Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 09.04.2014


BSG 09.04.2014 - B 14 AS 46/13 R

Sozialgerichtliches Verfahren - Versäumung der Klagefrist - Widerspruchsbescheid - Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung: Verweis hinsichtlich des Klagefristbeginns auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids trotz Zustellung an den Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
09.04.2014
Aktenzeichen:
B 14 AS 46/13 R
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Dresden, 14. Mai 2012, Az: S 3 AS 3499/10, Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 11. April 2013, Az: L 3 AS 639/12, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 37 SGB 10

Leitsätze

Die Rechtsbehelfsbelehrung eines Widerspruchsbescheids, die für den Beginn der Klagefrist auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids verweist, ist auch dann richtig, wenn der Widerspruchsbescheid zugestellt wird.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. April 2013 - L 3 AS 639/12 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind in der Sache höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für April 2009, formell zunächst die Einhaltung der Klagefrist.

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Die im Jahr 1979 geborene Klägerin bezog seit Januar 2005 von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden: einheitlich Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnt eine ca 49 qm große Wohnung, für die monatlich 248,66 Euro Kaltmiete zuzüglich 120 Euro Betriebs- und Heizkosten zu zahlen sind. Der Beklagte bewilligte ihr ua für April 2009 - nach einer zuvor erfolgten vorläufigen Bewilligung - endgültig monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 308,70 Euro (Bescheide vom 19. und 26.10.2009). Ihr hiergegen eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1.12.2009 zurückgewiesen, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2.12.2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde und dessen Rechtsbehelfsbelehrung auszugsweise lautet: "Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Dresden, Hans-Oster-Str. 4, 01099 Dresden, Klage erhoben werden."

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Die am 4.6.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 14.5.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 11.4.2013) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides gemäß § 87 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versäumt sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides sei nicht unrichtig, da für die Bekanntgabe keine bestimmte Form vorgeschrieben sei, könne diese auch im Wege der Zustellung erfolgen. Soweit die Klägerin sich auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.9.1983 (12 RK 75/82) und vom 15.12.1983 (12 RK 22/82) beziehe, werde verkannt, dass sich die Rechtslage zwischenzeitlich grundlegend geändert habe, dies gelte auch für das Urteil des BSG vom 9.12.2008 (B 8/9b SO 13/07 R). Nach der heutigen Rechtslage umfasse der Begriff "Bekanntgabe" auch eine Zustellung. Wiedereinsetzung in die Klagefrist könne der Klägerin nicht gewährt werden, weil in der Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß belehrt worden sei und sie keinen Hinderungsgrund vorgebracht habe.

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In ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 66 Abs 2 iVm § 85 Abs 3 Satz 3 SGG und macht geltend, die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides sei unrichtig und die Klagefrist würde ein Jahr betragen, weil für den Beginn der Klagefrist über eine Bekanntgabe belehrt werde, obgleich eine Zustellung erfolgt sei. Dies sei missverständlich, die vom LSG angeführte Gesetzesänderung sei insofern nicht wesentlich. Zudem werde auf eine Klageerhebung durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft verwiesen, obwohl § 38 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf das Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2) keine Vollmacht zur Klageerhebung beinhalte. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthalte eine verwirrende Belehrung zum Klageinhalt und zu weiteren Abschriften.

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Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. April 2013 - L 3 AS 639/12 - und des Sozialgerichts Dresden vom 14. Mai 2012 - S 3 AS 3499/10 - aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 19. und 26. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2009 zu verurteilen, ihr für April 2009 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,96 Euro zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen LSG vom 11.4.2013 ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG), weil das LSG zu Recht die Abweisung ihrer Klage als unzulässig wegen Versäumung der Klagefrist durch das SG bestätigt hat.

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Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel, die das Urteil des LSG insgesamt betreffen, liegen nicht vor. Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG war zulässig, insbesondere war sie statthaft, weil in der im Urteil des SG erfolgten Zulassung der Sprungrevision (vgl § 161 SGG) zugleich eine Zulassung der Berufung (vgl § 144 SGG) liegt, da die Gründe für die Zulassung der Sprungrevision auch Gründe für die Zulassung der Berufung sind (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX RdNr 24, VIII RdNr 42; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 2; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 161 RdNr 5; Lüdtke in HK-SGG, 4. Aufl 2012, § 161 RdNr 3).

