Entscheidungsdatum: 10.06.2010
Bei der Berechnung des Streitwerts sind über die umstrittene Beitragsforderung hinaus Säumniszuschläge werterhöhend zu berücksichtigen. Die Befugnis zur Änderung des von den Vorinstanzen festgesetzten Streitwerts besteht auch, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet. Da der Beschluss kurz begründet werden soll, jedoch von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG), beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde auf den Zulassungsgrund der Abweichung. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).
Diese Voraussetzungen sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Insbesondere mangelt es an der Formulierung eines Rechtssatzes, der der Entscheidung des LSG entnommen wurde und der einem entsprechenden Rechtssatz in der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BSG vom 16. Dezember 1999 (- B 14 KG 1/99 R - BSGE 85, 240 = SozR 3-5870 § 1 Nr 17) gegenübergestellt wird. Die Aussage, das LSG habe eine Entsendung nach deutschem und ungarischen Recht geprüft und sei zu einem bestimmten Ergebnis gelangt, genügt den aufgezeigten Begründungserfordernissen nicht. Eine Abweichung im Grundsätzlichen wird von der Klägerin damit nicht aufgezeigt.
Des Weiteren rügt die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert zunächst die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 65 und 66; P. Becker, SGb 2007, 261, 266). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hinsichtlich keiner der der Beschwerdebegründung der Klägerin zu entnehmenden Fragen gerecht.
Hinsichtlich der Frage
"wie Verwaltungsakte ausländischer Sozialversicherungsträger zu behandeln sind, wenn deren Rechtsordnung andere Vorschriften aufweist, als diese nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen sind",
wird schon nicht aufgezeigt, welche Rechtsgrundsätze es zur Berücksichtigung von Verwaltungsakten ausländischer Träger gibt und in wie weit diese angesichts des vorliegenden Verfahrens einer weiteren Ausgestaltung und Fortentwicklung bedürfen.
Auch hinsichtlich der zweiten Frage,
"der Beurteilung der Verwaltungsakte ausländischer Träger vor dem Hintergrund, dass sich Ungarn beginnend mit dem Kalenderjahr 2000 in der 2. Phase des Beitritts zur Europäischen Union befunden hat",
mangelt es an den schon genannten grundsätzlichen Ausführungen.
Hinsichtlich der dritten Frage,
"ob die Regierungsvereinbarung vom 03. Januar 1989 über die Entsendung ungarischer Arbeitnehmer auf Basis von Werkverträgen in die Bundesrepublik Deutschland eine Vereinbarung im Sinne von § 6 SGB IV darstellt, die als internationale Vereinbarung den nationalen Regelungen vorgeht",
ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, ob es sich bei dieser Regierungsvereinbarung noch um heute anwendbares oder aufgrund des - nach ihrem Vortrag - am 1.4.2000 in Kraft getretenen Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und Ungarn ausgelaufenes Recht handelt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist jedoch in der Regel nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betrifft (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 61; P. Becker, SGb 2007, 261, 266, jeweils mwN). Auch hierzu mangelt es an einem entsprechenden Vorbringen der Klägerin.
Im Übrigen ist - ohne konkreten Bezug zur Entscheidung des LSG - allgemein darauf hinzuweisen, dass eine mögliche fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfrage führt.
Eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör ist als Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht dargetan. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG soll der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besondern Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f).
Derartige besondere Umstände hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Sie hat nur ausgeführt, dass das LSG das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 6.12.1995 in seiner Entscheidung nicht gewürdigt habe. Dies bedeutet jedoch, wie ausgeführt, nicht zwangsläufig, dass das LSG das Schreiben nicht zur Kenntnis genommen und nicht in seine Erwägungen miteinbezogen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Streitwert ist auf 179.177,31 Euro (€) festzusetzen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach § 52 Abs 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG).
Der Antrag der Klägerin zielt ab auf die Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG, mit dem ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen wurde. Vor dem SG und dem LSG hat die Klägerin beantragt, folgende Bescheide der Beklagten aufzuheben: Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid vom 11.12.2001, die Beitragsbescheide vom 17.12.2002 für 1997 über 86.871,34 €, 18.12.2003 für 1998 über 17.112,10 €, 29.11.2004 für 1999 über 24.328,67 €, 11.7.2005 für 2000 über 9.621,81 €, für 2001 über 8.097,41 €, für 2002 über 11.474,28 €, für 2003 über 20.928,70 €. Die Gesamtsumme der umstrittenen Beiträge beträgt 178.434,31 €.
Dieser Betrag ist um 743 € auf insgesamt 179.177,31 € zu erhöhen, weil die Klägerin außerdem vor dem SG und dem LSG beantragt hat, die Bescheide über Säumniszuschläge vom 21.1.2005 über 243 € und vom 24.8.2005 über 500 € aufzuheben. Denn auch insofern zielt der Antrag der Klägerin auf zwei Verwaltungsakte, die auf eine bezifferte Geldleistung iS des § 52 Abs 3 GKG gerichtet sind.
