Entscheidungsdatum: 11.05.2011
Das vereinfachte Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 S 1 SGG ist auf die Zurückweisung der Berufung beschränkt.
Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung gewähren muss. Während des Berufungsverfahrens erkannte die Beklagte diesen Rentenanspruch ab dem 1.1.2007 an; der Kläger lehnte das Teilanerkenntnis jedoch ab. Daraufhin hat das LSG die angefochtenen Bescheide sowie das klageabweisende Urteil des SG Berlin vom 16.3.2007 ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab dem 1.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 22.12.2010). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 153 Abs 4 Satz 1 SGG geltend gemacht.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Der Kläger hat ordnungsgemäß dargetan, dass das LSG gegen § 153 Abs 4 Satz 1 SGG verstoßen habe und das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das Landessozialgericht, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Denn das LSG hat der Berufung teilweise stattgegeben und sie nur teilweise zurückgewiesen. Von dem Erfordernis der vollständigen Berufungszurückweisung konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil das LSG der Berufung ohne jede rechtliche und tatsächliche Prüfung "dem Anerkenntnis gemäß“ stattgeben musste (vgl dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl 2010, § 132 IV RdNr 55; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 307 RdNr 10). Denn § 307 Satz 1 ZPO, der im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 202 SGG entsprechend anzuwenden ist (Senatsurteil vom 22.9.1977 - 5 RKn 18/76 - BSG SozR 1750 § 307 Nr 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 68. Aufl 2010, § 307 RdNr 3; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap VII RdNr 181; kritisch Behn, JZ 1979, 200 ), erlaubt nur eine Entscheidung durch (Anerkenntnis-)Urteil ("ist … zu verurteilen") und nicht durch Beschluss. Die Vorgehensweise des LSG lässt sich schließlich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass der Kläger durch die normwidrige Teilstattgabe nicht beschwert sei, weil der angefochtene Beschluss insofern nicht hinter dem zurückbleibt, was er im Berufungsverfahren begehrt und beantragt hatte. Denn die einheitliche Entscheidung durch Beschluss lässt sich nicht in eine gesetzeskonforme Berufungszurückweisung und eine rechtswidrige Teilstattgabe aufspalten. Vielmehr "infiziert" die vorschriftswidrige Teilstattgabe den gesamten Beschluss.
Es ist unwiderleglich zu vermuten, dass die angegriffene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht. Mit seiner Rüge der Verletzung des § 153 Abs 4 Satz 1 SGG hat der Kläger zugleich ausdrücklich beanstandet, das LSG habe seine Entscheidung lediglich mit den Berufsrichtern und nicht in der Besetzung mit den ehrenamtlichen Richtern getroffen, wie dies § 33 SGG vorsehe. Diese Rüge ist begründet. Damit liegt hier der absolute Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO (unvorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts) vor, sodass die Entscheidung ohne weiteres "als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen" ist.
Nach § 160a Abs 5 SGG kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.
Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.