9

Die Klage ist jedoch zu Recht vom SG wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen worden.

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Voraussetzung für die Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, wie sie vorliegend zutreffender Weise von der Klägerin erhoben wurde (vgl § 54 Abs 1, 4 SGG), ist ua die Wahrung der einmonatigen Klagefrist nach § 87 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGG. Nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGG in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben, nach dessen Abs 2 beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, wenn ein Vorverfahren - wie in diesem Verfahren - stattgefunden hat.

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1. Diese einmonatige Klagefrist hat die Klägerin versäumt.

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Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (vgl § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - <SGB X>) ist die zielgerichtete Mitteilung des Inhalts des Verwaltungsakts durch die Behörde an den Bekanntgabe-Empfänger; auf dessen tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an, es genügt, dass er nach dem normalen Verlauf der Umstände die Möglichkeit hatte, Kenntnis zu nehmen (vgl zuletzt BSG vom 4.9.2013 - B 10 EG 7/12 R, vorgesehen für BSGE und SozR, RdNr 24 ff mwN; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 37 RdNr 3a, 4; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 12/2013, § 37 RdNr 7, 13 f, jeweils mwN). Eine bestimmte Form der Bekanntgabe, insbesondere eines Widerspruchsbescheides, ist nicht vorgeschrieben (vgl § 37 SGB X, § 85 Abs 1 Satz 1 SGG).

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Diese Voraussetzungen für eine Bekanntgabe werden durch die Zustellung (vgl § 65 SGB X, §§ 2 ff Verwaltungszustellungsgesetz <VwZG>) des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2009 an den Bevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 2.12.2009 erfüllt. Die einmonatige Klagefrist lief bis zum 4.1.2010, weil der 2.1.2010 ein Samstag war (§ 64 Abs 2 Satz 1, Abs 3 SGG). Mit der - verspäteten - Klageerhebung erst am 4.6.2010 ist diese Monatsfrist versäumt.

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2. Anstelle dieser Monatsfrist galt keine Jahresfrist für die Erhebung der Klage (vgl § 66 SGG), weil die in dem Widerspruchsbescheid vom 1.12.2009 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig war.

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Nach § 85 Abs 3 Satz 4 SGG sind die Beteiligten in einem Widerspruchsbescheid über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Gerichts zu belehren. Nach § 66 Abs 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

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Die Voraussetzungen für eine richtige, die Monatsfrist in Lauf setzende Rechtsbehelfsbelehrung sind nach beiden Vorschriften - neben der Form schriftlich oder elektronisch - als inhaltliche Anforderungen die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier einer "Klage", des Gerichts mit Angabe seines Sitzes, an die sie zu richten ist, und die einzuhaltende Klagefrist. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen, muss die Rechtsbehelfsbelehrung auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften beinhalten ("Wegweiserfunktion"). Andererseits darf die Rechtsbehelfsbelehrung nicht mit weiteren Informationen überfrachtet sein; diese sind jedoch unschädlich, wenn sie richtig und vollständig sind, dürfen aber nicht Verwirrung stiften oder den Eindruck erwecken, die Rechtsverfolgung sei schwieriger als sie in Wirklichkeit ist (stRspr: BSG vom 7.7.1999 - B 3 P 4/99 R - SozR 3-1500 § 67 Nr 13; BSG vom 18.10.2007 - B 3 P 24/07 B - , SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6; BSG vom 14.3.2013 - B 13 R 19/12 R -, SozR 4-1500 § 66 Nr 3 RdNr 15 f; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 66 RdNr 5, 10 f; Littmann in HK-SGG, 4. Aufl 2012, § 66 RdNr 5; Wolf-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 66 RdNr 22; vgl auch Bundesverwaltungsgericht vom 27.4.1990 - 8 C 70.88 - juris-RdNr 15).