Aus den allgemeinen Wertvorschriften in §§ 39 ff GKG, insbesondere aus § 43 GKG über Nebenforderungen folgt nichts anderes. Der für die Wertberechnung, wenn neben dem Hauptanspruch - hier den Beiträgen - Nebenforderungen betroffen sind, maßgebliche § 43 Abs 1 GKG lautet: "Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt."
Säumniszuschläge für Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehören nicht zu diesen Nebenforderungen. Sie sind keine Früchte oder Nutzungen (vgl dazu nur §§ 99, 100 Bürgerliches Gesetzbuch), aber auch keine Zinsen oder Kosten. Die Säumniszuschläge dienen vielmehr dazu, den Trägern der Sozialversicherung einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu gewähren und auf den Schuldner Druck auszuüben, damit er die Beiträge bezahlt (stRspr vgl nur BSGE 68, 158 = SozR 3-2400 § 24 Nr 1; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 12). Ihre Funktion geht damit über die von Zinsen oder Kosten hinaus. Einer Gleichsetzung steht zudem entgegen, dass die Begriffe Zinsen und Kosten im SGB IV in anderer Weise verwandt werden (vgl zB zu Zinsen § 28e Abs 4 SGB IV, zu Kosten § 76 Abs 2 SGB IV).
Soweit in der Rechtsprechung der LSG vereinzelt eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge angenommen wird (so Sächsisches LSG vom 5.3.2009 - L 1 B 605/07 KR - juris-RdNr 23), kann dem nicht gefolgt werden (Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 19/07 R - SozR 4-2700 § 150 Nr 4; BSG vom 27.1.2010 - B 12 R 7/09 R - RdNr 17; ebenso: LSG Rheinland-Pfalz vom 2.12.2005 - L 2 B 129/05 R - juris-RdNr 23; LSG Baden-Württemberg vom 26.1.2009 - L 10 R 5795/08 W-B - juris-RdNr 6 ff; LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2009 - L 8 B 12/09 R - juris-RdNr 8 ff; jeweils mwN). Denn es mangelt schon an der für eine entsprechende oder analoge Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes (sog "Regelungslücke" - vgl zu den Voraussetzungen einer solchen nur: Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3 jeweils RdNr 25).
Das eine Analogie bejahende Sächsische LSG (aaO) hat keine derartige Regelungslücke benannt, sondern gemeint, der Zweck der Säumniszuschläge, die durch den Zahlungsverzug entstehenden Nachteile (Zinsverlust, Verwaltungsaufwand) auszugleichen, rechtfertige eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge. Dies mag de lege ferenda zutreffend sein, ersetzt aber nicht die für eine Analogie notwendige Regelungslücke im bestehenden Recht. Eine solche ist auch bei genauer Betrachtung des § 43 Abs 1 GKG nicht zu finden, weil die Regelung ebenso wie ihre Vorgängerin nicht unbedingt alle Nebenforderungen umfasst, sondern die oft zeitraubende Berechnung der Nebenforderungen ersparen oder zumindest reduzieren und eine Vereinheitlichung mit § 4 Zivilprozessordnung (ZPO) über die Wertberechnung zur Bestimmung der Zuständigkeit herbeiführen sollte (BT-Drucks 7/2016 S 73 zu Nr 20; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen aaO mwN). Nach der einschlägigen zivilprozessualen Rechtsprechung und Literatur ist die Aufzählung in § 4 Abs 1 Halbs 2 ZPO, der lautet: "Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.", abschließend (vgl nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl 2010, § 4 RdNr 12 ff; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, § 4 RdNr 8 ff; jeweils mwN). Für die Aufzählung in § 43 Abs 1 GKG wird in der Literatur nichts anderes vertreten (Dörndorfer in Binz ua, GKG, 2. Aufl 2009, § 43 RdNr 3; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl 2009, § 43 RdNr 3; Meyer, GKG, 10. Aufl 2008, § 43 RdNr 4).
Dieser Streitwert von 179.177,31 € war nicht nur für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG, sondern auch für die Vorinstanzen festzusetzen. Nach § 63 Abs 3 Satz 1 GKG kann die Festsetzung, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz schwebt, von dem Rechtsmittelgericht geändert werden. Diese Voraussetzungen sind aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des LSG erfüllt.
Aus der Verwerfung der Beschwerde als unzulässig folgt nichts anderes (ebenso schon BGH vom 3.4.1951 - II ZR 31/51, NJW 1952, 66; Dörndorfer in Binz ua, GKG, aaO, § 63 RdNr 10). Der allgemeinen Aussage von Hartmann (Kostengesetze, aaO, § 63 GKG RdNr 49) - "eine Änderung durch das Rechtsmittelgericht ist nicht zulässig, soweit das Rechtsmittel unzulässig ist" - kann nicht gefolgt werden, weil für einen derart allgemeinen Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Änderungsbefugnis kein Ansatz im Gesetzestext zu finden ist, Hartmann selbst keine Begründung gibt und die angeführte Entscheidung (Oberlandesgericht München, JurBüro 1983, 890) eine unzulässige Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG betraf - also ein völlig anderes Rechtsmittel verglichen mit einer Nichtzulassungsbeschwerde.