Entscheidungsdatum: 04.05.2018
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.11.2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist mit seinem Begehren, ihm Kosten in Höhe von 2101,71 Euro zu erstatten bzw ihn von diesen Kosten gegenüber dem Pflegedienst freizustellen, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des LSG vom 30.11.2017). In der Zeit vom 1.1.2015 bis 31.12.2015 erbrachte ein Pflegedienst Leistungen der Häuslichen Krankenpflege für ihn entsprechend einer ärztlichen Verordnung. Hiervon genehmigte und vergütete die Beklagte jedoch lediglich einzelne Leistungen (zweimal täglich Medikamentengabe, zweimal täglich Insulininjektionen, zweimal täglich Anlegen von Kompressionsverbänden) und lehnte darüber hinaus verordnete Leistungen (zweimal täglich Blutzuckermessung und weitere Medikamentengaben insgesamt viermal täglich) ab und ließ diese gegenüber dem Pflegedienst unvergütet. Das LSG hat seine, die Berufung des Klägers zurückweisende Entscheidung damit begründet, dass kein rechtswirksamer Vergütungsanspruch des Pflegedienstes gegenüber dem Kläger bestehe, denn vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Pflegedienst seien nicht ersichtlich.
Mit seiner - näher begründeten - Beschwerde wendet sich der Kläger unter Geltendmachung von grundsätzlicher Bedeutung und Verfahrensfehlern gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil und begehrt dafür die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines anwaltlichen Bevollmächtigten.
II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargetan sind (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit und Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungsfrist zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin einer Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinaus gehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam: |
"I) Besteht hinsichtlich einer Leistungspflicht der Krankenkasse im Rahmen des § 13 Abs 3 SGB V ein Ausschlussgrund, eine Verwirkung oder ein sonstiges dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht, wenn die vom Patienten durch den Pflegedienst erbrachten Leistungen im unverjährten Zeitraum vom Pflegedienst zunächst an die Krankenkasse im Rahmen der vertraglichen Sachleistungsabrechnung gestellt werden, diese jedoch hiervon in Bezug auf die streitgegenständliche Leistung (Blutzuckermessung bei Diabetes) Absetzungen vornimmt?" |
"II) Muss sich das Sozialgericht im Fall einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen einen, eine nach wie vor erforderliche konkrete Leistung der Häuslichen Krankenpflege betreffenden Widerspruchsbescheid, dann nicht mit dem Streitgegenstand des konkreten Leistungserfordernisses befassen, wenn es die Ansicht vertritt, eine rückwirkende Geltendmachung eines Leistungsanspruches nach § 13 Abs 3 SGB V (Kostenfreistellungsanspruch) komme (wohl) nicht in Betracht ?" |
"III) Ist bei Diabetes-Patienten mit schwersten psychischen Störungen (hier: paranoide Schizophrenie mit Essstörungen) eine Blutzuckermessung dann als Sachleistung der Häuslichen Krankenpflege zu genehmigen, wenn in der eigenen Häuslichkeit eine lückenlose Kontrolle der Nahrungsaufnahme bei nicht intensivierter Insulintherapie nicht gewährleistet werden kann und über diesen Sachverhalt fachärztliche Atteste vorliegen ?" |
Bezüglich der unter I) aufgeworfenen Frage legt der Kläger die konkrete Klärungsfähigkeit der Frage im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht hinreichend dar. Es wird aus seinen Ausführungen nicht deutlich, aus welchen Rechtsgründen es darauf ankommen könnte, ob es einem Anspruch aus § 13 Abs 3 SGB V entgegenstehen könnte, wenn der Pflegedienst die von ihm erbrachten Leistungen zunächst der Krankenkasse in Rechnung stellt und diese Absetzungen von der Rechnung vornimmt. Die Entscheidung des LSG beruht nicht darauf, dass der Pflegedienst die erbrachten Leistungen der Krankenkasse in Rechnung gestellt hat, sondern darauf, dass es nach Auffassung des Berufungsgerichts an einer wirksamen Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Pflegedienst mangelt.