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Ob die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis des Betroffenen ursächlich war, ist grundsätzlich unerheblich (stRspr: BSG vom 14.10.1955 - 2 RU 16/54 - BSGE 1, 254; BSG vom 21.5.2003 - B 6 KA 20/03 B). Nur bei an sich in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht notwendigen, aber fehlerhaften Angaben müssen diese zumindest abstrakt Einfluss auf die verspätete Einlegung des Rechtsbehelfs gehabt haben, um zu einer Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu führen (stRspr: BSG Urteil vom 22.7.1982 - 7 RAr 115/81 - SozR 1500 § 93 Nr 1; BSG Urteil vom 28.5.1991 - 13/5 RJ 48/90 - BSGE 69, 9, 14 = SozR 3-1500 § 66 Nr 1; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 66 RdNr 12; Wolf-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 66 RdNr 31).

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a) Die von einer Rechtsbehelfsbelehrung zu wahrenden (Mindest-)Voraussetzungen werden von der des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2009 erfüllt, wie sich aus dem in ihr enthaltenen Satz: "Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Dresden, Hans-Oster-Str. 4, 01099 Dresden, Klage erhoben werden." ergibt. Hinsichtlich der schriftlichen Form und der inhaltlichen Anforderungen an die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier einer Klage, und des Gerichts mit Angabe seines Sitzes, an die sie zu richten ist, ist dies zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Entgegen dem Vorbringen der Revision wird mit diesem Satz auch in zutreffender Weise über den Beginn der Klagefrist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides als weitere Voraussetzung für eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung belehrt, obgleich der Widerspruchsbescheid dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt wurde.

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Dies folgt schon aus dem Wortlaut des heutigen § 87 SGG in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 (BGBl I 2144), nach dessen Abs 1 Satz 1 die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben ist und nach dessen Abs 2 die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beginnt, wenn ein Vorverfahren - wie vorliegend - stattgefunden hat. Die in beiden Absätzen angesprochene Bekanntgabe umfasst auch eine Zustellung.

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Dies entspricht auch der Definition des Begriffs Zustellung in § 2 Abs 1 VwZG: "Zustellung ist die Bekanntgabe eines … Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form …", ähnlich lautet auch § 166 Abs 1 Zivilprozessordnung und nach der in § 37 Abs 5 SGB X enthaltene Regelung bleiben die "Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts mittels Zustellung … unberührt."

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Der Begriff der Bekanntgabe ist zumindest heute - rund 30 Jahre nach dem Inkrafttreten des SGB X (vgl zur Rechtslage vorher Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 37 RdNr 6) - entgegen den von der Revision angeführten Urteilen (vgl nur BSG Urteil vom 27.9.1983 - 12 RK 75/82 - RdNr 14) nicht mehr ungenau und missverständlich, wie seine obige Beschreibung und die angeführte Rechtsprechung und Literatur belegen. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG eine Rechtsbehelfsbelehrung, die für den Beginn der Klagefrist den im Gesetz verwandten Begriff der Bekanntgabe gebraucht, weder irreführend noch unrichtig, auch wenn der angefochtene Widerspruchsbescheid in der besonderen Form der Zustellung - vorliegend mit Empfangsbekenntnis an den anwaltlichen Vertreter der Klägerin - bekanntgegeben wird. Die Bekanntgabe, die den Fristlauf auslöst, besteht dann in der Zustellung. Eine genauere Bezeichnung des die Klagefrist in Lauf setzenden Ereignisses bedarf es in einem solchen Falle nicht. Die Belehrung, die Klagefrist beginne mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu laufen, kann keinen Irrtum des Adressaten über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist hervorrufen und dadurch die rechtzeitige Klageerhebung erschweren, wenn der Widerspruchsbescheid dem Adressaten im Wege der Zustellung mit Empfangsbekenntnis an seinen Rechtsanwalt bekannt gegeben worden ist. Denn bei dieser Zustellungsart ist die Zustellung auch aus Sicht des Empfängers stets zugleich die Bekanntgabe. Daran kann ein Zustellungsempfänger bei vernünftiger Überlegung nicht zweifeln (vgl BVerwG Urteil vom 27.4.1990 - 8 C 70.88 - juris-RdNr 18; BVerwG Beschluss vom 31.5.2006 - 6 B 65.05 - juris-RdNr 9).

