Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 02.12.2014


BSG 02.12.2014 - B 14 AS 30/14 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - nicht vorschriftsmäßig besetzte Richterbank - Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters - Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
02.12.2014
Aktenzeichen:
B 14 AS 30/14 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Dessau-Roßlau, 1. April 2011, Az: S 19 AS 3420/09, Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 10. Januar 2014, Az: L 5 AS 401/11, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Klägerin wird auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2014 gewährt.

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 10.1.2014 hat das Landessozialgericht (LSG) Berufungen der Klägerin gegen Urteile des Sozialgerichts zurückgewiesen, durch die ihre Klagen wegen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch abgewiesen worden waren. Daran mitgewirkt hat ua die Richterin am LSG E, die zuvor durch Beschluss vom 18.11.2011 wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Beteiligung am Verfahren ausgeschlossen worden war, nachdem sie gemäß § 48 Zivilprozessordnung (ZPO) angezeigt hatte, dass die zu diesem Zeitpunkt mit der Prozessvertretung der Klägerin beauftragt gewesene Rechtsanwältin freie Mitarbeiterin in der Kanzlei des Ehemannes der Richterin ist.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG macht die Klägerin einen Verfahrensmangel geltend und rügt die Mitwirkung der durch den Beschluss vom 18.11.2011 ausgeschlossenen Richterin. Dadurch sei Art 101 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzt.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig - insbesondere nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Senatsbeschluss vom 15.7.2014 unter Beantragung von Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt - und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

4

Der Beschluss des LSG vom 10.1.2014 beruht auf einem von der Klägerin hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Bei Erlass der Entscheidung war das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG), weil an ihr die durch Beschluss vom 18.11.2011 ausgeschlossene Richterin am LSG E mitgewirkt hat (§ 60 Abs 1 SGG iVm §§ 48, 47 ZPO). Von diesem Zeitpunkt an stand die Richterin einem iS von § 41 ZPO von Gesetzes wegen ausgeschlossenen Richter gleich (vgl Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, Bd 1, 4. Aufl 2013, § 46 RdNr 1) und hatte sich demzufolge jeder weiteren richterlichen Beteiligung an dem Berufungsverfahren zu enthalten (vgl nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl 2015, § 41 RdNr 6; Heinrich in Musielak, ZPO, 11. Aufl 2014, § 41 RdNr 2; Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, Bd 1, 4. Aufl 2013, § 41 RdNr 28; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 41 RdNr 15). Verletzt hierdurch ist auch das grundrechtsgleiche Recht der Klägerin auf den gesetzlichen Richter iS von Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (vgl BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 12 mwN).

5

Da das Recht auf den gesetzlichen Richter zu den Grundlagen des Prozessrechts gehört, bei deren Verletzung gesetzlich vermutet wird (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 2 ZPO), dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensrechten beruht (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 218/12 B - Juris RdNr 11), war die Entscheidung nach § 160a Abs 5 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

6

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.