Zwar führt der Kläger im Weiteren aus, eine Rechnungslegung an ihn stelle eine reine Formalie dar, da er erkennbar vollständig vermögenslos sei und von Leistungen des SGB XII lebe. Zudem belaste ihn eine Rechnungslegung psychologisch in einer nicht hinnehmbaren Weise, was ärztlich bestätigt worden sei. Selbst wenn die Rechtsfrage vor diesem Hintergrund so zu verstehen sein sollte, dass zu klären sei, ob auch unter diesen Bedingungen eine Rechnungslegung an den Kläger erforderlich wäre, fehlt es an hinreichenden Darlegungen. Denn der geltend gemachte Kostenerstattungs- bzw Kostenfreistellungsanspruch scheiterte nach dem Urteil des LSG nicht erst an einer konkreten Rechnung des Pflegedienstes an den Kläger, sondern bereits an einer wirksamen Zahlungsverpflichtung, da schon da keine vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Pflegedienst ersichtlich seien. Darüber hinaus fehlt es in diesem Zusammenhang an der hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht dem Versicherten kein Erstattungs- oder Freistellungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V zu, wenn er für eine Leistung weder etwas bezahlt hat noch etwas schuldet, weil kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers entstanden ist (vgl stRspr, zB BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14 S 68 f mwN sowie zuletzt BSG Beschluss vom 15.3.2018 - B 3 KR 41/17 B - Juris RdNr 11).
Bezüglich der unter II) gestellten Rechtsfrage macht der Kläger gleichzeitig auch einen Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend. Diesbezüglich werden jedoch weder die grundsätzliche Bedeutung noch ein Verfahrensfehler hinreichend dargelegt. Mit der Revision wird - wenn sie zugelassen und erhoben würde - das Urteil des LSG angefochten. Deshalb können mit der Verfahrensrüge grundsätzlich nur Mängel im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Nur ausnahmsweise kann auch ein Verfahrensmangel die Zulassung rechtfertigen, der dem SG unterlaufen ist, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 16a mwN). Hierzu fehlt es an Darlegungen, aus welchem Grund die unter II ) gestellte Rechtsfrage auch im Berufungsverfahren noch von Bedeutung gewesen sein könnte bzw ob ein diesbezüglich ggf vorliegender Mangel im Berufungsverfahren fortgewirkt haben könnte.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist dieser Frage nicht zu entnehmen, denn insoweit ist die enthaltene Prämisse, das SG (respektive das LSG) habe sich mit dem Streitgegenstand des konkreten Leistungserfordernisses nicht befasst, nicht hinreichend dargelegt. Ist ein Gericht der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch scheitere an einer von mehreren Voraussetzungen, hat es über den Streitgegenstand umfassend entschieden; Ausführungen zu den übrigen Voraussetzungen bedarf es dann nicht mehr. Eine grundsätzliche Bedeutung kann dem nicht entnommen werden.
Bezüglich der Frage III) fehlt es ebenfalls an der hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit, denn nach Auffassung des Berufungsgerichts mangelt es für den geltend gemachten Anspruch bereits an einer wirksamen Zahlungsverpflichtung des Klägers, sodass es auf die unter III) gestellte Frage nicht mehr ankommen kann.
b) Soweit der Kläger darüber hinaus als Verfahrensfehler rügt, das Berufungsgericht habe zu verschiedenen Fragestellungen medizinische Sachverständigengutachten einholen müssen, fehlt es ebenfalls aus den genannten Gründen an hinreichenden Darlegungen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - an die das Revisionsgericht im Falle einer Revision gebunden ist - gab es zwischen dem Kläger und dem Pflegedienst keine vertraglichen Vereinbarungen, aus denen eine wirksame Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Pflegedienst hervorgehen könnte. Insoweit werden auch keine Verfahrensfehler gerügt. Dem Kläger war - ebenso wie dem Pflegedienst selbst - mindestens mit Erhalt des Bescheides vom 26.3.2015 bekannt, dass die Beklagte nicht alle ärztlich verordneten Leistungen der Häuslichen Krankenpflege übernehmen würde. Wenn er dennoch weiterhin die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege durch den Pflegedienst in Anspruch nehmen wollte, hätte er ggf Rechte aus § 13 Abs 3a SGB V oder die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes in Anspruch nehmen können, insbesondere wenn er die Leistungen nicht aus eigenen Mitteln vorfinanzieren konnte. Kosten können jedoch grundsätzlich nur erstattet werden, soweit sie entstanden sind und von Kosten kann nur freigestellt werden, wer einem Zahlungsanspruch ausgesetzt ist.
3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
4. Nach den Erwägungen unter 1. kann dem Kläger auch keine PKH unter Beiordnung seines anwaltlichen Bevollmächtigten gewährt werden. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO erhält ein bedürftiger Beteiligter, der die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend kann offenbleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes ganz oder teilweise selbst aufzubringen. PKH kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil seine bereits durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten erhobene und im Einzelnen begründete Nichtzulassungsbeschwerde, für die PKH begehrt wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.