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Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Gesetzgebungsgeschichte einschließlich der Gesetzesbegründungen, die eine Entwicklung von der aufwändigeren Zustellung zu der technisch einfacheren Bekanntgabe aufzeigt. Zunächst war § 87 Abs 2 SGG geändert worden, der bis zum 31.12.1999 lautete "Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides." und durch Art 8 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) ab 1.1.2000 seine heutige Fassung erhielt, nach der die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beginnt. Bei der Ersetzung des Wortes "Zustellung" durch das Wort "Bekanntgabe" (vgl Art 8 Nr 3 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) handele es sich - so die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/1245 S 118 zu dem entsprechenden Art 10 des Entwurfs) - um eine Folgeänderung zur Änderung des § 85 Abs 3 Satz 1 SGG durch das 5. SGG-Änderungsgesetz vom 30.3.1998 (BGBl I 638), nach der Widerspruchsbescheide nicht mehr zugestellt werden müssen, sondern eine Bekanntgabe ausreicht; weiter wird ausgeführt, die Neuregelung beseitige die Verpflichtung zur Zustellung des Widerspruchsbescheides, lasse aber die Möglichkeit unberührt, im Einzelfall dennoch eine Zustellung vorzunehmen (BT-Drucks 13/9609 S 6). In der Gesetzesbegründung zum 6. SGG-Änderungsgesetz (BT-Drucks 14/5943 S 26) ist zur Änderung des § 87 Abs 1 SGG nur ausgeführt, eine Bekanntgabe umfasse eine Zustellung.

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Aus den früheren, von der Revision angeführten Urteilen (BSG Urteil vom 27.3.1980 - 12 RK 61/79; BSG Urteil vom 27.9.1983 - 12 RK 75/82; BSG Urteil vom 15.12.1983 - 12 RK 22/82; BSG Urteil vom 26.10.1989 - 12 RK 21/89 - SozR 1500 § 84 Nr 6) kann für die heutige Rechtslage nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, weil die einschlägigen Regelungen in § 87 SGG zwischenzeitlich, wie aufgezeigt, geändert wurden; der früher verwandte Begriff "Zustellung" kommt in ihnen heute nicht mehr vor. Gleiches gilt im Hinblick auf das Urteil des 13. Senats des BSG vom 6.12.1996 (13 RJ 19/96 - BSGE 79, 293 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6), das die Wahrung einer Klagefrist nach einem Widerspruchsbescheid betraf, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit eingeschriebenem Brief zugestellt worden war und dessen Rechtsbehelfsbelehrung - entgegen dem damaligen § 87 Abs 2 SGG - auf eine Klagefrist von einem Monat "nach seiner Bekanntgabe" verwies. Denn das Urteil des 13. Senats ist zur alten Rechtslage ergangen, als Widerspruchsbescheide noch grundsätzlich zuzustellen waren, nicht aber wie heute eine Bekanntgabe genügte.

