Entscheidungsdatum: 29.11.2012
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juli 2012 - L 13 AS 71/10 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
I. Umstritten sind höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für Schulmaterial im Schuljahr 2005/2006. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Durchführung eines Erörterungstermins die Berufung mit Beschluss vom 4.7.2012 - L 13 AS 71/10 - zurückgewiesen. In ihrer form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) und § 62 SGG.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des LSG vom 4.7.2012 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG zurückzuverweisen. Denn der Beschluss beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der angefochtene Beschluss des LSG unter Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ergangen ist.
Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG), um deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) sicherzustellen. Des Weiteren führt eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des LSG nur mit Berufsrichtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Abs 1 Zivilprozessordnung (<ZPO> vgl nur BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11).
Gegen das Anhörungserfordernis nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG hat das LSG vorliegend verstoßen. Dass die Kläger vor dem angefochtenen Beschluss des LSG nicht angehört wurden, ergibt sich aus ihrer Beschwerdebegründung, zumal ein Nachweis über den Zugang des Anhörungsschreibens bei ihnen fehlt. Aufgrund des bloßen Absendens eines Anhörungsschreibens kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatten. Bei einem Verzicht auf den Nachweis über den Zugang des Anhörungsschreibens und einer fehlenden Erwiderung zu einem Anhörungsschreiben muss sich das LSG vielmehr vor Erlass des beabsichtigten Beschlusses darüber Gewissheit verschaffen, dass allen Beteiligten das Anhörungsschreiben zugegangen ist (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 71/99 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 11 S 30 = Juris RdNr 20 mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 194/08 B). Letzteres ist vorliegend nicht geschehen.
Bei einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG sind keine näheren Ausführungen zum Beruhenkönnen der Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel erforderlich, weil immer auch ein absoluter Revisionsgrund aufgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG ohne ehrenamtliche Richter gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO vorliegt (BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17).
Dass die Kläger außerdem die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt haben, steht dem nicht entgegen. Ob die Voraussetzungen dieser Rüge vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ebenso die Entscheidung über die von den Klägern gleichzeitig erhobene Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Sache.
Angesichts des aufgezeigten Verfahrensmangels ist der Rechtsstreit nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.