Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 18.09.2014


BSG 18.09.2014 - B 14 AS 85/14 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Revision - Verfahrensfehler - Entscheidung durch Beschluss über unzulässige Wiederaufnahmeklage


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
18.09.2014
Aktenzeichen:
B 14 AS 85/14 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Frankfurt, 18. November 2011, Az: S 33 AS 1570/08, Urteilvorgehend Hessisches Landessozialgericht, 19. August 2013, Az: L 7 AS 436/13 WA, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

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I. Mit Beschluss vom 19.8.2013 hat das Landessozialgericht (LSG) in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens als unzulässig verworfen. Diesem Beschluss vorausgegangen war auf gerichtlichen Hinweis eine Erklärung der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.10.2012, wonach die zuvor auf die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG eingelegte Berufung "aufgrund falscher Rechtsmittelbelehrung … namens und im Auftrag des Klägers zurück" und sie zugleich Nichtzulassungsbeschwerde erhebe. Auf den Beschluss vom 27.12.2012, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wurde, hat der Kläger mit Schreiben vom 17.6.2013 "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" gestellt und geltend gemacht, die der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegende Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstandes sei fehlerhaft gewesen.

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Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der erkennende Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt L aus O beigeordnet (Beschluss vom 25.3.2014, zugestellt am 1.4.2014). Mit seiner am 1.4.2014 bei Gericht eingegangenen und am 19.5.2014 begründeten Beschwerde beantragt der Kläger nunmehr die Zulassung der Revision.

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II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes eines Verfahrensfehlers nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nicht erfüllt.

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1. In formeller Hinsicht ist allerdings die Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt. Dem Kläger ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung, dass ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG), ist erfüllt. Der wegen Bedürftigkeit an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehinderte Kläger hat innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde PKH beantragt und nach Bewilligung der PKH durch das Gericht die versäumte Beschwerdeeinlegung rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt (§ 67 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 SGG; vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 3, 4). Dem Kläger ist daher auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).

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2. Soweit der Kläger in der Sache vorrangig die Fortführung des Berufungsverfahrens erstrebt und der Auffassung ist, dass über seinen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" in dem entgegen der Auffassung des LSG durch die Erklärung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten nicht beendeten Berufungsverfahren hätte entschieden werden müssen, bezeichnet er damit einen Mangel, der nicht dem hier angefochtenen Beschluss vom 19.8.2013, sondern nur der Behandlung des Berufungsverfahrens als beendet anhaften kann. Ob die Erklärung der Bevollmächtigten vom 17.10.2012 als Berufungsrücknahme zu werten ist oder wegen widersprüchlicher Erklärungen prozessual unbeachtlich war, kann deshalb nur im Rahmen eines Antrags auf Fortführung des Berufungsverfahrens und damit vom LSG geklärt werden.

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3. Soweit der Kläger hilfsweise die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens erstrebt und als Verfahrensfehler die Entscheidung über das Wiederaufnahmebegehren mit Beschluss vom 19.8.2013 durch (nur) drei Berufsrichter als Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) durch die vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG) rügt, wird ein möglicher Verfahrensmangel zwar hinreichend bezeichnet iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, die Rüge ist aber unbegründet. Wie in der Rechtsprechung des BSG zwischenzeitlich geklärt ist, kann das LSG über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage wie über eine unzulässige Berufung durch Beschluss entscheiden.

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Da das Wiederaufnahmeverfahren nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens bezweckt (vgl § 590 Abs 2 Satz 2 ZPO; Heßler/Greger in Zöller, ZPO, Vor § 578 RdNr 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl 2014, Grundz § 578 RdNr 2), entspricht es der gesetzgeberischen Zielrichtung, über einen unzulässigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Berufungsinstanz ebenfalls in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden, wie es § 158 Satz 2 SGG bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eröffnet (vgl BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 6 RdNr 11 ff; ebenso für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 160a SGG, BSG vom 23.4.2014 - B 14 AS 368/13 B - vorgesehen für SozR 4-1500 § 179 Nr 1 RdNr 12 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 158 RdNr 6a; ebenso jetzt: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 158 RdNr 5; BVerwG vom 31.5.1995 - 5 B 176/95 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr 29; im Ergebnis ebenso BGH Beschluss vom 21.10.1994 - V ZR 151/93 - NJW 1995, 335, in dem eine als Antrag auf Wiederaufnahme ausgelegte Nichtigkeitsklage gegen einen Nichtannahmebeschluss abgewiesen wird). Die gegenteilige Auffassung (angedeutet in BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 22; früher ausdrücklich: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 1. Aufl 2009, § 158 RdNr 5), nach der über eine Wiederaufnahmeklage immer durch Urteil zu entscheiden ist, widerspricht dem Gesetzeszweck, aussichtslose Berufungen rasch und ohne besonderen Verfahrensaufwand erledigen zu können.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.