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Eine Anfrage an den 8. Senat des BSG (vgl § 41 Abs 2, 3 SGG) wegen seines Urteils vom 9.12.2008 (B 8/9b SO 13/07 R), das sich dieser früheren Rechtsprechung angeschlossen hat, wegen dessen das LSG die Revision zugelassen hat und auf das sich die Klägerin bezieht, ist nicht notwendig, weil in diesem Urteil kein tragender Rechtssatz aufgestellt wird, von dem der erkennende Senat in der vorliegenden Entscheidung abweicht. In jenem Verfahren war dem Kläger der angefochtene Widerspruchsbescheid per Einschreiben zugestellt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Klage einen Monat "nach Zustellung" (nicht nach Bekanntgabe) zu erheben war, wurde als richtig angesehen, weil es nicht nur folgerichtig, sondern sogar erforderlich sei, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung und nicht der Bekanntgabe abgestellt werde, wenn der Versicherungsträger sich für den Weg der förmlichen Zustellung entscheide. Daraus kann jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nichts Zwingendes hergeleitet werden. Auch wenn in solchen Fallkonstellationen, in denen in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die tatsächliche Art der Bekanntgabe durch Zustellung Bezug genommen wird, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig ist, bedeutet dies nicht in einer Art Umkehrschluss, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die gesetzlich vorgesehene Bekanntgabe verweist, unrichtig ist, wenn nicht nur eine formlose Bekanntgabe, sondern eine Zustellung erfolgt. Denn aus der tragenden Aussage des Urteils vom 9.12.2008, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig ist, die nicht auf den im Gesetz verwendeten Begriff Bekanntgabe verweist, sondern auf die tatsächlich vorgenommene Zustellung, folgt nicht zwingend, dass immer, wenn seitens der Behörde eine Zustellung erfolgt, in der Rechtsbehelfsbelehrung begrifflich nur auf die Zustellung und nicht auf die in der Zustellung liegende Bekanntgabe für den Fristbeginn Bezug genommen werden darf.

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b) Aus dem weiteren Vorbringen der Revision folgt ebenfalls keine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides.

26

Der Vortrag, die Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig, weil darauf verwiesen werde, dass die Klage auch durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erhoben werden könne, soweit eine Bevollmächtigung dazu gegeben sei, obwohl § 38 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf das Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2) keine Vollmacht zur Klageerhebung umfasst, kann nicht zum Erfolg der Revision führen, weil dieser Teil der Rechtsbehelfsbelehrung nicht im Widerspruch zu dem genannten Urteil des BSG steht. Die Klageerhebung durch ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft für ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bedarf für ihre Wirksamkeit eine Bevollmächtigung des einen Mitglieds durch das andere.

27

Der Vortrag, die Rechtsbehelfsbelehrung enthalte eine verwirrende Belehrung zum Klageinhalt und zu weiteren Abschriften, ist nicht durchgreifend, weil die von der Klägerin angeführten Passagen der Rechtsbehelfsbelehrung den - damaligen - Wortlaut von § 92 Abs 1 und § 93 Satz 1 SGG wiedergeben. Damit besteht ein grundlegender Unterschied zum Urteil des BSG vom 22.7.1982 (7 RAr 115/81 - SozR 1500 § 93 Nr 1), in dem der Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung von dem des Gesetzes abwich. Vielmehr erfüllen die genannten Passagen der Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid die oben dargestellte Wegweiserfunktion einer Rechtsbehelfsbelehrung und sind auch nicht geeignet, bei dem Adressaten aufgrund einer Überfrachtung Verwirrung zu stiften oder den Eindruck zu erwecken, die Rechtsverfolgung sei schwieriger, als sie in Wirklichkeit ist.

28

c) Von Amts wegen sind keine Gesichtspunkte zu erkennen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Widerspruchsbescheides nach § 66 Abs 1, § 85 Abs 3 Satz 4 SGG ergibt.

29

3. Wiedereinsetzung in die Klagefrist nach § 67 SGG ist der Klägerin nicht zu gewähren, weil sie eine solche nicht beantragt hat und - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - kein Grund zu erkennen ist, wieso sie ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten.

30

4. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, das Urteil des LSG verletzte ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil es sich mit ihren über die fehlende Belehrung zum Beginn der Klagefrist hinausgehenden Einwendungen gegen die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht auseinandersetze, führt ebenfalls nicht zu einem Erfolg der Revision.

31

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) soll der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz, § 62 SGG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190 mwN), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f mwN). Das Gericht muss aber nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden; ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfG vom 8.7.1997 aaO).

32

Derartige besondere Umstände hat die Revision nicht angeführt und sind dem Verfahren auch nicht zu entnehmen. Dass die weiteren, von der Klägerin geltend gemachten Einwände gegen die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung von nachgeordneter Bedeutung sind, kann den vorstehenden Ausführungen entnommen werden.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.