Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 02.04.2014


BSG 02.04.2014 - B 4 AS 17/14 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - nicht ausreichende Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - fehlende Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - angemessene Unterkunftskosten - abstrakte Angemessenheit - Vergleichsmiete - Bruttokaltmiete


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
02.04.2014
Aktenzeichen:
B 4 AS 17/14 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Duisburg, 28. Dezember 2012, Az: S 26 AS 2041/12, Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. November 2013, Az: L 7 AS 1121/13, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig ist die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II im Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2012. Nach einem Kostensenkungsverfahren betreffend den vorangegangenen Bewilligungszeitraum, über den das LSG ebenfalls durch Urteil vom 28.11.2013 (L 7 AS 1122/13) entschieden hat (die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ist durch Beschluss des BSG vom 2.4.2014 zum Aktenzeichen B 4 AS 18/14 B als unbegründet zurückgewiesen worden), bewilligte der Beklagte der Klägerin für den hier streitigen Zeitraum weiterhin abgesenkte Unterkunftsleistungen kopfteilig in Höhe von zunächst 200 Euro monatlich und ab dem 1.5.2012 in Höhe von 208,45 Euro. Das SG hat den Beklagten verurteilt, auch für den Monat April 2012 8,45 Euro höhere Leistungen für Unterkunft zu erbringen und im Übrigen die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.12.2012). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat das LSG die Berufung der Klägerin hiergegen zugelassen und den Beklagten sodann unter Änderung des Gerichtsbescheides des SG verurteilt, im streitigen Zeitraum insgesamt weitere Unterkunftsleistungen in Höhe von 370,21 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.11.2013). Das Berufungsgericht ist dabei ua davon ausgegangen, dass der von dem Beklagten ermittelte Grundpreis von 4,61 Euro pro qm angemessen sei. Er basiere auf einem schlüssigen Konzept in der Gestalt des Essener Mietspiegels 2011. Es mangele jedoch an Feststellungen zur Bemessung der kalten Betriebskosten. Der Beklagte habe insoweit auf die zutreffend ermittelte Grundmiete und die tatsächlichen Betriebskosten abgestellt, um die abstrakte Referenzmiete zu bestimmen. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG. Die Vergleichsmiete sei danach die Bruttokaltmiete. Da der Beklagte diesbezüglich keine Erhebungen durchgeführt habe, sei zur Bemessung der kalten Betriebskosten auf örtliche Betriebskostenübersichten abzustellen. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

2

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde an das BSG und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unbegründet.

4

1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegt nicht vor.

5

Der Beklagte hat die Rechtsfrage gestellt:



"Ob die Vergleichsmiete zwingend eine Bruttokaltmiete sein muss, oder ob auch alternativ das Abstellen auf die Nettokaltmiete zulässig ist, zumindest dann, wenn zuzüglich zur Nettokaltmiete in der Regel die tatsächlichen Betriebskosten übernommen werden, soweit diese sich vor dem Hintergrund einer an einem (regionalen) Betriebskostenspiegel orientierten Nichtprüfungsgrenze nicht als verschwenderisch und damit als unangemessen darstellen."

6

Es mangelt hier an einer grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage. Obwohl der Beklagte sich ua mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 10.9.2013 auseinandersetzt, zitiert er nicht die einschlägigen Passagen, die eine klare und eindeutige Antwort auf die aufgeworfene und von ihm als klärungsbedürftig befundene Frage geben. So hat der 4. Senat des BSG in der "München-Entscheidung" vom 10.9.2013 unter RdNr 31 (B 4 AS 77/12 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 70) ausgeführt: "Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt." Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des 14. Senats vom 19.10.2010 (B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f). Zugleich grenzt er sich von seiner eigenen vom 22.9.2009 (B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23) zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis ab und führt zur Begründung für die Heranziehung der Bruttokaltvergleichsmiete aus, dass dieses Vorgehen den Leistungsberechtigten die Möglichkeit gewährleiste, innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Dabei sei es nicht zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der Angemessenheitsgrenze eingeflossen seien. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum komme es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich sei, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet sei. Es gehe vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden. Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorlägen, hatte es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Der erkennende Senat hat unter RdNr 43 der "München-Entscheidung" zudem ausdrücklich auf die Änderung der eigenen Rechtsprechung hingewiesen, indem er ausführt, dass er es noch 2009 offengelassen hatte, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 habe der 14. Senat dann eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren sei (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; siehe auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat sei dem gefolgt und zwar bereits in seiner Entscheidung vom 20.12.2011 (B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34 ).

7

Da der Beklagte sich mit dieser Begründung des 4. Senats nicht auseinandersetzt, gelingt es ihm in seiner sehr ausführlichen Beschwerdebegründung auch nicht, einen erneuten Klärungsbedarf der von ihm aufgeworfenen Frage zu begründen.

8

2. Auch soweit der Beklagte Divergenz zwischen Entscheidungen des BSG und der des LSG rügt, vermag er mit der Beschwerde keine Zulassung der Revision zu bewirken. Der von dem Beklagten herausgearbeitete abstrakte Rechtssatz des LSG lautet, dass für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nicht allein die Nettokaltmiete maßgeblich sei, sondern vielmehr das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard zuzüglich der kalten Betriebskosten. Angesichts der vorangegangenen Ausführungen zu den Entscheidungen vom 4. und 14. Senat des BSG bedarf es keiner weiterer Begründung, dass insoweit keine Abweichung des LSG vorliegt.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.