen gelassen, indem sie mit Bescheid vom 25.1.2008 den "Antrag vom 06.08.2007 in Verbindung mit 20.11.2007" ablehnte.
C. Nachdem der Senat auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen kann, ab welchem Zeitpunkt eine von der Beklagten zu erteilende Befreiung wirkt (§ 6 Abs 4 SGB VI), kann auch nicht entschieden werden, ob und ggf für welche Zeiträume der Kläger Beiträge nach §§ 173, 169 Nr 1 SGB VI zu tragen und zu zahlen hat.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.