Entscheidungsdatum: 09.01.2019
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag, ihr Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen und Rechtsanwalt P. (K.) beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
I. Im Streit steht eine Entscheidung der Beklagten über eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens.
Die Beklagte hatte der Klägerin die Zusage erteilt, dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen. Im März 2011 beantragte die Klägerin alsdann derartige Leistungen in "Form" eines Ausbildungskostenzuschusses für die Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau im Reisebüro "R.". Dies lehnte die Beklagte ab. Nach hiergegen gerichteten ebenfalls erfolglosen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Widerspruchs hat die Klägerin vor dem SG im Hauptsacheverfahren beantragt, "… die Beklagte unter Aufhebung … zu verpflichten, den Antrag … auf Gewährung eines Ausbildungszuschusses für eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden". Als das Reisebüro "R." im Jahr 2013 sein Ausbildungsangebot zurückzog, hat die Klägerin ihren Klageantrag umgestellt. Sie beantragt nunmehr, "… festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid … ermessenfehlerhaft war". Diesem Begehren hat das SG (Gerichtsbescheid vom 21.1.2015) stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG (Urteil vom 14.12.2017) den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen Letzteres wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügt einen Verfahrensfehler des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung genügt nicht der vorgeschriebenen Form. Sie hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für dessen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.
Die Klägerin rügt einen Verstoß des LSG gegen § 123 SGG, denn das LSG habe mit seiner Auslegung ihrer beiden Anträge aus dem Klageverfahren den Streitgegenstand verkannt. Sie hat das Vorliegen der einen derartigen Verfahrensfehler begründenden Tatsachen jedoch nicht hinreichend dargebracht.
Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger (Klägerin) erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 2 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 123 RdNr 3; Schmidt, aaO, § 112 RdNr 8). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65, juris RdNr 11). Dabei ist unter Heranziehung von § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen. Zugrunde zu legen sind insoweit der Wortlaut des Begehrens, aber auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (vgl nur BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2 juris RdNr 1). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger (Klägerin) aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl etwa BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16). Die Auslegung von Anträgen richtet sich danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen; im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93 - BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11, RdNr 15). Bei einem Rechtsanwalt oder anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten ist allerdings in der Regel anzunehmen, dass der Wortlaut des Antrags das wirklich Gewollte wiedergibt (BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 10 ÜG 29/13 B - juris RdNr 12).
Die Beschwerdebegründung der Klägerin lässt bereits Darlegungen dazu vermissen, dass das LSG ihr Klagebegehren entgegen dem Wortlaut der Anträge verkannt haben soll.
Sie bringt vor, ihr ursprünglicher Antrag sei auf die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung im Hinblick auf die Gewährung eines Ausbildungszuschusses für eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet gewesen. Nach der Aufgabe des Ausbildungsangebots durch das Reisebüro "R." habe sie dieses Begehren in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gewandelt, verbunden mit der Feststellung, dass der Ausgangsbescheid ermessensfehlerhaft gewesen sei, weil für den mit der Klage ursprünglich verfolgten Anspruch das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Dass das LSG den ersten Antrag, den sie ausdrücklich in ein Verpflichtungsbegehren gekleidet hat, nicht als solches angesehen und behandelt hat, behauptet sie zwar. Dies widerspricht jedoch der von ihr selbst wiedergegebenen Entscheidungsbegründung des LSG. Sie führt ausdrücklich aus, das LSG habe ihren Antrag als "Verpflichtungsantrag" ausgelegt.
Soweit sie vorbringen will, das LSG habe diesen Antrag entgegen ihres Begehrens einengend auf die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung über einen Ausbildungszuschuss für eine Ausbildung beim Reisebüro "R." ausgelegt, mangelt es an Darlegungen dazu, dass das LSG damit das wirklich von ihr Gewollte verfehlt hat. Insoweit genügt es angesichts der von ihr selbst dargestellten Begründung des LSG, insbesondere dessen Hinweis auf den Verfahrensgang und die Hintergründe des Rechtsstreits nicht vorzubringen, als anwaltlich Vertretene sei allein auf den Wortlaut des Antrags abzustellen. Rechtsprechung und Literatur gehen zwar davon aus, dass ein von einem Rechtsanwalt formulierter Antrag in der Regel das Gewollte zutreffend wiedergibt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 123 RdNr 3; BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 10 ÜG 29/13 B - juris RdNr 12). Andererseits schließt nicht allein der Umstand der anwaltlichen Vertretung eine an § 133 BGB orientierte Auslegung des Begehrens aus (BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 3 - juris RdNr 24; Giesbert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 123 SGG RdNr 20), zumindest dann, wenn die gewählte Formulierung - wie hier - nicht eindeutig ist (vgl BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 SB 2/16 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 4 RdNr 11; BVerwG Urteil vom 22.2.1985 - 8 C 107/83 - juris RdNr 25).
Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, es handele sich um eine einengende Auslegung des Vordergerichts, die - folgte man den Ausführungen der Klägerin - nicht durch |
a) die ursprüngliche, auf einen konkreten Ausbildungsplatz beim Reisebüro "R." gerichtete Antragstellung gegenüber der Beklagten, |
b) das Vorbringen zur Eilbedürftigkeit wegen des Erhalts der Ausbildungsmöglichkeit bei diesem Reisebüro im vorläufigen Rechtsschutz und |
c) das Vorbringen im Klageverfahren, das ursprüngliche Begehren habe sich durch den Wegfall des Ausbildungsplatzes erledigt, gerechtfertigt sei, |
so mangelt es an hinreichenden Darlegungen zur prozessualen Erforderlichkeit einer Umstellung der Klageart in eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Insoweit genügt es nicht auf den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Bescheidungsantrag zu verweisen. Denn war der ursprüngliche Klageantrag nur auf die ermessensfehlerfreie Bescheidung der Klägerin gerichtet, betreffend eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau unabhängig von dem konkreten Ausbildungsplatzangebot, hätte es Ausführungen der Klägerin dazu bedurft, warum sich dieser ursprüngliche Klageantrag durch den Wegfall des Ausbildungsplatzes bei dem Reisebüro "R." erledigt gehabt haben soll. Nach § 131 Abs 1 S 3 SGG setzt die Fortsetzungsfeststellungsklage die Erledigung des Verwaltungsaktes voraus. Die Umstellung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage, dh das prozessuale Vorgehen der Klägerin, würde sie damit nur dann begünstigen, wenn mit dem Wegfall des Ausbildungsangebotes sich ihr Begehren auf eine konkrete Leistung, die durch den streitigen Bescheid abgelehnt worden war, erledigt hatte. Anderenfalls hätte es keiner Klageumstellung bedurft und alsdann mangelte es an Tatsachenvortrag, der den gerügten Verfahrensfehler der Verkennung des Streitgegenstandes begründen könnte. |
Soweit die Beschwerdeschrift so zu verstehen sein sollte, dass das LSG das Begehren nicht mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, es bestehe ein Ermessensspielraum, beträfe dies die materielle Richtigkeit der Entscheidung des LSG und kann nicht zum Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde führen.
Schlussendlich mangelt es in der Beschwerdebegründung an Darlegungen zum Beruhen der Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensfehler. Es finden sich in der Beschwerdeschrift keinerlei Ausführungen zu dem bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage zwingend erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Insoweit hätte die Klägerin darlegen müssen, auch wenn sich das LSG unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung nicht dazu verhalten musste, dass und aus welchen Gründen es dieses hätte bejahen müssen und eine Revision zum Erfolg für sie führen könne.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
Der Klägerin kann für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO), weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie bereits ausgeführt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.